Wenn in der Nacht zum Montag zum 96. Mal die Oscars verliehen werden, gilt die besondere Aufmerksamkeit natürlich der Königskategorie "Bester Film". Zehn Werke konkurrieren um die Krone, jedes für sich ist absolut sehenswert. Dennoch hat ein Kandidat die Nase vorn – bei der Zahl der Nominierungen, den bisherigen Auszeichnungen und nicht zuletzt in der Einschätzung unserer Redaktion.
Eigentlich müsste das Rennen gelaufen sein:
Anita Klingler: Ich fürchte ja, um "Oppenheimer" wird man in der Kategorie kaum herumkommen. Sehr viel spannender und großartiger fände ich die Entscheidung für "American Fiction": ein Film ebenso lustig wie traurig, der es schafft, ein altbekanntes Problem plakativ und gleichzeitig modern, lustig und einfühlsam zu adressieren.
Vicky Thissen: Der Siegeszug von "Oppenheimer" wird wohl auch bei den Oscars nicht gestoppt. Nach Golden Globe, BAFTA, Critics' Choice Award, SAG Award und Producers Guild Award wird die Wahl auch bei den Academy Awards auf das Werk von Christopher Nolan fallen. Ja, bei drei Stunden Filmlänge muss man sich gerade am Anfang zwingen, dranzubleiben, aber das letzte Drittel lohnt sich dafür umso mehr. Der Film vereint opulente Bilder, starke Charaktere, Historie, eine Botschaft und gefüllte Kinokassen – alles Kriterien, die ihn zum Oscargewinner machen.
Thomas Porzner: Wenn ich mir die Liste der nominierten Filme anschaue, fällt es mir schwer, auf Anhieb einen Favoriten herauszupicken. Dabei habe ich immerhin acht von zehn schon gesehen – das überrascht mich gerade selbst. Nachhaltig beeindruckt haben mich vor allem die Kassenrenner "Barbenheimer" – und natürlich die europäischen Beiträge. Ich denke aber, dass Oppenheimer am Ende das Rennen macht: Der Film ist epochal, geschichts- und politikträchtig und entspricht genau dem, was so eine US-Academy gerne "wählt".
"'Anatomie eines Falls' hätte es verdient"
Philipp Scheiner: Ganz schwierige Entscheidung, aber ausschlaggebend war am Ende, dass "Anatomie eines Falls" mit wenig Budget und wenig Tamtam ein echtes Gefühlsfeuerwerk auslöst. Vermutlich wird er's nicht, aber verdient hätte er es alle Mal.
Julian Münz: Eine unangenehme Sexszene weniger (und Leute, die den Film gesehen haben, wissen hoffentlich, welche ich meine) und "Poor Things" hätte bei der Verleihung zumindest mein Herz auf seiner Seite gehabt. So bleiben als aussichtsreiche Kandidaten natürlich "Barbie" und "Oppenheimer", die dem Kino 2023 zusammen neues Leben eingehaucht haben. Getreu des Mottos #Barbenheimer bleibt der Academy nur eine Wahl: Der Oscar muss in der Mitte zerteilt werden, beide gewinnen.
Patricia Kämpf: Ich mag "Barbie". Der Film ist lustig und selbstironisch, und es ist wichtig und gut, dass ihn so viele Menschen gesehen haben. Weil Feminismus im Blockbuster-Kino bislang nicht so häufig Thema war. Trotzdem wird "Barbie" den Oscar als bester Film nicht mitnehmen. Wäre auch völlig unverdient wegen "Oppenheimer". Dieser Film erschlägt einen geradezu. Wenn der Trinity-Test gezeigt wird, also der Moment, in dem die Atombombe zum ersten Mal getestet wird, ist das so opulent dargestellt, dass man im dunklen Kino Gänsehaut bekommt, sich an der plüschigen Sessellehne festkrallt, das Herz ein bisschen schneller schlägt und man kurz, wirklich kurz, Angst bekommt davor, dass gleich tatsächlich eine Atombombe gezündet wird, nur ein paar Meter entfernt vom Kinosessel – der in dem Moment vibriert und bebt. Vielleicht habe ich mir das mit dem Sessel auch nur eingebildet. Aber deswegen bekommt "Oppenheimer" den Oscar als bester Film.
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