Zwischen "Ninja Warriors" und TikTok-Challenge: Der Saarbrücker "Tatort" macht sich mit unglaubwürdigen Spielchen lächerlich.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nach etwa einer Stunde "Tatort" platzt Kommissar Adam Schürk (Daniel Sträßer) der Kragen: "Leo? Leo! Erklär mal, um was es geht." Die Frage ist berechtigt.

Mehr News zum "Tatort"

Die bisherigen Saarbrücker "Tatort"-Folgen mit und über die Jugendfreunde Adam und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov), die seit Kurzem als Kommissare zusammenarbeiten, waren spannend und komplex, auch, weil der dramatische Ursprung ihrer Freundschaft sich durch alle bisherigen Episoden zog. Mutig wurde die Loyalität des Publikums vorausgesetzt und mit besonders vielschichtigen Geschichten belohnt.

Wenn man in der neuesten Folge den Kopf schüttelt und sich fragt, was das Ganze soll, liegt das aber nicht daran, dass man den neuesten Fall nicht verstehen kann, wenn man die Vorgeschichte nicht kennt. Auch "Der Fluch des Geldes" führt zwar die horizontale Erzählweise fort, aber das Nötigste wird in den ersten Minuten schnell erklärt: Adam und Leo stehen an einem See vor einer Tasche voller Geldscheine. Das ist die Beute, die Adams fieser Vater bei einem Banküberfall geklaut und vor seinem Tod verbuddelt hat.

Adam findet, dass das Geld ihm gehört: Ihm geht es immer mehr um Gerechtigkeit als um Recht und Ordnung. Der gewissenhafte Leo, der gerne Gesetzestexte rezitiert, ist entschieden anderer Meinung. Und jetzt ist er von seinem besten Kumpel schwer enttäuscht. So schwer, dass er die nächsten 60 Minuten eigentlich nur Mist baut. Ist das der Fluch des Geldes?

Alle glauben, dass es kein Mord war

Wütend lässt Leo Adam mit der Beute am Auto stehen und will zu Fuß zurückgehen. Auf der Landstraße wird er fast von einem schlingernden Wagen überfahren. "Schwarzer Pickup, vier Insassen, einer fett, goldene Halskette", diktiert er geistesgegenwärtig in sein Telefon.

Kurz darauf stirbt eine Autofahrerin auf eben dieser Landstraße. Jetzt ist Leo noch wütender, weil alle glauben, dass das kein Mord war. Leo aber ist überzeugt, dass die vier Insassen schuld am Tod der alten Frau sind. Leo wird zum Adam: Er steigert sich in den Fall hinein, ermittelt auf eigene Faust und mit nicht immer ganz legalen Methoden.

Seine vier Verdächtigen spürt er dank ihres gestohlenen Pick-ups im Saarbrücker Casino auf: Den windigen Geschäftsmann Taleb mit "goldener Halskette" (Omar El-Saeidi) und seiner blonden Freundin Betty (Susanne Bormann), den "fetten" Kleinkriminellen Dino (Daniel Zillmann) und die drogenabhängige Manipulatorin Luisa (Jasmina Al Zihairi).

Lesen Sie auch

Neuverfilmung eines Kino-Klassikers: Trailer zu "Die Farbe Lila"

"Die Farbe Lila" erzählt die Geschichte der außergewöhnlichen Freundschaft dreier Frauen, die das Schicksal untrennbar zusammengeschweißt hat. Die Neuauflage des Klassikers wurde von Oprah Winfrey, Steven Spielberg, Scott Sanders und Quincy Jones produziert und startet am 8. Februar in den Kinos.

Es geht um den Fluch des Geldes

Und jetzt wird gespielt. Erst nur Black Jack im Casino. Aber Leo ist penetrant, leiht sich Adams Geld und erkauft sich - natürlich inkognito – Einlass in die Clique, die noch ganz andere Wetten am Laufen hat: Die vier Freunde haben ein Spiel entwickelt, bei dem sie sich gegenseitig mehr oder weniger gefährliche Aufgaben stellen.

Von sportlichen Wettkämpfen über riskante Mutproben bis hin zu fiesen Psychospielen ist alles dabei. Leo macht mit. Und Adam macht sich Sorgen und ist plötzlich der Leo in der Beziehung – der besorgte Kümmerer und Beschützer im Hintergrund: "Leo? Leo! Erklär mal, um was es geht."

Um den Fluch des Geldes geht es, natürlich. Darum, was Geld aus einem machen, welche Formen Spielsucht annehmen kann. Um die Suche und Sucht nach Kicks, die ein Loser-Leben nicht mehr bieten kann und darum, was einem Leben wirklich Sinn verleihen kann.

Die künstliche Welt der Casinos wird der Realität gegenübergestellt, die oberflächliche Freundschaft der Clique schreit geradezu danach, mit der komplizierten Beziehung zwischen Adam und Leo verglichen zu werden. Recht und Gerechtigkeit, Verantwortungsgefühl und Leichtsinn - Gegensätze und Metaphern liegen symbolisch aufgeladen auf diesem "Tatort".

Der Krimi wurde mit viel Tempo inszeniert

Der aber wird zu einem Mix aus TikTok-Challenge, „Ninja Warriors“ und Squid Games light. Rasant, aber auch ziemlich lächerlich. Schließlich haben wir es hier mit Erwachsenen zu tun, und nicht mit Teenagern auf der Jagd nach Social-Media-Likes. Auch Leo Hölzer ist völlig durch den Wind – weil die Geschichte (von Drehbuchautor Hendrik Hölzemann) es so erfordert, nicht weil es Sinn macht.

Dass dieser korrekte Kommissar nur aus einer schlechten Laune heraus plötzlich den wilden Mann spielt(!), ist ungefähr genau so glaubwürdig wie die Annahme, dass vier Kleinkriminelle einen Wildfremden plötzlich mitspielen(!) lassen würden.

Regisseur Christian Theede inszeniert den Krimi mit viel Tempo, jagt alle Mitspieler als Getriebene durch die Handlung – aber weil man weder sie noch ihr Spiel richtig ernst nehmen kann, erscheinen auch die Risiken und Nebenwirkungen ihres Tuns seltsam belanglos. Selbst, als es zu einem weiteren Tod kommt.

Da kommt einem eine andere Spiele-Metapher in den Sinn: "Die ganze Welt ist Bühne/ Und alle Fraun und Männer bloße Spieler./ Sie treten auf und gehen wieder ab" (Shakespeare). Was bleibt, ist ein Schulterzucken über diesen Saarbrücker "Tatort". Viel Lärm um nichts. (Auch Shakespeare.)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.