Wer die Olympischen Spiele live verfolgen möchte, bekommt sie von ARD und ZDF in einer epischen Breite serviert. Das sorgt für tolle Bilder und viele Emotionen, aber auch für Kritik. Trotzdem machen die Öffentlich-Rechtlichen ihre Sache bislang überwiegend gut.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Andreas Reiners dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Szene wirkte zunächst völlig normal. Hockey-Bundestrainer Valentin Altenburg nahm im Kreis der Damen-Nationalmannschaft eine taktische Besprechung vor, als er plötzlich ausrastete. "Anne, halt jetzt die Fresse und komm her, das nervt mich, deine Körpersprache. Das ist genau das, was ich vor dem Spiel gesagt habe. Es ist schlecht von dir, jetzt reiß dich zusammen", wütete der 43-Jährige gegen seine Spielerin Anne Schröder. Beim Stand von 2:0, vor einem Millionen-Publikum, denn die Kameras hielten drauf.

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Wie das oft so ist, war der Disput nach dem Spiel schon wieder vergessen, Schröder musste "eigentlich drüber lachen. Für uns ist das nicht so untypisch". Und Altenburg wusste "gar nicht mehr so genau", worüber er sich so aufgeregt hatte. "Aber es ist live on air, deshalb werde ich es nicht abstreiten können. Anne und ich arbeiten schon sehr lange zusammen, es ist bedingungsloses Vertrauen. Die Mannschaft brauchte Emotionen und die haben wir gemeinsam geliefert." Was gut ist, denn um Gefühle, Empfindungen, Wut, Trauer und Jubel geht es bei den Olympischen Spielen in Paris ja vor allem.

Mammut-Programm in ARD und ZDF

Und als Zuschauer kommt man an den Spielen bei ARD und ZDF nicht vorbei, schließlich wird man fast rund um die Uhr mit Bildern aus Paris förmlich bombardiert. Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender übertragen an den 16 Olympia-Tagen im Wechsel rund 240 Stunden live im Free-TV und rund 1.500 Stunden in diversen Livestreams. Im gemeinsam genutzten Studio an der Seine mit Blick auf den Eiffelturm führen Esther Sedlaczek und Alexander Bommes für die ARD und Jochen Breyer und Katrin Müller-Hohenstein im ZDF durch die langen TV-Tage. Auch bei den zahlreichen Streams wird eng zusammengearbeitet.

Und wer eine breite Palette der sportlichen Vielfalt genießen möchte, wird von den beiden Sendern gut bedient. Da geht es von Handball über Kanu, Judo, Synchronschwimmen über Tischtennis bis hin zu Dressur und Fußball. Das olympische Motto "Dabeisein ist alles" gilt dabei auch für die Sportarten, denn ARD und ZDF wechseln im Hauptprogramm munter durch die Disziplinen, springen hin und her, um Entscheidungen und wichtige Momente einzufangen. Und um die Faszination Olympia, wo die Geher und Sportschützen genauso viel Aufmerksamkeit verdienen wie die Breaker oder Basketballer, rüberzubringen. Man merkt dann, wie wohltuend es sein kann, wenn einmal nicht das Milliardengeschäft Fußball im Mittelpunkt steht. Trotzdem natürlich mit einem nicht zu übersehenen, aber letztendlich nachvollziehbaren deutschen Fokus.

Tagesschau statt Kerber-Nervenkitzel

Das kann über den Tag zu diversen Längen führen, kann aber auch verwirren oder überfordern, weil kaum Zeit bleibt, die Bilder in ihrer Masse, Wucht und schnellen Folge einzuordnen oder mal sacken zu lassen. Das ist aber die automatische Begleiterscheinung, wenn man sich auf die Spiele voll und ganz einlassen möchte. Denn ein Stakkato an Events, Informationen und eben Emotionen sind der Kern der Spiele und die Logik des dichten Sportprogramms.

Es kann aber auch passieren, dass die ARD beim Viertelfinalspiel von Angelique Kerber im dritten Satz bei 5:5 plötzlich zur Tagesschau gibt. Oder dass die deutschen Handballer nicht im Fokus der Übertragung stehen, sondern nur streckenweise begleitet werden. Dafür stehen dann aber die Streams der einzelnen Events als Alternativen zur Verfügung.

Wichtig dabei: Die zahlreichen Kommentatoren und Experten transportieren im Idealfall nicht nur Emotionen, sondern auch den Spirit der Sportarten, liefern Hintergründe, Grundsätzliches oder auch Kurioses. Dann erfährt man, dass beim Gehen alle Disqualifikationsanträge wegen eines fehlenden Bodenkontakts gestellt wurden, und nicht wegen einer fehlenden Kniestreckung. Die sei aber eh kein großes Thema, denn der Benefit sei nicht groß, und technisch sei es auch kein Problem, sie einzuhalten. Gut zu wissen.

Geschäftsführer einer Insektenfarm

Interessant ist auch, dass der australische Beachvolleyballer Zachery Schubert Geschäftsführer einer Insektenfarm ist, wo Grillen für den menschlichen Proteinbedarf gezüchtet werden. Ganz zu schweigen von der 15 Jahre alten Judoka Nera Tiebwa, die 14.000 Kilometer von Kiribati aus angereist ist und nach fünf Sekunden ausschied. Was unterstreicht: Bei Olympia geht es nicht einfach nur um nackte Ergebnisse, um Siege und Medaillen, sondern um die Athleten und ihre Geschichten. Diese Anekdoten zu erzählen, ist eine essenzielle Aufgabe, die ARD und ZDF gut hinbekommen. Allerdings auch längst nicht immer.

Dass bei Olympia nicht alles nur schön, besonders und lustig ist, bewiesen mal wieder die Reiter, die vom Skandal um die dreimalige Dressur-Olympiasiegerin Charlotte Dujardin begleitet werden und inzwischen sogar Diskussion um eine Zukunft bei den Spielen moderieren müssen. Diese Thematik wurde analytisch aufgearbeitet, wobei Carsten Sostmeier die Probleme der Reiter bei seiner emotionalen Begleitung des Goldritts von Vielseitigkeits-Legende Michael Jung für einen Moment fast vergessen machte.

Auch gut: Experte Hajo Seppelt konnte den Zuschauern die Hintergründe der Doping-Vorwürfe gegen chinesische Schwimmerinnen ausführlich erklären, leider aber etwas versteckt am ganz späten Abend. Dafür empfangen ARD und ZDF grundsätzlich den Tag über immer wieder Gäste im Studio, mit denen dann inmitten der Jagd durch den Olympia-Tag ein wenig Analyse möglich ist.

Es gibt auch Kritik

Doch natürlich läuft längst nicht alles reibungslos, auch wenn die ganz großen TV-Skandale und -Pannen bislang ausgeblieben sind. ARD-Mann Tom Bartels bekam bei der Eröffnungsfeier schon zum Auftakt den für ihn fast schon traditionellen Shitstorm ab.

Und ja, weder Reporter Dominik Vischner noch vor allem die Bauchbinde im TV-Bild hätten Schwimmerin Isabel Gose so offensiv als "Ex-Freundin" von Lukas Märtens bezeichnen müssen, was für harsche Kritik sorgte. Doch dass Vischner im Gespräch zunächst nicht auf ihren deutschen Rekord über 400 m Freistil, sondern auf Märtens' Gold einging, lag auch daran, dass er kurz zuvor gemeinsam mit ihr die Siegerehrung verfolgt hatte. Das alles sorgte bei Gose für Emotionen, über die sie dann allerdings auch gerne sprach. Und die stehen bei Olympia nun mal im Mittelpunkt.

Verwendete Quellen

  • TV-Übertragungen ARD und ZDF
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