Straßenbahnfahrer Hamza Arkadaş geht wie üblich am Ende seiner Nachtschicht durch den leeren Wagen. Genervt sieht er einen letzten Gast auf einer Bank hocken. Als Hamza ihn hinausschmeißen will, steht der junge Mann ganz ruhig auf und sticht dem Fahrer in den Bauch. Fünfmal. Bis Hamza (Mehmet Daloğlu) ganz sicher tot ist.
Dann sieht der Täter mit festem, fast aufforderndem Blick in die Überwachungskamera der Straßenbahn. Und er rennt weg. Der Mann will zwar nicht gefasst werden. Aber er sucht den Kontakt: Er will eine Geschichte erzählen. "Love is Pain" erzählt diese Geschichte.
Durch seine Taten zwingt der Mörder (Nils Hohenhövel) das Dortmunder Team, ihm zuzuhören. Oder besser: zuzusehen. Er wird wieder morden. Und wieder wegrennen. Und Kommissarin und Kommissar bedrohlich nah kommen. Da kann und will jemand nicht loslassen, und zwingt die Ermittelnden, dasselbe zu tun.
Die Geschichte wird durch Überwachungskameras erzählt
Das Besondere an diesem "Tatort" ist nicht nur die ungewöhnliche Täterkonstellation, sondern auch, wie die Geschichte erzählt wird: durch Überwachungskameras. Kommissarin Rosa Herzog (
Wie realistisch es ist, dass in so einem Fall nicht einfach eine ganz altmodische Großfahndung mithilfe der Öffentlichkeit eingeleitet wird, sei einmal dahingestellt. Eine Super-Recognizerin ist natürlich viel cooler. "Superwoman" nennt Kommissar Faber (Jörg Hartmann) sie, natürlich leicht spöttisch.
Die vielen unscharfen Kameraaufnahmen geben "Love is Pain" effektvoll ein sehr urbanes Aussehen und unterstreichen zugleich die indirekte, suchende Perspektive, die gut zum Rest der Erzählung passt. Denn "Love is Pain" muss natürlich auch die Geschichte des durch den Tod von Kollegin Martina Bönisch aufgewühlten Teams weitererzählen, das sich an eine ganz neue Situation herantastet: Rosa Herzog hat während Fabers Krankschreibung die Leitung übertragen bekommen.
Das sei völlig in Ordnung, sagt Faber, und läuft bei den Ermittlungen ungewohnt zahm und brav mit. Schließlich bezieht sich der Titel der Folge auch auf ihn: Die Liebe zur toten Kollegin schmerzt noch immer.
Alle rennen geliebten Menschen hinterher
Aber als Gerüchte auftauchen, wonach aus der Urlaubsvertretung eine Dauereinrichtung werden soll, ist das Ego dann doch angekratzt genug, um den griesgrämigen inneren Chef zu wecken. Jetzt hat er es gewissermaßen mit zwei Superfrauen zu tun, Gräske und Kollegin Rosa Herzog.
Weil die Bilder aus der Straßenbahn zeigen, dass sich Opfer und Täter kannten, fängt Faber an, sich im Umfeld der Toten umzuhören. Fragt Freunde und Verwandte, hört zu, beobachtet. Und nennt sich sarkastisch "Superman".
Im Gegensatz zu Superwoman hat er den Vorteil, dass ihm sozusagen Live-Material zur Verfügung steht, wenn er mit echten Menschen in echten Räumen redet, während Beate Gräske nicht vor Live-Kameras sitzt, sondern nur vergangene Aufnahmen durchforsten kann. Doch Schritt für Schritt, Bild für Bild ergeben die Puzzlestücke schließlich das ganze Drama. Es geht um Jugendsünden, Rache – und natürlich auch Eifersucht. Schmerzhafte Liebe eben.
Zur Geschichte des Mörders und Fabers Trauer kommen außerdem die privaten Sorgen der anderen Kollegen: Rosa Herzog wird von ihrer Mutter, einer untergetauchten und gesuchten RAF-Terroristin, um Hilfe gebeten. Kommissar Jan Pawlak (Rick Okon) kämpft gegen die verbitterte Schwiegermutter um das Sorgerecht für seine Tochter.
Alle also rennen auf verschiedene Weise geliebten Menschen hinterher, und alle leiden darunter: Unter der Last des arg dick aufgetragenen Titelmotivs fängt der Krimi irgendwann zwar doch an zu ächzen, insgesamt aber ist "Love is Pain" wieder eine starke, spannende Geschichte rund um das Dortmunder Team und seinen angeschlagen "Superman".
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