• 2007 feierte Dominik Klein mit der deutschen Nationalmannschaft den Triumph bei der Weltmeisterschaft. Nun begleitet er die WM in Ägypten (13. bis 31. Januar) als TV-Experte der ARD.
  • Im Interview spricht Klein über die Chancen von Deutschland, über die Absagen der Top-Spieler und über die Favoriten.
  • Deutschland startet am Freitag um 18 Uhr gegen Uruguay in die WM.
Ein Interview

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Herr Klein, die deutsche Nationalmannschaft muss bei der Weltmeisterschaft unter anderem auf die Champions-League-Sieger Steffen Weinhold, Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek verzichten, die aufgrund der Corona-Situation abgesagt haben. Hätten Sie in Ihrer aktiven Zeit genauso entschieden?

Dominik Klein: Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich heute als zweifacher Papa genauso entschieden hätte. Die genannten Spieler haben ja ebenfalls Kinder. Der Hauptgrund für ihre Absagen waren, dass die Betreuung der Kinder momentan nicht gesichert ist – gerade wenn die Frauen ebenfalls arbeiten.

Ich kann diese Entscheidung sehr gut nachvollziehen. Als junger Spieler hingegen, der noch keine Kinder hat, wäre ich zur Weltmeisterschaft gefahren. Eine WM-Teilnahme ist für jeden Spieler das Sahne-Häubchen.

Top-Spieler verzichten auf WM-Teilnahme

Auffällig ist allerdings, dass fast nur die deutschen Top-Spieler auf die WM verzichten. Andere Nationen wie Kroatien oder Spanien reisen mit dem stärksten Kader an.

Auch ausländische Top-Spieler, wie zum Beispiel der Isländer Aron Palmarsson oder der Norweger Sander Sagosen, haben sich kritisch über das Turnier geäußert, als sogar über Zuschauer nachgedacht wurde. Trotzdem setzen die meisten Spieler großes Vertrauen in die Bubble.

Mögliche Zweifel am Sicherheitskonzept waren ja auch nicht der Hauptgrund dafür, dass einige deutsche Spieler die WM abgesagt haben. Der Grund ist deren familiäre Situation. Und die ist von Spieler zu Spieler verschieden.

Wie sehr wird die deutsche Nationalmannschaft durch die Absagen geschwächt?

Die größte Lücke besteht im Innenblock der Verteidigung, wo normalerweise Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek Weltkasse-Niveau verkörpern. Dann fehlt auch noch Finn Lemke von MT Melsungen, der für die Verteidigung ebenfalls extrem wichtig ist.

Die große Aufgabe von Bundestrainer Alfred Gislason liegt also darin, eine neue Abwehr zu formen. Dabei könnte er auch neue Formationen ausprobieren, wie man es bereits in den Vorbereitungsspielen gesehen hat. Ich sehe das positiv.

Inwiefern?

Aufgrund der Absagen sinkt die Erwartungshaltung. Die Nationalmannschaft kann also mit Einsatz, mit Willen und mit einer Unbekümmertheit positiv überraschen. Das kann eine Mannschaft beflügeln.

Auf welchen Positionen sind wir trotzdem gut besetzt? Welche Spieler können eine Schlüsselrolle einnehmen?

Wichtig ist, dass die Mannschaft das neue Spielsystem von Gislason verinnerlicht und unsere starken Kreisläufer in Szene setzt. Hier fehlen zwar Wiencek und Pekeler. Aber wir haben in Johannes Golla, Sebastian Firnhaber und Moritz Preuss noch immer viel Qualität auf dieser Position.

Im Rückraum braucht es die Durchschlagskraft von Julius Kühn. Auf den Außenpositionen sind wir mit Uwe Gensheimer, Tobias Reichmann, Marcel Schiller und Timo Kastening ohnehin Weltklasse besetzt.

Deutschland trifft auf Uruguay, Kap Verde und Ungarn

In der Vorrunde trifft Deutschland auf Uruguay, Kap Verde und schlussendlich auf Ungarn. Wie beurteilen Sie diese Aufgaben?

Uruguay und Kap Verde sind im Handball zwei eher unbekannte Nationen. Hier geht es für Deutschland darum, sich einzuspielen. Diese Spiele müssen auf jeden Fall gewonnen werden.

Ungarn wird die erste Standortbestimmung. Das ist eine stabile Mannschaft, die immer wieder junge und körperlich starke Spieler herausgebracht und eine gute Entwicklung genommen hat. In Mate Lekai haben sie einen Spielmacher, der das Spiel von Ungarn unglaublich gut steuern kann.

Erst nach dem Spiel gegen Ungarn können wir einschätzen, wie unsere Chancen auf eine Medaille stehen.

Wer sind die Top-Favoriten bei der Weltmeisterschaft?

Ich bin gespannt, wie Frankreich ohne ihren langjährigen Führungsspieler Nikola Karabatic zurechtkommt. Das könnte die Mannschaft beflügeln, indem alle Spieler ihre eigenen Qualitäten einbringen.

Bei der Europameisterschaft vor einem Jahr schieden sie überraschend in der Vorrunde aus. Sie werden dementsprechend motiviert sein. Frankreich gehört zu meinen Top-Favoriten.

Ich würde auch Norwegen dazuzählen, die immer wieder um die Medaillen spielen und in Sander Sagosen vom THW Kiel einen absoluten Top-Spieler haben. Ansonsten zählen auch Dänemark und Spanien zu den Favoriten.

Gibt es auch einen Geheimfavoriten, der für eine Überraschung sorgen könnte?

Die Gastgeber können immer für eine Überraschung sorgen. Das haben in der Vergangenheit Nationen wie Tunesien oder Katar bewiesen. Nun ist Ägypten der Gastgeber. Sie verfügen über einige gute Spieler wie zum Beispiel Yahia Omar vom ungarischen Top-Verein Veszprem. Ich traue Ägypten also ein erfolgreiches Turnier zu.

Über den Experten: Dominik Klein (Jahrgang 1983) zählt zu den erfolgreichsten deutschen Handballspielern aller Zeiten, wurde 2007 Weltmeister mit Deutschland, gewann zudem mit dem THW Kiel acht Mal die deutsche Meisterschaft und drei Mal die Champions League. Heute arbeitet er als Fernsehexperte bei der ARD.
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