"Camilla. Geliebte. Gemahlin. Königin": In einer aufwendigen Dokumention spürte Journalistin Julia Melchior am Donnerstagabend bei Arte dem Leben und der Person von Königin Camilla nach. Dabei entstand das intensive Bild einer zurückhaltenden, engagierten, loyalen und missverstandenen Frau, das aber leider von sehr viel Meinungen und Behauptungen geprägt ist.
"Camilla, Englands neue
Denn diese Worte sind nicht nur ein Einstieg, sie sind auch Zusammenfassung und Bewertung zugleich. Sie schildern den Wandel von Camillas Rolle in der Monarchie und sind gleichzeitig erfüllt vom Gefühlten, Geschätzten und Gemeintem. Denn wie lassen sich wohl Hass oder Einfluss so genau messen, dass jemand "meistgehasst" oder am "einflussreichsten" sein kann?
Aber diese Einleitung gibt schon einmal einen Vorgeschmack auf die knapp 43 Minuten der gesamten Dokumentation. Denn natürlich ist nach der Anfangsdramatik nicht gleich Schluss, schließlich gibt es doch noch ein bisschen mehr über Queen Camilla zu erzählen und genau darauf sollten die Eingangsworte Lust machen.
Camillas Ambitionen: "Akademisch war nicht so viel los"
Zum Beispiel Camillas Kindheitstage. "Für ein Kind der Nachkriegszeit wächst Camilla recht komfortabel auf", erklärt der Off-Sprecher. Beide Eltern stammten aus begüterten Verhältnissen, der Vater ist ein Offizier, die Mutter eine Adlige. "Sie selbst hat ihre Kindheit als sehr idyllisch beschrieben", erklärt Roya Nikkhah, "Königshaus-Korrespondentin" der "The Sunday Times" in der Doku. Ihr junges Leben habe Camilla zwischen dem Landsitz in East-Sussex und dem vornehmen Londoner Stadtteil South-Kensington verbracht.
Die von Klassenkameradinnen "Milla" genannte Camilla habe die mittlere Reife gemacht und danach ein Mädchen-Pensionat in der Schweiz besucht. Dann Französisch und französische Literatur in Paris studiert, ehe sie 1965 zu ihrem Debütantinnen-Ball gegangen sei, ein Ball, der dazu da sei, einen Mann zu finden. "Viel mehr hat sie sich nicht wirklich vorgestellt", glaubt Gina Thomas, langjährige Kulturkorrespondentin der "F.A.Z" und behauptet über die junge Camilla: "Akademisch war nicht so viel los."
Fünf Jahre später, 1970, habe eine Freundin sie dann mit dem zwei Jahre jüngeren Charles bekannt gemacht. "Der Funke springt sofort über", weiß der Off-Sprecher und sagt: "Eine gemeinsame Zukunft sehen beide für sich nicht." Denn Camilla sei, so Nikkhah, "kein unbeschriebenes Blatt" und aus Sicht der Institutionen "nicht die passende, unbefleckte Braut, die in die königliche Familie einheiraten darf", so Nikkhah. Es entwickelt sich eine 18-monatige Affäre, über die diesmal wieder der Off-Sprecher urteilt: "Sie sei seine Seelenpartnerin, wusste Charles schon damals, nur habe ihm die Courage gefehlt, ihr das zu gestehen."
Von der "bösen Frau" zur Königin
Camilla heiratet Andrew Parker Bowles, einen renommierten Offizier, "in den sie auch richtig verliebt war", wie Hugo Vickers, Biograf der Königsfamilie, erklärt. Charles sei von der Hochzeit getroffen gewesen, doch weil Parker Bowles "nicht sonderlich treu" gewesen sein soll, sei die Affäre zwischen Charles und Camilla bald wieder entflammt. Trotzdem heiratet Charles irgendwann
Nach der Hochzeit soll kurz Funkstille geherrscht haben, danach ging es mit Charles und Camilla wieder los, was der "Inner Circle" gewusst habe. Das Ende ist bekannt: 1992 gibt der britische Premierminister die einvernehmliche Trennung von Charles und Diana bekannt, der Auftakt, so die Doku, für einen Rosenkrieg und eine Hetzjagd auf Camilla. "Böse Frau", "Rottweiler", "Ehe-Saboteurin", zitiert die Doku ein paar Schlagzeilen von damals. 1996 sind dann sowohl Charles als auch Camillas Ehe geschieden.
Nach dem Unfalltod Dianas habe sich Camilla auf ihren Landsitz zurückgezogen und sei dort über ein Jahr lang "belagert und gejagt" worden. Im Januar 1999 kam dann der erste öffentliche Auftritt von Camilla und Charles als Paar und irgendwann habe sich die Berichterstattung im Ton geändert. Im April 2005 heiraten Charles und Camilla, 2023 folgt dann die Krönung. Seitdem erfülle Camilla ihre royale Pflicht: "Reisen und repräsentieren – das wird von ihr erwartet."
Viel Gemeines und Gemeintes
Es ist ein recht eindeutiges Bild, das die Dokumentation da von Camilla zeichnet. War Prinzessin Diana die "Königin der Herzen", so war Camilla die "Königin der Schmerzen". Zu viel musste sie in den vergangenen Jahren an Schmähungen, Gemeinheiten und Fehlurteilen aushalten, bis sie endlich so gesehen wird, wie sie wirklich ist, so die Doku. Dieses Bild ist das einer zurückhaltenden, humorvollen, ihrem Mann Charles loyalen Frau, die trotzdem immer ihr eigenes Leben hatte. Die sich nun in sehr vielen Bereichen engagiert, etwa in der Tierrettung oder im Kampf gegen häusliche Gewalt.
"Zurückhaltung ist ihre Stärke und der Grund, warum so wenig über sie bekannt ist", darf der Off-Sprecher an einer Stelle über Camilla sagen. An anderer Stelle beschreibt er sie als jemanden mit Flugangst, jemanden, der nicht gerne im Mittelpunkt steht und "die unter ihren Freunden nicht gerade als Workaholic gilt" – als sei das etwas Schlechtes. Aber diese Unterstellungen, Meinungen, Urteile und Spekulationen sind ohnehin die Achillesferse des Films von Julia Melchior. Denn obgleich Melchior zahlreiche Interviewpartner zu Wort kommen lässt, ist es für den Zuschauer doch schwer einzuschätzen, was Fakten sind und was Meinungen. Zu gleich ist der Fluss, in dem die Doku erzählt.
Das ist im besten Fall einer fehlenden Einordnung des Gesagten geschuldet, im schlimmsten Fall aber wird es tendenziös. So sagt der Off-Sprecher beispielsweise über Camillas Krönung: "Für Camilla kein Moment des Triumphs. Nie hat sie nach der Rolle der Königin getrachtet." Eine Behauptung, die man beim ersten Hören vielleicht so hinnimmt, die aber trotzdem eine Behauptung bleibt. Denn wer außer Camilla und ihrem engsten Umfeld könnte so etwas wissen? Und wie trachtet man überhaupt nach der Rolle der Königin? Es ist ja nicht so, dass man hier einfach eine Bewerbung schreiben oder die Amtsinhaberin zum Armdrücken herausfordern könnte.
Geschickt inszenierte Seriosität
Und so ist auch "Camilla. Geliebte. Gemahlin. Königin", wie so viele Dokus über Königsfamilien, allzu oft eine Aneinanderreihung von Spekulationen und Behauptungen – nicht nur über Camilla. "Aber Prinz Harry hat eben seine ganz eigene Sicht auf die Dinge und die kam ziemlich überraschend", sagt etwa Roya Nikkhah, weil der Prinz Camilla früher gelobt habe, sie heute aber kritisiere. Die Doku lässt so einen Satz stehen, den man aber über jeden sagen könnte, der eben seine eigene Sicht auf die Dinge hat. Das ist tendenziös, zumal gleich im Anschluss Bruder William bewusst besser wegkommt: "Öffentlich zeigt sich der erstgeborene Prinz William souveräner im Umgang mit der familiären Situation", behauptet der Off-Sprecher einfach so, ohne dass das eingeordnet oder belegt wird.
Aber die Doku kaschiert dieses Gefühlige und Gemeinte geschickt mit inszenierter Seriosität. Denn die Interviewpartner sprechen all ihre Meinungen in royalem Ambiente aus, in schicker Garderobe, in einem Lesesessel sitzend und mit Bücherwänden im Hintergrund. Das sieht dann ganz anders aus als dort, wo die gleichen Adelsexperten sonst über Camilla, Charles und Co. sprechen und die Königsfamilie analysieren: in den Redaktionsräumen der Klatschpresse.
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