- Die Trailer waren Spektakel, Kritiker sahen das Potenzial zum Überraschungshit des Jahres.
- Nun ist "Atomic Heart" da und beeindruckt grafisch und spielerisch wie erhofft.
- Dass der Titel dennoch kontrovers diskutiert wird, hat andere Gründe.
Nach den ersten fulminanten Trailern war die Vorfreude auf "Atomic Heart" groß. Nicht wenige hofften auf einen echten Überraschungshit. Und obwohl das Spiel das versprochene Grafikspektakel liefert, spaltet der dystopische Ego-Shooter die Gemüter weltweit.
Ähnlich wie bei der aktuellen Diskussion um "Hogwarts Legacy" haben die Debatten mehr mit den aktuellen politischen Umständen zu tun als mit dem Spiel selbst. Während der Ausflug ins "Harry Potter"-Universum aufgrund der transphoben Äußerungen der Autorin J.K. Rowling am Pranger steht, wird "Atomic Heart" aufgrund seiner russischen Herkunft und seiner vordergründigen Glorifizierung der Sowjetunion kritisch beäugt, die sich in dieser alternativen Realität nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer utopischen Supermacht entwickelt hat. Roboter gehören hier im Jahr 1955 wie fliegende Städte zum Alltag, die Kolonialisierung des Weltraums steht unmittelbar bevor, ebenso die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Spieler und Spielerinnen schlüpfen in die Rolle eines KGB-Agenten, der mit einem sprechenden Hightech-Handschuh ausgestattet ist, der im Lauf des Abenteuers mit mächtigen Zusatzfunktionen ausgestattet werden kann.
Vorwürfe an den Entwickler
"Atomic Heart" ist das Debüt des Studios Mundfish. Dass der Ursprung der Spieleschmiede in Moskau liegt, ist einer der Gründe, die die Kontroverse um das Spiel anheizen. Der 2017 gegründete Entwickler ist zwar längst nach Zypern umgezogen und besteht aus 130 Mitarbeitern aus zehn Ländern - darunter auch Teammitglieder aus der Ukraine. Dennoch beharren Kritiker auf dem Ursprung in Russland und beziehen sich auf Medienberichte, wonach in den ursprünglichen Nutzungsbedingungen gestanden haben soll, dass Userdaten an russischen Behörden weitergegeben werden dürften. Mundfish selbst bezeichnete diese Anschuldigungen als falsch und betont, dass es sich dabei um veraltete Datenschutzbestimmungen handelte.
Dass russische Investoren das Projekt mitfinanzierten, stößt Kritikern ebenfalls bitter auf. Neben Tencent aus China und Nvidia werden Gaijin Entertainment und Gem Capital genannt. Letztgenanntes Unternehmen wurde laut "Eurogamer" von Anatoliy Paliy gegründet, der zuvor für das staatsnahe russische Erdgasförderunternehmen Gazprom gearbeitet haben soll. Gaijin Entertainment wiederum wurde 2021 von einer ukrainischen Zeitung vorgeworfen, dass das Unternehmen russische Separatisten in der Ukraine finanziere. Verifizieren ließ sich das aber nicht.
Zwei Atomherzen in der Brust
Beim Vorwurf der Glorifizierung der Sowjetunion wird übersehen, dass "Atomic Heart" sich äußerst kritisch mit der Idee des russischen Sci-Fi-Großreichs auseinandersetzt. Wie beim großen Vorbild "Bioshock" ist es letztlich eine Dystopie, durch die Spieler sich kämpfen müssen. Denn die Roboterhorden der Supermacht geraten außer Rand und Band, und finstere Mächte verderben den Bürgern die Freude an der hochtechnologisierten Wohlstandsgesellschaft. Zudem verwandeln gen-manipulierte Pflanzen die Menschen in aggressive Mutanten.
Während die russische Presse "Atomic Heart" als Erzeugnis aus der Heimat feiert und zwischen den Zeilen als Vision von einem mächtigen Russland von Morgen preist, gibt das deutsche Fachmagazin "GamePro" Entwarnung: Während des Durchspielens sei nichts aufgefallen, was als russische Propaganda zu bezeichnen wäre - "keine versteckten politischen Botschaften, keine Pro-Putin-Kommentare".
Auch das Studio Mundfish bezieht Stellung zur Frage, wo man politisch stehe: "Wir versichern euch, dass wir ein globales Team sind, das sich auf ein innovatives Spiel fokussiert." Zudem sei man "zweifelsfrei eine Pro-Frieden-Organisation" und verdamme "Gewalt gegen Menschen".
Auffällig jedoch: Die Entwickler vermeiden Begriffe wie "Krieg" und "Ukraine" in ihrem Statement. Dass der Release nach fünf Jahren Entwicklungszeit nahezu auf den Jahrestag des Überfalls Russlands auf das Nachbarland fällt, ist wohl zwischen "geschmacklos" und "schlechtem Timing" zu verorten. Komponist Mick Gordon, der die Musik zu "Atomic Heart" schuf, setzte dagegen ein eindeutiges Zeichen, indem er sein Honorar für den Soundtrack an die ukrainische Division des Roten Kreuzes spendete.
Das sagt die internationale und nationale Fachpresse
Unabhängig von der politischen Kontroverse um das Spiel ist die Wertung der Fachpresse und der Spieler recht wohlwollend. Beim Meinungsaggregator "Metacritic" kommt "Atomic Heart" derzeit auf 75 von 100 möglichen Punkten. "Gaming Trend" nennt den Shooter euphorisch "einen Anwärter auf das Spiel des Jahres" und mehr noch "einen der herausragendsten Titel der Dekade". Weniger begeistert zeigte sich "The Gamer", wo man das Spiel als "völlig überladen" und unnötig in die Länge gezogen wahrnimmt. "Gamesradar" prangert eine missglückte Rahmenhandlung und frustrierende Platformer-Passagen an.
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Die deutsche Presse ist ebenfalls eher positiv angetan vom abwechslungsreichen Gameplay und großartigen Design - kreidet dem Spiel aber wie "GamePro" ein "hakeliges Kampfsystem", "nervige Bugs" und eine über weite Strecken "durchschnittliche Optik" an. Auch "PCGames" findet "viele kleine Nervigkeiten" und einen großen Gamebreaker in der PS5-Version, der in der Mitte des Spiels den Fortschritt in der Story vollständig blockierte.
Auch diesen Schönheitsfehler scheint "Atomic Heart" zu haben: Das Raytracing, das zu Beginn der Entwicklung noch stolz als Feature von "Atomic Heart" angekündigt wurde, fehlt im finalen Spiel - selbst nach dem Day-One-Patch. Ob ein entsprechendes Update nachgereicht wird, ist unklar.
Der Ego-Shooter ist ab 21. Februar für PC, PlayStation und Xbox erhältlich und hat eine USK-Einstufung ab 18 Jahren bekommen. Zudem ist der Titel in Microsofts kostenplichtigem Abo-Angebot Gamepass enthalten. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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