• Sportvereine greifen schon seit geraumer Zeit verstärkt auf hauseigene Medien zurück, um kritische Berichterstattung zu unterbinden.
  • Die spanische Fußballliga La Liga gab Rechteinhabern nun vor, über Spiele nur "positiv” zu berichten und sorgte damit für einen großen Aufschrei in Spanien.
  • Doch auch in anderen Sportarten wächst der Druck auf Medienschaffende.

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Das Verhältnis zwischen Sportvereinen und Medien galt in der Vergangenheit als gut, wenn auch nie konfliktfrei. Das liegt natürlich an den verschiedenen Interessen der jeweiligen Interessengruppen. Denn während die Presse eine unabhängige Berichterstattung garantieren möchte, liegt der Fokus der Vereine klar auf einer möglichst positiven Außendarstellung. Doch eben jenes Sauber-Image hat in den letzten Jahren massiv gebröckelt.

Bei der Rechteausschreibung der höchsten spanischen Fußballliga, der Primera División, kam es Ende September zu einem noch nie dagewesenen Eklat. Denn die Liga setzte bei ihrer Rechtevergabe positive Berichterstattung der TV-Sender voraus. Kritische Fragen an Spieler, Trainer oder Manager seien unerwünscht und könnten sogar zum Rauswurf der jeweiligen Journalist:innen führen. Prompt meldete sich die spanische Journalistenvereinigung FAPE zu Wort, La Liga versuche die unabhängige Presse "zu kontrollieren" und "verstoße gegen das Recht der Bürger auf ausgewogene Informationen".

Neu ist die Haltung der Primera División allerdings nicht, schon 2019 stellte Liga-Chef Javier Tebas bei El Partidazo de COPE klar: "Wenn Sie etwas fragen, was nicht in den Guidelines steht, werden wir Sie nicht mehr vor der Kamera sehen." Auf dem La Liga-Kanal und vor dem Mikrofon werde es keine unangebrachten Fragen geben, so Tebas weiter.

Auch in Europa ist die Pressefreiheit zunehmend bedroht

Experte Jordan Higgins vom "European Centre for Press and Media Freedom” sieht die immer stärker werdende Polarisierung im Sport als unaufhaltsam. Denn durch Fälle von "Sportswashing", wie die Übernahme von Newcastle United durch den Staatsfonds Saudi-Arabiens PIF, oder Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der WM in Katar steige automatisch der Bedarf an kritischer Berichterstattung.

"Als Thomas Tuchel über Abramowitschs Verbindung zu Wladimir Putin interviewt wurde, wies er die Fragen der Reporter zurück. Tuchel gab sich mit der Begründung ahnungslos, kein Politiker zu sein", so Higgins. Der Ex-Coach vom FC Chelsea sei damit das perfekte Beispiel für die zurückhaltende Haltung gegenüber Medien, erklärt der Referent für Presse und Politik weiter.

Doch genau darin sieht Medien-Experte Jordan Higgings das Kernproblem: Denn sowohl Spieler als auch Manager sind Repräsentanten der Vereine in der Öffentlichkeit. "Dass diese dann aktiv die Fragen der Presse abwehren oder sich nicht mit den Medienschaffenden auseinandersetzen wollen, ist inakzeptabel." Dazu passt der Wunsch von La Liga auf eine rosarote Übertragung der Spiele, ganz ohne "nervige" Fragen der Presse.

Der Graben zwischen Vereinen und Journalisten wächst

Die WM-Vergabe nach Katar, die Olympischen Spiele in Russland und China. Fragwürdige Investoren und Sponsoren bei diversen Profiklubs. Systemkritische Sportler und Sportlerinnen wie Peng Shuai, die auf einmal von der Bildfläche verschwinden. Die Sportwelt ist höchst politisch und die Entscheidungen der Stakeholder werfen Fragen auf. Darunter leidet auch die Beziehung zwischen Presse und Vereinen. “Die Barriere zwischen Journalisten und den Vereinen wird immer höher und schwerer zu überwinden”, beobachtet Pressereferent Jordan Higgins.

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Die Lösung aufseiten der Sportvereine: News werden nicht mehr auf neutralen Medienportalen ausgespielt, man veröffentlicht diese inzwischen auf den eigenen Kanälen, wie beispielsweise Twitter oder YouTube. Hier bekommt man keine kritischen Nachfragen, die Berichterstattung kann zu 100 Prozent gesteuert werden und das Image bleibt lupenrein. Für Fans und Konsumenten aber wird es immer schwieriger den Überblick zu behalten, zwischen Realität und Fiktion.

La Liga geht seit dieser Saison einen ähnlichen Weg und produziert für Movistar, einen der beiden Rechteinhaber, ein eigenes TV-Signal inklusive Kommentatoren, Field Reportern und einem eigenen Produktionsteam. Außerdem produziert die Liga die Highlights des Spieltags, die an andere Medienpartner distribuiert werden, mit dem Ergebnis der kompletten Kontrolle. Die Diskussionen um eine einseitige Berichterstattung wollen auch hier nicht abreißen. Vorerst heißt es deshalb weiter Medien gegen Liga.

Über den Experten: Jordan Higgins ist Referent für Presse und Politik, sowie Autor beim in Leipzig ansässigen European Centre for Presse and Media Freedom.

Verwendete Quellen:

  • bild.de: Spanische Fußball-Liga sorgt für Medien-Eklat!
  • europeanjournalists.org: Spain: La Liga’s new television model infringes public’s right to information
  • Jordan Higgins vom European Centre for Press and Media Freedom (jordan.higgins@ecpmf.eu)
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