• Das kanadische Nationalteam der Frauen veröffentlichte vor einer Woche ein Statement gegen den eigenen Verband, der mit einer Klage gegen einen möglichen Streik beim SheBelieves-Cup droht.
  • Unterdessen regnet es Solidaritätsbekundungen vom Nationalteam der Männer.
  • Was ist eigentlich im kanadischen Fußball los?

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Fangen wir mal damit an, zu sortieren, was in den letzten Tagen passiert ist. Denn das ist inzwischen eine ganze Menge. Die beiden kanadischen Nationalteams veröffentlichten vor rund einer Woche beide in kurzem Abstand hintereinander zwei Statements, angefangen mit dem des Teams der Frauen auf Twitter: "Die kanadische Frauenfußball-Nationalmannschaft ist empört und zutiefst besorgt über die Nachricht von den erheblichen Kürzungen bei den Nationalteams für 2023."

Staff muss nach Kürzungen beim 11-gegen-11 einspringen

Der Verband Canada Soccer (CSA) habe einen Großteil des Budgets für 2023 gekürzt, darunter auch die Mittel für Personal und Teilnehmerinnen der Trainingslager und die Nachwuchsarbeit. Die Anzahl der Spielerinnen im Camp wurde von 28 (vor den Olympischen Spielen) für den SheBelieves-Cup auf 20 reduziert. In einer später von den Spielerinnen organisierten Pressekonferenz sagte Janine Beckie dazu: "Es darf einfach nicht sein, dass Staff-Personal für ein 11-gegen-11-Trainingsspiel einspringen muss!"

Die Kürzungen betreffen auch die Nationalmannschaft der Männer, die genauso wie das Team der Frauen bereits seit längerer Zeit im Konflikt mit dem eigenen Verband ist. Auch hier ging es ein halbes Jahr vor der WM in Katar um Geld, aber auch zu dem Zeitpunkt schon um Rückendeckung für die bis dato sportlich viel erfolgreicheren Frauen. Das wiederholte sich vergangene Woche. Die Nationalmannschaft forderte unter anderem gleiche Bedingungen und gleiche Bezahlung für das Team der Frauen sowie eine transparente Offenlegung der Finanzen durch den Verband, der behauptet hat, es sei kein Geld vorhanden.

"Wir haben es wirklich satt und es ist etwas, worüber ich nicht einmal mehr enttäuscht bin, sondern nur noch wütend, weil wir 2023 haben. Wir haben die verdammten Olympischen Spiele gewonnen, und wir werden mit einem Team zur Weltmeisterschaft fahren, das sie gewinnen kann. Wir erwarten also, dass wir uns darauf bestmöglich vorbereiten können", sagte Janine Beckie.

Ursprünglich hatte das Team geplant, das Spiel gegen die USA beim SheBelieves-Cup als Streik ausfallen zu lassen, nahm diese Entscheidung aber am nächsten Tag zurück. Der Verband habe mit einer Klage und hohen Strafen gedroht, ein solcher Rechtsstreit sei für die Spielerinnen finanziell schlicht nicht möglich, erklärte Beckie.

Vertrag mit Canada Soccer Business

All dem zugrunde liegt ein Vertrag, abgeschlossen im Jahr 2019 zwischen dem Verband Canada Soccer (CSA) und dem privaten Unternehmen Canada Soccer Business (CSB), das von den Besitzern der Vereine der Canadian Premier League (CPL) kontrolliert wird. Das Unternehmen CSB ist laut diesem Vertrag dazu verpflichtet, jedes Jahr einen festen Betrag zwischen 3 und 3,5 Millionen kanadischen Dollar (CAD, rund 2,1 bzw. 2,4 Millionen Euro) an den Verband zu zahlen.

Dafür bekommt das Unternehmen CSB das Recht, die Übertragungs- und Sponsoringrechte für die Männer- und Frauen-Nationalteams zu verkaufen. Laut dem Journalisten Rick Westhead werden die Einkünfte aus den Sponsorenverträgen auf 15 bis 20 Millionen CAD pro Jahr geschätzt.

Allerdings: Alle Gewinne aus diesen Verkäufen bleiben beim Unternehmen. Sie kommen somit nicht dem Verband und schon gar nicht dessen Teams zugute. Und als wäre das nicht schon unausgewogen genug, gilt dieser Vertrag mindestens bis 2027 und kann von CSB durch eine einseitige Option sogar bis ins Jahr 2037 verlängert werden.

Der jährliche Betrag an den Verband würde sich dann auf 4 Millionen CAD erhöhen. Laut einem Artikel von TSN habe der Verband zwischenzeitlich die Möglichkeit gehabt, den Vertrag zu kündigen, davon aber keinen Gebrauch gemacht.

Sowohl Verband als auch CSB versuchten sich in den vergangenen Tagen durch Statements in ein positives Licht zu rücken. Man sei dazu bereit, die nötigen Ressourcen bereitzustellen, um Canada Soccer bei seiner Mission zu helfen, so die CSB. Außerdem habe es bisher keinerlei Ausschüttung an die Investoren gegeben.

Die CSA beteuerte das eigene Engagement und die guten Gespräche mit den Spieler*innen. In einem anderen Statement war von einer Nachzahlung in Höhe von 1,7 Millionen CAD an das Team der Frauen die Rede. Später musste eben jenes Statement abgeändert werden, weil die eigentlich vereinbarte Verschwiegenheit gebrochen worden war.

Solidarität aus den USA und öffentlicher Druck

Aus den USA kam dafür sehr viel Unterstützung, das USWNT kennt den Kampf gegen den eigenen Verband nur zu gut. Ausgetragen wurde der zwischen 2019 und 2022, mit erfolgreichem Ende für Megan Rapinoe und Co. Die US-Spielerinnen äußerten mehrfach ihre absolute Bereitschaft, den sportlichen Rivalinnen auf jede mögliche Art zu helfen, öffentlichen Druck zu erzeugen, denn dieser habe ihnen extrem geholfen.

In der (nach deutscher Zeit) Nacht von Donnerstag auf Freitag stand dann das Spiel gegen die USA beim SheBelieves-Cup an. Wenige Stunden vor dem Anpfiff wurden mehrere Dinge bekannt. Zum einen kündigten die Teams an, mit lilafarbenen Armbändern als Zeichen für Gender Equality aufzulaufen; mit weißen Armbändern mit der Aufschrift "Defend Trans Joy" für die Rechte von Transmenschen machte sich angesichts der gefährlichen politischen Lage zuletzt vor allem das US-Team stark.

Kanada lief außerdem mit Shirts mit der Aufschrift "Enough is enough" auf und vor dem Anpfiff bildeten beide Teams einen Kreis. Jede Menge starke Botschaften und Bilder der Solidarität also, um den Protest gegen den Verband zu unterstreichen.

Aber auch die Politik hat sich inzwischen eingeschaltet. Aus dem Heritage Committee des kanadischen Unterhauses wurde noch vor dem Spiel bekannt, dass Verbandspräsident Nick Bontis und Generalsekretär Earl Cochrane offiziell dazu eingeladen werden, im März vor dem Komitee über die im Raum stehende Ungleichbehandlung des Nationalteams der Frauen auszusagen. Sollten sie der Einladung nicht freiwillig folgen, werden sie vorgeladen.

Das Spiel verlor Kanada mit 0:2, außerhalb der 90 Minuten gewann das Nationalteam aber sehr viel Unterstützung für einen Kampf, der im Jahr 2023 in der Tat unfassbar erscheint und Christine Sinclair und Team womöglich noch sehr viel Kraft kosten wird: "Wir sind einfach erschöpft. Die ersten zehn Minuten waren hart. Ich denke, man kann auch nur begrenzt viel schaffen. Aber ich bin stolz auf den Kampf, ich meine, es war kein mangelnder Einsatz da draußen heute Abend. Wir werden den Kampf fortsetzen und weitermachen."

Verwendete Quellen:

  • Twitter-Profil (Stand: 17. Februar 2023) von CanadianSoccerPlayers
  • Twitter-Profil (Stand: 17. Februar 2023) von Rick Westhead
  • canadasoccer.com: Canada Soccer Statement - Canada Soccer
  • canadasoccer.com: Canada Soccer Statement - Canada Soccer has a proven track record of supporting women’s soccer.
  • sportsnet.ca: Canadian Heritage Committee invites Canada Soccer CEO to testify in March
  • tsn.ca: Canada Soccer told to stop selling Davies jerseys amid federation’s fight with players
  • tsn.ca: Foundation registered to raise money for Canada Soccer sits idle
  • tsn.ca: Canada Soccer threatens to sue players over job action: sources
  • cbc.ca: Canadian women soccer players defiant in wake of shameful treatment by Canada Soccer
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