Alle Jahre wieder ertönt der Anpfiff zu einer neuen "FIFA"-Saison - und ebenso regelmäßig stehen Fußball-Fans und Käufer der Vorgänger-Version vor den immergleichen Fragen: Was ist neu? Hat sich etwas geändert? Und wenn ja, zum Guten oder zum Schlechten? Und last but not least: Lohnt der Kauf oder ist es nur ein Update zum Vollpreis? In unserem Test bekommen Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Eine Kritik
von Gerd Hilber
Diese Kritik stellt die Sicht von Gerd Hilber dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Was ist neu in "FIFA 20"?

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Die auffälligste Neuerung in "FIFA 20" ist zweifelsohne der "Volta"-Modus. Hinter diesem portugiesischen Begriff für "Zurück" steckt eine Zusammenführung von zwei alten EA-Experimenten: Zum einen wäre da der berühmt-berüchtigte Hallenmodus aus "FIFA 98", dem bis heute viele Fans nachweinen. Zum anderen sind Teile der zuletzt 2012 veröffentlichten Ableger-Reihe "FIFA Street" miteingefloßen.

Heißt: Die Matches dauern hier keine 90, sondern vielleicht nur sechs Minuten. Und gekickt wird auch nicht auf heiligem Stadionrasen, sondern auf Kleinfeldern und in Käfigen, mit Banden und nahezu ohne Einschränkungen: Mann gegen Frau, alle Tricks sind erlaubt - und am Ende siegt der Style. Vereinfacht ausgedrückt.

Tatsächlich ist "Volta" mehr als nur eine bloße Dreingabe. Zwar lässt sich auch mit allen Mannschaften aus dem riesigen Profi-Fundus von "FIFA 20" eine schnelle Hinterhof-Partie über den Menüpunkt "Anstoss Volta" starten. Gleichzeitig liefert das Straßenfußball-Szenario die Grundlage für einen neuen Story-Modus. Wir erinnern uns: Die "Reise" von Alex Hunter war nach drei "FIFA"-Ablegern auserzählt. Stattdessen dreht sich nun alles um ein männliches oder weibliches Nachwuchstalent namens "Revvy", dessen Aussehen der Spieler selbst bestimmen darf.

Erzählt wird abermals eine klassische From-Zero-to-Hero-Geschichte: Revvy will mit seiner buntgemischten Crew "Jay10" unbedingt zur Street-Soccer-Weltmeisterschaft nach Buenos Aires. Doch der Weg vom Bordstein in den Fußball-Olymp ist lang und holprig. Verletzungen und krankhaft egoistische Teammitglieder stehen dem Traum ebenso im Weg wie eine Handvoll lebender Legenden, die in zahlreichen Matches und Turnieren mit variablem Regelwerk (3-gegen-3, 4-gegen-4, 5-gegen-5, Futsal, mit und ohne Türhüter) herausgefordert werden wollen, nach einem Sieg aber auch zuweilen die eigene Mannschaft verstärken.

Durch Erfolge verbessert der Spieler seine Basiswerte und kann zudem über einen Talentbaum besondere Skills freischalten, die ihm weitere Boni auf dem Feld verleihen - etwa eine erhöhte Passsicherheit oder Schussstärke. Zusätzlich gesammelte Volta-Coins sind wiederum zum Shoppen da. Denn Style ist in "Volta" fast alles: bei Pässen, Drehungen, Schüssen, Annahmen und Dribblings ebenso wie in Form von bergeweise Klamotten, Sneakern und anderen Accessoires.

Das Anziehen der eigenen Mannschaft ist zwar kein Muss, kann aber helfen - etwa dann, wenn man feststellt, dass im gegnerischen Team drei Typen dasselbe gelbe Shirt mit Blitz tragen und eine Unterscheidung kaum noch möglich ist.

Was ist sonst noch neu in "FIFA 20"?

Champions League, hunderte offizielle Mannschaften, 1. bis 3. Bundesliga, Frauen-Fußball, und und und - das dicke Lizenzpaket ist eine altbekannte Stärke von "FIFA 20". Neu ist jedoch, dass Fans und Käufer diesmal auch Verzicht üben müssen. Ein wenig zumindest.

Der Grund sind ein paar Lizenz-Nadelstiche von Konkurrent Konami. Der japanische Hersteller hat sich für seine Simulation "eFootball PES 2020" exklusiv die Dienste der "alten Dame" Juventus Turin gesichert. Cristiano Ronaldo und Co. laufen in "FIFA 20" zwar weiterhin mit ihren echten Namen auf, der italienische Rekordmeister heißt jedoch nun Piemonte Calcio. Auch einige südamerikanische Mannschaften spielen unter "falschem" Vereinsnamen.

Ebenfalls bitter: Aus ähnlichen Gründen fehlt die Allianz-Arena des FC Bayern München. Im Gegenzug hat EA 13 neue Fußball-Tempel eingeweiht - unter anderem das "Wohninvest Weserstadion", die "Commerzbank-Arena" in Frankfurt, die "Opel-Arena" in Mainz oder das "RheinEnergie-Stadion" in Köln.

Spielerisch hat sich gegenüber dem Vorgänger nur wenig geändert. Am deutlichsten spürbar ist noch die Entschleunigung auf dem Rasen. Auf Eins-gegen-eins-Situationen wurde ein besonderer Fokus gelegt. Wieselflinker Pace-Maker auf den Außenbahnen wie Jadon Sancho vom BVB oder Kingsley Coman vom FC Bayern haben nun per "Strafe Dribbling" die Möglichkeit, den Ball eng und doch flott zu führen. Durch gutes Stellungsspiel, Timing und Körpereinsatz können Verteidiger der Offensivabteilung jedoch die Zähne ziehen. Die Folge: Die Zweikämpfe fallen deutlich abwechslungsreicher, weil unvorhersehbarer und damit authentischer aus.

Weitere Anpassungen sind im Detail zu suchen: EA will die Ballphysik weiter verfeinert haben. Darüber hinaus hat man Schüsse und Standards mit Effet etwas kniffliger gemacht und "holprige" Pässe über grätschende Verteidiger eingeführt.

Die spaßigen "Hausregeln" für kurzweilige Spaß-Kicks auf der Couch sind durch ein paar Variationen wie "Überraschungsball" noch ein bisschen irrer geworden. Die Möglichkeiten, Geld in "Fifa Ultimate Team"-Modus auszugeben, übrigens auch. Und in der Manager-Karriere gibt's nun Pressekonferenzen, die das eigene Standing und die Teamchemie beeinflussen.

Was ist gut gelungen?

"Volta" macht richtig Laune! Nicht nur, weil es permanent im Kasten klingelt, sondern die Einstiegshürden auch für Anfänger erstaunlich niedrig sind. Übersteiger, Drehung, Hacke, Heber, Fallrückzieher - da steigt auf der Couch schnell die Stimmung. Und im Spiel gehen die Straßenfußballer auch mal die Wände hoch. Buchstäblich!

Die cool-rasanten "Volta"-Hinterhofkicks stehlen der Fußballsimulation anfangs gnadenlos die Show - sowohl im Story-Modus als auch beim Zocken mit den Kumpels. Ist mehr als Party gefragt, wartet immer noch eine prall gefülltes Rasen-Erlebnis mit allem, was man sich wünscht - und vielem, was man wohl nie zu Gesicht bekommt.

Ungeschlagen dabei: die Stadion-Atmosphäre! Der ist neben den Fangesängen und der allgemeinen Soundkulisse vor allem die beeindruckende Grafik mehr als zuträglich. Die läuft im "FIFA" mit der Rückennummer 20 mit verfeinerten Animationen und über 180 neuen eingescannten Profis, darunter auch die Youngsters Kai Havertz (Bayer 04 Leverkusen) und Jadon Sancho (Borussia Dortmund), zu Höchstform auf. Spektakulärer wird's vermutlich erst mit der nächsten Konsolengeneration.

Was ist nicht so gut gelungen?

Trotz des "Volta"-Einfalls kann man "FIFA 20" - spielerisch zumindest - Stillstand auf hohem Niveau vorwerfen. Man muss "FIFA 19" schon intensiv gezockt haben, um die Unterschiede bei Steuerung und Kicker-Verhalten wahrzunehmen und klar benennen zu können. EA verfolgt hier klar das Prinzip "Evolution statt Revolution". Aber mal ehrlich: Jahr für Jahr das Rad beziehungsweise das virtuelle Leder neu zu erfinden, ist vermutlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Wer die Nadel im Fehler-Heuhaufen sucht, wird dennoch fündig: So setzt der "Volta"-Modus zwingend und unnötig eine Online-Verbindung voraus. Gleichzeitig sind Online-Duelle gegen Freunde vorerst nicht möglich. Die Bolzplatzduelle lassen sich übers Netz im Liga-Modus nur gegen menschliche Zufallsgegner bestreiten.

Ähnliches gilt im Übrigen auch für manche Quatschpartien nach "Hausregeln", die nur auf der Couch funktionieren - oder über den Sammelkartenmodus "FIFA Ultimate Team" funktionieren. Apropos: Kritiker sehen in dessen Lootbox-System nach wie vor ein Glücksspiel für Minderjährige. Und auch eSportler geben offen zu, dass sie von Anfang mehrere Tausend Euro investieren, um auf Profi-Ebene überhaupt konkurrenzfähig zu sein.

Ach ja: Die Switch-Fassung hat rein gar nichts mit der PC-, PS4- und Xbox-One-Fassung zu tun. Sie besitzt im Übrigen auch keinen Volta-Modus. Eine Testversion lag nicht vor.

Fazit

Auch wenn sich auf dem Platz wenig getan hat, ist "FIFA 20" ein stärkerer Jahrgang. Durch "Volta" ist die Fußballsimulation zugänglicher denn je - und bietet letztlich zwei Arten von Spielgefühl in einem Game.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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