• Der NFL-Star Damar Hamlin schwebte nach einer Kollision auf dem Spielfeld in Lebensgefahr und lag im Koma.
  • Auch der deutsche Ex-NFL-Profi Sebastian Vollmer berichtet von vielen Verletzungen in seiner aktiven Zeit.
  • Wie gefährlich ist American Football also wirklich? Ein Verbandsarzt gibt Antworten.

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Der Unfall von Damar Hamlin schockte die gesamte Sport-Welt. Der Verteidiger des NFL-Teams Buffalo Bills brach am 2. Januar im Spiel gegen die Cincinnati Bengals nach einem Tackle zusammen und musste nach einem Herzstillstand wiederbelebt werden.

Etwa drei Tage lag der 24-Jährige im Koma und schwebte in Lebensgefahr. Mittlerweile soll er sich auf dem Wege der Besserung befinden und das Krankenhaus verlassen haben. Der Spielbetrieb geht währenddessen in die heiße Phase. Am Samstagabend beginnen die NFL-Playoffs.

Harte Tackles sind ein fester Bestandteil dieses Sports – und gefährlich. Dies ist auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt, seitdem Will Smith in dem Hollywood-Film "Erschütternde Wahrheit" den Neuropathologen Bennet Omalu spielte. Dieser hatte im Jahre 2005 auf Probleme nach Schädel-Hirn-Traumata im American Football aufmerksam gemacht.

Die große Gefahr im American Football: CTE

Während bei Hamlin der Brustkorb stark getroffen wurde, ist ansonsten eher der Kopf das Problem. Schwere Kollisionen können langfristig eine chronisch-traumatische Enzephalopathie, kurz CTE, auslösen. Im Jahre 2017 untersuchten Wissenschaftler in Boston 111 Gehirne ehemaliger NFL-Spieler. Das erschreckende Ergebnis: In 110 Fällen fanden die Forscher CTE. Wie gefährlich ist also dieser Sport, der sich auch in Deutschland einer steigenden Beliebtheit erfreut?

Der TV-Experte Patrick Esume sagte im Interview mit unserer Redaktion: "American Football ist natürlich ein Kollisionssport und birgt daher eine Verletzungsgefahr – das ist aber in fast jedem Sport so. Dafür gibt American Football jungen Menschen auch sehr viel mit. Dieser Sport vermittelt Disziplin, Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit."

Doch je höher das Niveau, desto stärker sind auch die Kollisionen.

Ex NFL-Profi Vollmer vergleicht Football mit Autounfällen

Der ehemalige deutsche NFL-Profi Sebastian Vollmer brachte im Interview mit unserer Redaktion einen treffenden Vergleich: "Wenn man in einer Partie 90 Spielzüge hatte, hatte man aufgrund der Kollisionen praktisch 90 kleine Autounfälle."

Besonders bei einem Offensive Line Spieler, wie Vollmer es früher gewesen ist, wird der gesamte Körper in Mitleidenschaft gezogen. "Man hat ständig Verletzungen, die irgendwann nicht mehr weggehen und teilweise ein Leben lang bleiben. Es gibt ständig gebrochene Finger, Sehnenrisse oder verstauchte Knöchel. Um am Spieltag irgendwie wieder fit zu sein, schläft man in Eismaschinen oder wird getaped. Man beißt sich irgendwie durch."

Erschwerend kommt hinzu, dass kaum Zeit vorhanden ist, um die Verletzungen auszukurieren. Vollmer weiß aus eigener Erfahrung, dass Spieler ihre Verletzungen oft verheimlichen und einfach weiterspielen: "Du hast immer die Angst, dass dein Ersatzmann plötzlich groß aufspielt, die Coaches in ihm noch mehr Potenzial sehen und künftig auf ihn setzen. Im schlimmsten Fall bist du deinen Job los - vor allem, wenn dein Ersatzmann günstiger ist."

Verbandsarzt verrät: Im Wettkampf steigt die Verletzungsgefahr

Ulrich Gründwald, der Verbandsarzt vom American Football und Cheerleading Verband Nordrhein-Westfalen e.V., betreut unter anderem die Junioren-Nationalmannschaft und kennt das Verletzungsrisiko in diesem Sport. "Die tragische Verletzung von Damar Hamlin war eine Verkettung unglücklicher Umstände und hat mich sehr betroffen gemacht", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dennoch müsse man das richtig einordnen. "Die häufigsten Verletzungen betreffen die Sprunggelenke, gefolgt von den Knie- und den Kopf und Halsverletzung", sagt er. "Vergleicht man die Verletzungszahlen pro 1.000 Spiel- oder 1.000 Trainingsstunden mit den in Deutschland populären Sportarten Fußball, Handball, Eishockey oder Basketball, finden sich nahezu identische Verletzungszahlen im Trainingsalltag", erklärt er.

Anders sei die Situation im Spielbetrieb: "Im Wettkampf sind die Verletzungszahlen im American Football im Vergleich zu den oben genannten Sportarten höher. Dennoch halte ich American Football, wenn die Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Athletik-Trainer, Physiotherapeuten und Mannschaftsärzte gut trainiert und ausgebildet sind, nicht für gefährlicher als andere Kollisionssportarten."

Die Forderung für mehr Sicherheit: Präventionsprogramme und Weiterentwicklung

Um den Sport sicherer zu machen, wünscht er sich dennoch eine bessere Aufklärung über das Verletzungsrisiko und mögliche Langzeitfolgen seiner Sportart, außerdem Fortbildungen für Spieler, Trainer und alle Beteiligten.

"Präventionsprogramme zum Schutz vor Verletzungen müssen konsequenter in den Trainingsalltag integriert werden", fordert er. Zudem dürfe es keinen Stillstand geben: "In regelmäßigen Abständen sollte eine Analyse der Verletzungsdaten erfolgen und zu Änderungen der Ausrüstungen, Regeln, Trainingsmethodik und Trainingssteuerung führen."

Möglicherweise ließe sich die Verletzungsgefahr dadurch reduzieren. Komplett ausschließen lassen sich schwere Verletzungen in einem Kollisionssport allerdings nie.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Ulrich Gründwald, Verbandsarzt vom American Football und Cheerleading Verband Nordrhein-Westfalen e.V.
  • sportschau.de: Kopfverletzungen - der NFL droht ein "böses Erwachen"
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