Guckt man "And Just Like That" eigentlich aus echtem Interesse oder nur noch aus nostalgischen Anwandlungen? Natürlich ist die HBO-Fortsetzung von "Sex and the City" ein gigantischer Erfolg, wurde jüngst bereits für eine dritte Staffel verlängert. Nur: Das wohlwollende Wiedersehen mit liebgewonnen TV-Figuren reicht in Staffel zwei eigentlich längst nicht mehr aus, um über ein lahmes Drehbuch und allerlei Fremdschäm-Momente hinwegzusehen. Sechs Dinge, die selbst die größten Fans an der Serie verzweifeln lassen.

Eine Kritik
Achtung, Spoiler: Dieser Text enthält Informationen über das Ende der Staffel.

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Samanthas sinnloser Kurz-Auftritt

Samantha-Jones-Darstellerin Kim Cattrall soll angeblich eine Million US-Dollar für die 60-sekündige Szene erhalten haben, in der sie aus dem Taxi mit Carrie Bradshaw telefoniert und erklärt, dass sie wegen eines verspäteten Fluges leider ein gemeinsames Abendessen in New York verpasse. Ein Nostalgie-Moment, der nichts zur Story beiträgt, sondern im Gegenteil nur Fragen aufwirft: Wieso will Samantha trotz der zerbröckelten Freundschaft mit Carrie unbedingt für eine Party nach New York fliegen, konnte in Staffel eins aber nicht zu Mr. Bigs Beerdigung erscheinen? Das ergibt doch keinen Sinn!

Die Million hätte man vielleicht besser in ein halbwegs glaubwürdiges Drehbuch investiert. Denn so wirkt die Szene nur wie ein seltsames und sehr teures Zugeständnis an Samantha-Fans. Schließlich hatte Cattrall in den vergangenen Jahren immer wieder erklärt, nach Streitigkeiten mit Sarah Jessica Parker auf gar keinen Fall noch mal in ihre Paraderollen schlüpfen zu wollen. Nun also doch; es hat wohl einfach alles seinen Preis.

Charlottes grauenhafte Mom-Outfits

In der Originalserie bildeten Charlotte York Goldenblatts minimalistisch-schicke Looks und ihre perfekte Föhnwelle den klassischen New Yorker Upperclass-Vibe ab. Im Vergleich dazu sehen die Klamotten, in die die beiden Kostümbildner Molly Rogers und Danny Santiago die arme Charlotte in "And Just Like That" stecken, einfach nur verboten aus. Das "My Fair Lady"-Kostüm mit Zylinder für die Met Gala? Ihr zu enges Kleid mit pinkfarbenem Taillengürtel für den ersten Arbeitstag zurück in der Kunstwelt? Fürchterlich!

Charlotte wird modisch zur schrillen Lachfigur verdammt, die in biederen Kostümen, Schleifen-Jäckchen und viel zu hohen High Heels um Kinder und Mann herumschwarwenzelt. Das wird dem modischen Anspruch der Serie, die nun so viele Jahre als stilprägend galt, wirklich nicht gerecht.

Mirandas Selbstfindungstrip zum Fremdschämen

Ja, das Staffel-Finale gestaltet sich für Miranda Hobbes halbwegs versöhnlich, als ihr endlich ein Moment gegönnt wird, in dem sie beruflich mit ihrer Intelligenz und Souveränität glänzen kann: Sie darf für ihren neuen Arbeitgeber "Human Rights Watch" ein TV-Interview geben.

Bis dahin verläuft die Serie für die Anwältin allerdings wie ein reichlich bizarrer Selbstfindungstrip. Schlimmster Moment: als ihre Ex-Flamme Che die gemeinsame Beziehung für ein demütigendes Stand-up-Comedy-Programm verwertet und als "train wreck", also komplettes Fiasko bezeichnet. Ganz schön hart zu verkraften für jemanden, der sich mit 50 auch sexuell nochmal neu finden will. Da kann man nur hoffen, dass Mirandas Midlife-Crisis in Staffel drei endlich beendet sein wird.

Zu viele Nebenfiguren, zu viele überflüssige Geschichten

Warum muss die Kamera ständig in die Schlafzimmer sämtlicher Nebenfiguren schwenken? Die dort entstehenden Probleme interessieren das Fan-Publikum, das letztlich doch nur an Carrie, Miranda und Charlotte hängt, nämlich einfach nicht. Und so verlangsamen die Geschichten rund um Figuren wie die Uni-Professorin Nya Wallace und die Regisseurin Lisa Todd Wexley nur den Rhythmus der Serie.

Einzig die Maklerin Seema konnten die Serienmacher gekonnt als selbstbestimmten, forschen Samantha-Ersatz installieren. Höchst unangenehm anzuschauen ist hingegen das Schicksal von Charlottes Kumpel Anthony, einem italienischen Backwaren-Unternehmer: Wie kann man im Jahr 2023 eine Serienfigur so stereotyp zum "schwulen besten Freund" ohne echte Bedeutung im Leben der weiblichen Hauptfiguren degradieren? Peinlich für eine Serie, die so krampfhaft um "political correctness" bemüht ist.

Das peinliche Liebes-Comeback zwischen Carrie und Aiden

Selbst für den nostalgischsten "Sex and the City"-Fan dürfte die Beziehungsneuauflage zwischen Carrie und Aidan schwer zu ertragen sein. Nach zwei Mails und einem einzigen Restaurant-Date entscheiden die beiden in Windeseile, dass sie ihre einstige "große" Liebe wieder aufleben lassen wollen.

Natürlich gibt es schwerwiegende Hindernisse auf dem Weg zum Happy End: Im Staffel-Finale offenbart Aidan, dass er sich erst einmal um seine Söhne im Teenager-Alter kümmern müsse, bevor er sich auf die Beziehung mit Carrie konzentrieren könne. Diese soll nun fünf (!) Jahre auf ihn warten, so lange, bis sein jüngster Sohn aus dem Haus ist.

Unfassbar, dass sich Carrie auf diesen Vorschlag einlässt – Verzeihung, aber ein Mindestmaß an feministischer Selbstachtung ist auch einer hoffnungslosen Romantikerin wie ihr zuzumuten! Und: Wäre es für den Fortgang nicht witziger gewesen, Carrie mit den Problemen einer Patchwork-Familie zu konfrontieren, anstatt sie, wie nun bereits seit über 20 Serien-Jahren, ihre Liebesdebakel in Cosmopolitans ertränken zu lassen?

Wie konnte aus der fabelhaften Carrie Bradshaw eine einsame Cat Lady werden?

Nichts gegen Katzen. Aber dass aus Carrie Bradshaw, einst brillante Zeitungskolumnistin und cooles New Yorker Szenegirl, nun eine wirklich etwas schräg angezogene Dame geworden ist, die allein mit einer Katze namens "Shoe", also Schuh, in einem viel zu großen New Yorker Townhouse sitzt und darauf wartet, dass ein Mann ihr in fünf Jahren wieder seine Gunst erweisen wird – das ist beim besten Willen nicht mehr zu verstehen.

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