Maren Kroymann hat sich als Kabarettistin, Schauspielerin und Sängerin einen Namen gemacht – nun darf sie einen weiteren Titel tragen: Superheldin. In einem Marvel-Podcast spricht die 74-Jährige keine Geringere als Black Widow.

Ein Interview

"Marvel’s Wastelanders" lässt Comic-Fans ihre Helden auf eine ganz neue Art erleben und konnte ein paar der renommiertesten deutschen Stars verpflichten. So waren im ersten Teil Tom Wlaschiha und Devid Striesow zu hören, in "Marvel’s Wastelanders: Hawkeye“ dann Mark Waschke und Shari Asha Crosson. In der dritten der sechs Staffeln, "Marvel's Wastelanders: Black Widow, hat nun Maren Kroymann die Hauptsprechrolle übernommen.

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Daraus, dass sie Superheldinnen und -helden eigentlich nicht besonders mag, macht Kroymann im Interview keinen Hehl. Warum der Job sie trotzdem reizte, hat sie uns ebenso erzählt wie ihre Sicht auf den Comedy-Nachwuchs und die Repräsentation von Frauen ihres Alters in TV und Kino.

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Frau Kroymann – Sie sprechen in der "Marvel’s Wastelanders"-Serie die Superheldin Black Widow. Ganz ehrlich, mit Marvel hätten Sie wohl die wenigsten in Verbindung gebracht. Wie kam es zu dem Projekt?

Das lag wirklich nicht nah. Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, mich zu "bewerben". Ich bekam die Anfrage und dachte: 'Was? Ich?' Superhelden mag ich nicht und auch comicbasierte Action ist überhaupt nicht mein Ding. Das ist alles zu vordergründig. Auch in den Filmen sind das ja alles eher Charaktermasken, alle sehr plakativ. Dann habe ich es mir aber doch angeschaut und fand die Figur, die ich sprechen sollte, sehr interessant. Sie macht überraschende Wendungen und erweist sich als sehr komplex.

Und natürlich ist es auch eine großartige Möglichkeit, mir mal ein ganz anderes Publikum zu erschließen. In meiner eigenen Sendung will ich auch nicht immer nur für alte links-grün-versiffte feministische vegetarische Lesben spielen. Das wäre ja ein bisschen wenig. Die Kroymann-Sendung ist schon so aufgebaut, dass wir auch andere erreichen. Und bei Marvel ist es ja noch mal ein ganz anderes Publikum - nicht das intellektuelle-literarische, sondern der Mainstream. Und da probiere ich mich jetzt einfach mal aus. Ick find dit jut.

Sie haben einige Erfahrung mit dem Einsprechen von Hörbüchern oder Hörspielen. Gabs hier trotzdem Besonderheiten?

Maren Kroymann bei den Aufnahmen zur Podcast-Serie "Marvel's Wastelanders: Black Widow". © Dirk Mathesius

Der akustische Raum, die Hintergrundgeräusche, sind komplett durch das amerikanische Original vorgegeben. Wir nahmen nicht – wie sonst bei einem Hörspiel üblich – eine Geräuschkulisse auf, sondern haben den von Marvel und Audible vorgegebenen Sound, auf den wir die Texte sprechen. Meine Figur wird im Original von Susan Sarandon gesprochen - was übrigens auch ein Argument war, das zu machen, weil ich sie sehr verehre. Im Französischen spricht Catherine Deneuve Black Widow, auch nicht schlecht. Da kam es dann drauf an, in dem vorhandenen Sound, die deutsche Stimme einzusprechen. Das war auf jeden Fall etwas Neues, so habe ich noch nie gearbeitet.

Kroymann: "Unverständlich, dass Frauen in meinem Alter nicht mehr vorkommen"

Sarandon, Deneuve, auch Sie selbst – die Zahl der Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter ist überschaubar. Viele haben es schwer, selbst wenn sie sehr bekannt sind oder waren. Bei allem Streben nach Diversität scheint diese eine Hürde hoch wie eh und je. Oder sehen Sie eine Veränderung?

Die Altersfrage war schon immer schwierig – postklimakterische Frauen bekommen keine guten Rollen oder sind gleich gar nicht vorhanden. Ein Thema, das ich in meiner Sendung oder bei Talkshow-Auftritten offensiv behandele. Ich finde es völlig unverständlich, dass Frauen in meinem Alter nicht mehr vorkommen.

Gerade wächst da ein Bewusstsein, aber es ist immer noch viel zu wenig. Etwa die von Gesine Cukrowski gegründete Bewegung "Let's Change the Picture". Die Rollen, die es gibt, sind meist an der Grenze zu "die ist gerade noch attraktiv'. Dann kommt eine Lücke, so bis Mitte Sechzig – und dann werden wir Omas. Dann können wir vielleicht noch die Katze hüten oder der Tochter Beziehungsratschläge geben.

Das ist sehr klischeehaft und spiegelt überhaupt nicht wider, wie wir in unserer Generation – wir sind immerhin die 68er – uns in die Gesellschaft eingefädelt haben; wie wir leben und was wir machen. Wenn ich durch die Berliner Straßen gehe, sehe ich so viele Frauen, die keine adäquate Abbildung in TV oder Kino haben. Die sind selbstbestimmt, führen Beziehungen, haben Sex, sind mit jüngeren Menschen zusammen.

Bestrebungen, das Bild zu ändern, werden nicht gut genug umgesetzt. Es gibt beim ZDF etwa auch die Devise junge Gesichter zu zeigen. Das Publikum ist ja sehr überaltert. Und dem will man entgegenwirken, in dem man für bestimmte Sachen nur noch junge Menschen besetzt – aber das kann es ja nicht sein, denn es gibt auch 35-Jährige, die viel spießiger sind als manche 70-Jährige.

Die Rollen, die es gibt, sind meist an der Grenze zu 'die ist gerade noch attraktiv'. Dann kommt eine Lücke, so bis Mitte Sechzig – und dann werden wir Omas.

Sehen wir generell zu wenige Frauen? Musik-Festivals etwa, bei denen man in der Menge der Bands vielleicht zwei Frauen auf der Bühne sieht – das gab es doch in den 1990er nicht. Entwickeln wir uns zurück?

Stimmt. Eine Möglichkeit der Darstellung war ja für uns schon früher, Frontfrau einer Band zu sein. Deswegen war man noch lange nicht die Person, die die Texte schrieb – auch wenn es Ausnahmen gab wie etwa Annette Humpe, die schreibt und produziert. Oft war es so, dass man einfach ne schicke Frau brauchte, die vorne stand und singen durfte. Mehr nicht.

Ich hab es ja selbst auch erlebt: Ich hab ein Bühnenprogramm gemacht, bei dem ich gesungen und eigene Texte vorgetragen hab. Gleich ganz am Anfang wurde mir mal von besoffenen Männern "Halt die Klappe! Quatsch nicht so viel, sing lieber!", entgegengerufen. Nur Singen war akzeptiert. Als Frontfrau haben wir immerhin eine Stimme bekommen - das war schon mal was. Aber die Singstimme zu einer Sprechstimme zu machen, mit eigenen Gedanken, das war der nächste Schritt.

"Wer die Erotikhürde überwunden hatte, durfte alles machen"

Haben sich Frauen zu schnell zufriedengegeben? Ich muss da an Madonna denken. Sie schien immer die Frau zu sein, die alles unter Kontrolle hat – doch kaum hat sie ein bestimmtes Alter erreicht, wird sie zur Lachnummer degradiert. Hätte sie nicht die Macht gehabt, das System zu ändern, statt nur besonders gut mitzuspielen?

Madonna hat viel in die Hand genommen - man kann ja nicht erwarten, dass sie die ganze Gesellschaft und dazu das Show-Business umkrempelt. Ich finde es auch schmerzhaft, wenn ich sehe, wie sie immer noch versucht den ästhetischen Standards gerecht zu werden, dem Anspruch von Jungsein in der Branche. Manche sagen, sie könne machen, was sie will - das sei Selbstermächtigung. Kann man so sehen. Aber wer ist selbstbewusster: Eine Frau, die sagt 'Ich bin schön und muss mich liften lassen, damit ich im Alter immer noch so schön bleibe' oder eine Frau, die sagt 'Ich bin schön - ich muss mich nicht liften lassen'?

Ich sehe im Musik-Business Parallelen zum Kabarett. Es gab in Ensembles Frauen, die ihre Texte geschrieben bekommen haben. Und es gab es die Kabarettistinnen, die mit eigenen Texten auf die Bühne gegangen sind und dann auch angegriffen wurden. Es gab Vorurteile gegenüber einer Frau, die selbst denkt. Es ist der Intellekt von Frauen, der auf männlicher Seite Aggressionen hervorruft. Unsere Generation der Kabarettistinnen, etwa Lisa Fitz, Sissi Perlinger, die Misfits, haben im Grunde gezeigt: Wir können auch selbst denken – und wurde nicht unbedingt von Fernsehbeauftragten unterstützt, denn im Fernsehen gilt das Attraktivitätsgebot. Ich nenne es "Erotikhürde". Wer die Erotikhürde überwunden hatte, durfte alles machen und alles spielen. Shows, Krimis, alles Mögliche.

Wenn eine Frau aber schlau war und nicht im klassischen Sinne gut aussah, dann war sie weg. Sie konnte vielleicht Texte schreiben, kam aber nie vor eine Kamera. Jetzt kommt die neue Generation -– Caroline Kebekus, Hazel Brugger, Sarah Bosetti, Tahnee etwa -– da hilft Schönheit natürlich immer noch, aber die lassen sich nicht irritieren und bringen ihre eigenen Inhalte. So lange hat es gebraucht.

Also sehen Sie mit Hoffnung auf den (Comedy-)Nachwuchs?

Dank des Internets braucht man keine großen Produktionsmittel mehr. In den 1990ern hat man nur übers Fernsehen Karriere gemacht. Man musste entdeckt werden und einen Sendeplatz bekommen. Jetzt können wir Bloggerinnen sein, auf Instagram Sachen machen – es sind viel mehr Frauen unterwegs. Und sie sind sichtbarer, das stimmt mich hoffnungsfroh. Dass wir an die großen Sendungen kommen, ist der nächste Schritt. Natürlich sind gerade im Humorbereich immer noch zu wenig Frauen zu sehen, wir sind auf dem Weg. Wir müssen einander unterstützen und unsere Macht als Publikum ausspielen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über den Podcast

  • In der dritten Staffel der deutschen Audible Original Podcast-Serie "Marvel's Wastelanders: Black Widow", die seit dem 8. November zu hören ist, sind Maren Kroymann als Black Widow/ Helen Black und Nilam Farooq als Samantha Sugarman zu hören. Der Podcast kann von Abonnentinnen und Abonnenten als Teil des Streaming-Angebots unbegrenzt gehört werden.
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