Lange Zeit galt der FC Barcelona als der weiße Ritter im Millionen-Business Fußball. Spendenaktionen, kein Trikotsponsor, die heilige Barca-Schule La Masia: Im Gegensatz zum spanischen Erzfeind Real Madrid hielt sich der Klub mit aberwitzigen Transfers zurück und setzte auf die eigene Jugend. Das hat sich geändert.

Eine Analyse

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Hach, was waren das noch für Zeiten im Camp Nou. Da war der Magier Ronaldinho, der selbst von den gegnerischen Fans mit Standing Ovations gefeiert wurde. Da war auch die Schaltzentrale Xavi und Andrés Iniesta. Und da war natürlich Lionel Messi, der Wunderknabe.

Gemeinsam waren sie die Verkörperung des Tiki-Taka, die Verkörperung der Kehrseite zum kaufwütigen Real Madrid und unbezwingbar. Zumindest eine Zeit lang.

Knapp elf Jahre ist das nun her, und beim FC Barcelona hat sich seither viel getan. Nicht zum Guten, nein, zum Schlechten hin.

Statt der Eigengewächse aus La Masia lotst man lieber die Superstars anderer Klubs nach Katalonien. Oftmals mit fragwürdigen Mitteln. Auch, dass Barca zunächst gar keinen Sponsor und später das Kinderhilfswerk "Unicef" auf der Brust trug, ist längst zum Mythos verkommen.

"Unicef" rutschte auf dem Trikot irgendwann nach unten und wurde erst durch "Qatar Airways“, dann durch "Rakuten" ersetzt. Kurz gesagt: Das Barca-Motto "Més que un Club" (Mehr als nur ein Klub) hat seine Berechtigung verloren.

FC Barcelona durchbricht die Milliardenmarke

Jordi Alba, Gerard Piqué, Sergi Roberto, Messi, die Liste der Eigengewächse bei Barca, ist lang - und veraltet. Denn Roberto ist der letzte Absolvent von La Masia, der in der ersten Mannschaft eine ernsthafte Rolle spielt. Das war 2013.

Und genau in diesem Jahr begann sich die Personalpolitik des Klubs zu verändern. Der Brasilianer Neymar wechselte für rund 88 Millionen Euro zu den Katalanen, ein Jahr später folgte Luís Suárez für 82 Millionen Euro Ablöse.

Allein in den vergangenen fünf Jahren hat der FCB über eine Milliarde Euro in Neuzugänge investiert. Und La Masia? Spielt schon lange keine Rolle mehr. Schafft es doch mal ein Talent wie Carles Alená in die erste Mannschaft, reicht es maximal für ein paar Kurzeinsätze.

Watzke echauffiert sich: "Der ruhmreiche FC Barcelona"

Neymar und Suárez waren nur der Anfang des Wandels. Im Sommer 2017 begann Barca, Spieler mit fragwürdigen Verhandlungstaktiken von eigentlich nicht verkaufsbereiten Klubs loszueisen. Das bekamen zunächst vor allem Borussia Dortmund und der FC Liverpool in der Saison 2017/18 zu spüren.

Ousmane Dembélé streikte sich zu den Katalanen, Philippe Coutinho sogar ein knappes halbes Jahr lang, ehe die "Reds" ihren Widerstand brachen. Der FC Barcelona billigte dieses Vorgehen, forcierte es möglicherweise sogar.

So polterte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke im Sommer 2017 bei "Sky": "Ous tanzt uns ja nicht auf der Nase herum, er hat einfach seine Arbeit verweigert. Das ist eine neue Qualität. Da muss man sich auch mal über die Rolle des ruhmreichen FC Barcelona unterhalten." Und er hatte recht!

Nur ein Jahr später erhielt die unschöne Saga eine Fortsetzung. Malcom, Shootingstar bei Girondins Bordeaux, stand vor einem Wechsel zum AS Rom und war sogar schon auf dem Weg zum Flieger in die italienische Hauptstadt.

Doch Barca funkte in letzter Sekunde dazwischen - kein Gesetzesverstoß, aber eben nicht die feine englische Art.

Neymar und Griezmann sind die Spitze

Auch im Jahr 2019 könnte die Kluft zwischen dem eigenen Selbstverständnis und der Realität kaum größer sein. Dass sich nämlich ausgerechnet Neymar und Antoine Griezmann nach Barcelona streiken wollen, bzw. im Fall des französischen Weltmeisters bereits getan haben, ist die Spitze der Transfer-Posse.

Neymar, bei seinem 222-Millionen-Euro-Wechsel zu Paris Saint-Germain von Barca-Präsident Josep Maria Baromeu noch verteufelt, soll sich nun wieder zurück streiken. Kurios dabei: Nach dem Wechsel leitete Barcelona ein Gerichtsverfahren gegen Neymar ein, bei der es um eine Bonuszahlung von 30 Millionen Euro ging. Dieses Gerichtsverfahren läuft aktuell noch immer. Na dann.

Und Griezmann? Der schloss sich nun dem spanischen Meister für satte 120 Millionen Euro an. Ein Jahr zuvor hatte er sich noch gegen Barca entschieden und seinen Vertrag bei Atlético Madrid verlängert, was er in einer eigens produzierten Dokumentation groß zelebrierte.

Die betroffenen Stars streiken und verhalten sich wie pubertierende Jugendliche. Die Konstante hinter all dem ist der FC Barcelona.

FC Barcelona: Ajax-Schmiede statt Eigenproduktion

Auch in der Causa Frenkie de Jong. Das Mittelfeld-Metronom aus der Talentschmiede von Ajax Amsterdam hat sich den Katalanen ebenfalls angeschlossen - für 75 Millionen Euro.

Ein Spielertyp, der eigentlich all das verkörpert, wofür die eigene Talentschmiede La Masia jahrelang stand: Spielwitz, Technik, enormes Talent. Doch Barca schleift nicht mehr selbst die Rohdiamanten. Sie werden gekauft, sobald sie schon geschliffen sind.

Die Zeiten des ruhmreichen FC Barcelona, der ohne Trikotsponsor auf der Brust auskommt und mit hauseigenen Talenten die Fußballwelt erobert, sind vorbei.

Vielleicht, sehr wahrscheinlich sogar, wird Barca seinem Supersturm um Messi, Suárez, Griezmann und Dembélé auch noch Neymar hinzufügen. Und sehr wahrscheinlich wird dieser Supersturm fußballerisch für Furore sorgen. Gut finden muss man das allerdings nicht.

Verwendete Quellen:

  • www.spox.com: "Kommentar zu Griezmann, Neymar und dem FC Barcelona: Gift für den Fußball"
  • www.eurosport.de: "Immer wieder Streik: Die ekelige Taktik hinter Barcelonas Top-Transfers"
  • www.11freunde.de: "Less que un club"
  • www.transfermarkt.de: "FC Barcelona"
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