Während die deutschen Skispringer mit der gerade beendeten Saison 2023/24 dank der Erfolge gleich mehrerer Athleten zufrieden sein können, müssen sich die deutschen Skirennläufer mit der schlechtesten Saison seit 18 Jahren abfinden. Die Bilanz der deutschen Wintersportler im Überblick.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Victoria Kunzmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Während die deutschen Skispringer im Vergleich zur Vorsaison einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht haben und Andreas Wellinger sogar als einer der Favoriten in die Vierschanzentournee ging, müssen sich die Alpinsportler hinterfragen. Nach zwei Rücktritten und wenig Hoffnung auf Talente droht dem Team die Perspektivlosigkeit. Wie die deutschen Wintersportlerinnen und -sportler in der zurückgelegenen Saison abschnitten – die Bilanz.

Mehr News zum Thema Wintersport

Ski Alpin: Straßer und Dürr sichern Platz zwei – Dreßen beendet Karriere

Die Fahne der deutschen Skirennläufer hielten in dieser Saison Lena Dürr und Linus Straßer hoch. Beide erreichten jeweils den zweiten Platz im Slalom-Weltcup. Straßer gewann die Slalomrennen in Kitzbühel auf der Streif und in Schladming. Dürr fuhr viermal aufs Treppchen. Neben den beiden Technikspezialisten sah es allerdings mau aus bei den Ski-Alpin-Startern. Thomas Dreßen beendete aufgrund langwieriger Kniebeschwerden seine Karriere, auch Josef "Pepi" Ferstl hörte auf.

Abfahrerin Kira Weidle, die WM-Zweite 2021, fuhr zwar achtmal in die Top Ten, aber kein einziges Mal aufs Podest. Insgesamt fuhren die deutschen Abfahrer so wenige Top-Ten-Platzierungen ein wie seit 2006 nicht mehr (28, damals waren es 19) und verpassten das Weltcup-Finale. Hoffnung machen einzelne Talente wie Romy Ertl, rosige Zeiten stehen den deutschen Skirennläufern aber nicht bevor.

Skispringen: Wellinger nahe am Tourneesieg – Frauen kämpfen weiter

Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher ist zufrieden: "Mit der Saison kann man sicherlich gut leben", sagte er dem ZDF als Fazit. Nach der schwachen Saison 2022/23 landeten in den ersten acht Springen der Saison Andreas Wellinger, Pius Paschke, Stephan Leyhe und Karl Geiger auf dem Treppchen. Paschke fuhr mit 33 Jahren seinen ersten Weltcup-Sieg ein, Wellinger war heißer Kandidat auf den Sieg bei der Vierschanzentournee, wurde am Ende Zweiter.

Einziges Manko: In der zweiten Hälfte der Saison ging nicht mehr viel. Kein Deutscher schaffte es bei den letzten elf Springen mehr aufs Treppchen. Man müsse "den Knick in Ruhe analysieren", sagte Horngacher und glaubt, die Erwartung an die Springer sei "ein bisschen zu hoch gewesen. Dann kam eine gewisse Verkrampfung rein." Wellinger wurde Dritter in der Gesamtweltcup-Wertung.

Die deutschen Skispringerinnen kämpfen weiter für gleiche Bedingungen von Männern und Frauen. Beim Weltcup-Finale in Planica sagte Selina Freitag etwa laut Bericht: "Wenn man sieht, wie die Schanze drüben (bei den Männern) im Vergleich zu hier präpariert ist, dann fühlt es sich nicht ganz nach Gleichberechtigung an." Statt einer Vierschanzentournee starteten sie bei der Two-Nights-Tour. Beim Skifliegen gab es den ersten Weltcup für die Frauen. Beste Deutsche in der Gesamtwertung wurde Katharina Schmid als Zehnte.

Biathlon: Doll beendet Karriere, Preuß macht weiter Hoffnung

Besser als in der Vorsaison schnitten auch die deutschen Biathleten ab. Platz zwei in der Nationenwertung, mehr Podestplätze als 2022/23, drei WM-Medaillen. "Wir haben deutliche Schritte nach vorn gemacht", bilanzierte Sportdirektor Felix Bitterling laut Sportschau. Doch im deutschen Biathlon steht eine Veränderung an: Mit Benedikt Doll beendete der erfolgreichste deutsche Biathlet im Team seine Karriere. Bei seinen Teamkollegen fehlt es an Konstanz. Philipp Nawrath und Roman Rees können vorn mitfahren, sind aber nicht konstant auf Topniveau.

Franziska Preuß erwischte einen starken Saisonstart und war schnell Weltcup-Führende, wurde aber von mehreren Infekten und Atemwegserkrankungen heimgesucht, die sie schwächten. Die 30-Jährige will sich operieren lassen. Janina Hettig-Walz erreichte zum ersten Mal in ihrer Karriere in einem Weltcup einen Podestplatz. Was Bitterling hoffen lässt: "Bei den Damen kommt sehr viel nach. Da mache ich mir weniger Sorgen." Selina Grotian und Julia Kink stehen in den Startlöchern.

Rodeln: Bundestrainer verabschiedet sich, doch Olympia kann kommen

Die deutschen Rodlerinnen und Rodler sind trotz des Abschieds von Bundestrainer Norbert Loch gut aufgestellt. Patric Leitner übernimmt das Team, bei dem Max Langenhan im Einser bei den Männern heraussticht und bis Januar saisonübergreifend zehn Weltcup-Siege in Folge feierte.

Julia Taubitz als Gesamtweltcupsiegerin und Anna Berreiter als Zweite stechen bei den Frauen hervor. Im Doppelsitzer sind Tobias Wendl und Tobias Arlt weiterhin vorn dabei, Toni Eggert geht mit einem neuen Partner an den Start. Bei der EM hatten zwar die Österreicher die Nase vorn, doch Podestplätze waren den Deutschen zuletzt häufig sicher.

Bob: Unverändert "am Limit"

Die deutschen Bobfahrer waren auch in dieser Saison wieder in einer eigenen Liga unterwegs. Sie gewannen alle WM-Titel und besetzten fast alle Podiumsplätze. Francesco Friedrich gewann im Zweier- und im Viererbob und baute seine Serie als Rekordweltmeister aus. Mit Adam Ammour hat sich ein neues Talent im Weltcup etabliert. "Wir arbeiten in allen Bereichen am Limit", sagte Cheftrainer René Spies laut Bericht. Auch im Gesamtweltcup belegen Deutsche die ersten drei Plätze im Zweierbob (Friedrich, Lochner, Ammour), im Viererbob ist es der erste und dritte Platz (Friedrich, Lochner).

Bei den Frauen ist das Bild ähnlich: Laura Nolte ist die Überfliegerin im Zweierbob – erster Platz im Gesamtweltcup. Im Monobob wird sie Dritte, da ist Lisa Marie Buckwitz vorn. Buckwitz belegt im Zweierbob dafür den dritten Platz, Kim Kalicki den zweiten.

Fazit: Einzelne Sportler stechen hervor – Klimawandel und Weltverband verändern den Wintersport

Im Bobsport hält die deutsche Dauerdominanz an, auch im Rodeln sind Podestplätze mehr Erwartung als Überraschung. In den meisten anderen Sportarten fehlt die Konstanz für die Weltspitze, meist sind einzelne Athleten Medaillenanwärter. Im Ski Alpin sind die strukturellen Probleme des Wintersports schon sichtbar.

Zu wenige Talente kommen nach. Wolfgang Maier, der Sportdirektor für Ski Alpin, sagte jüngst der "SZ": "Es ist vor allem die Mittel- und Oberschicht, die sich den Sport noch leisten kann." Gleichzeitig sorgt der Klimawandel dafür, dass die deutschen Wintersportler kaum mehr in ihrer Heimat für ihren Sport trainieren können. Es fehlt an Breite und neuen Trainingsmöglichkeiten für alle – am besten bald. In zwei Jahren stehen Olympische Spiele an.

Dazu herrscht ein erbitterter Machtkampf des internationalen Ski-Verbands Fis mit den nationalen Verbänden. Fis-Präsident Johann Eliasch plant ein weltweites Hochglanz-Produkt, vergleichbar mit der Formel 1. Höhere Preisgelder, mehr Rennen, spektakulärere Bilder. Die großen Ski-Nationen denken sogar an eine Abspaltung von der Fis. DSV-Alpindirektor Maier geht auf Konfrontation, spricht Eliasch gar die Kompetenz ab. Seit Eliasch im Amt ist, gehe "der Sport in die verkehrte Richtung", sagte er im Deutschlandfunk. Die nationalen Verbände müssten jetzt zusammenarbeiten. Der Wintersport wird sich ändern, so oder so.

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.