Jürgen Klopp wählt für seinen ersten öffentlichen Auftritt seit der Bekanntgabe seines Red-Bull-Engagements den Podcast der Kroos-Brüder. Was auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, dürfte reines Kalkül und eine schlaue Entscheidung des 57-Jährigen gewesen sein.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Stefan Rommel dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Rund zwei Wochen ist es nun her, dass der deutsche Fußball ein wenig erschüttert wurde von Jürgen Klopps Ankündigung, schon bald für Red Bull zu arbeiten. Die Debatten um Klopps Engagement als zukünftiger "Head of Global Soccer" wurden erwartbar hitzig geführt in den Medien, an den Stimmtischen und in den Stadien der Republik.

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Es wurde viel und genug dazu gesagt, nur eben nicht von jedem. Von Jürgen Klopp etwa war bis dato - abgesehen von ein paar dürren PR-Statements - nichts zu hören oder zu lesen. Umso bemerkenswerter darf sein Auftritt im Podcast "Einfach mal luppen" der Kroos-Brüder Felix und Toni wohl eingestuft werden.

Schon länger sind die beiden ehemaligen Spieler mit dem ehemaligen Trainer Klopp in Kontakt gewesen, dass der nun als Gast nur wenige Tage nach dem Beben in der Sendung auftaucht, darf man durchaus als kleinen Coup für Felix und Toni Kroos und ihr Format werten.

Wobei: So ganz überraschend kam das alles dann auch nicht. Seit mehr als vier Jahren laden die Kroos-Brüder Größen des Sports als Gesprächspartner in ihren Podcast ein: Dirk Nowitzki war schon da, NHL-Superstar Leon Draisaitl, Bundestrainer Julian Nagelsmann. Und jetzt eben Klopp, dessen pure Anwesenheit einmal mehr unterstreicht, wie gut sich "Einfach mal luppen" als Format entwickelt hat und dass insbesondere wohl Toni Kroos so ziemlich jeden Protagonisten aus dem Fußballbereich als Gast bekommen könnte.

Klopps negative Erfahrung mit einem anderen "Projekt"

Dem besonderen Gast widmen Felix und Toni Kroos dann auch etwas Überlänge: Insgesamt fast anderthalb Stunden dauert das Gespräch mit Klopp, der sich gut erholt und bestens gelaunt zeigt und die zu erwartenden Nachfragen nach seinem baldigen Arbeitsantritt bei Red Bull gewohnt gelassen beantwortet.

Gleich zu Beginn der Sendung läutet Toni Kroos auf den eher unangenehmeren Part, um "die Kuh direkt vom Eis zu ziehen", wie er selbst sagt. Also: Warum hat Klopp, er erklärte Fußball-Romantiker, denn nun den Job bei Red Bull angenommen - entgegen aller Vorbehalte und auch Kritik am grundsätzlichen System des Brauseherstellers?

"Mir war klar, dass das in Deuschland anders wahrgenommen werden wird, weil sich der deutsche Fußball auch unterscheidet von anderen Ligen. Ich habe Red Bull aber nie so kritisch begleitet. Ich dachte: Wie sollte denn im Osten Fußball sonst auf hohem Niveau so richtig entstehen?", versuchte sich Klopp in einer eher gewagten Gegenfrage.

Er könne das Gefühl der Ungleichheit der Mittel "absolut nachvollziehen", weil Klopp als Mainzer Trainer einst auch an einem bestens alimentierten Projekt mit dem Namen 1899 Hoffenheim am Aufstieg in die erste Liga gescheitert war und das als "nicht fair" empfunden hatte. "Aber heute habe ich das gar nicht mehr. Nicht, weil es mir egal wäre. Sondern weil alles so ein bisschen seine Zeit hat."

Klopp: "Für mich ist das überragend!"

Klopp genießt erst seit diesem Sommer und nach neun Jahren intensivster Arbeit beim FC Liverpool eine Auszeit auf Mallorca, nichts habe auf eine baldige Rückkehr in den Fußballbetrieb hingedeutet. Bis dann eben Red Bull "aufs Tableau kam", wie er sagt. "Für mich ist es überragend! Ich kann nicht wahnsinnig viel, aber von Fußball verstehe ich ein bisschen was. Und darum geht’s in dem Zusammenhang." Klopp verstehe sich dabei bald als Partner, unter anderem der Trainer im Red-Bull-Kosmos, als "Berater und Advisor".

Aber eben auch immer noch als Romantiker. "Ich wusste, dass es richtig auf die Mütze gibt dafür. Ich bin ein Fußball-Romantiker, ich mag, was in der Vergangenheit passiert ist und kenne Legenden, die mich und mein Leben beeinflusst haben. […] Aber es gibt auch eine Zukunft und die kann nicht daran hängen, dass wir alles so machen, wie wir das die letzten 20, 30 Jahre gemacht haben. Man möchte maximal erfolgreich sein, aber in einer Struktur von vor 20 Jahren. Das ist halt schwierig."

Geld sei nicht das Thema, "bei jedem anderen Verein hätte ich definitiv mehr Geld bekommen", so Klopp. Und dass besonders in Mainz zuletzt von der aktiven Fanszene deutlich Kritik zu vernehmen war, hat der 57-Jährige zwar registriert, aber eben auch kalkuliert. "Ich wollte niemandem auf die Füße treten, ganz bestimmt nicht. Und ich persönlich liebe alle meine Ex-Vereine…"

An der Oberfläche

Zwischen Klopp und Felix und Toni Kroos entwickelt sich ein launiges Gespräch, der Part um das Red-Bull-Engagement nimmt am Ende rund eine Viertelstunde ein.

Dann widmen sich die Drei anderen Themen, die auch wenig überraschend sind: Die großen Duelle zwischen Liverpool und Real Madrid - inklusiver einer gar nicht so versteckten Klopp-Kritik an Sergio Ramos -, Erinnerungen an Mainz und Klopps Zeit als Spieler. An Titel, Triumphe, magische Nächte, "super emotionale Tage", große Niederlagen und verpasste Chancen: das Grundgerüst eines jeden Klopp-Interviews eben.

Viel Neues ist da - wie auch beim Red-Bull-Komplex - nicht dabei. Was in gewisser Weise schade ist, hat sich "Einfach mal luppen" in den letzten Jahren auch als Format etabliert, das recht leicht mit seinen Inhalten und den Aussagen besonders seiner Gäste Einzug in die News-Maschine halten kann.

Natürlich werden Klopps Aussagen zu Red Bull nun auch zitiert und bestimmen die Tage bis zum Wochenende. Richtig tiefgründig wird das Gespräch aber nie. Es bleibt eine Aneinanderreihung lustiger oder emotionaler Anekdoten in einem locker-leichten Umfeld und zwischen drei Gesprächspartnern, die total auf Augenhöhe kommunizieren.

Wohl auch, weil Toni Kroos ebenfalls nicht besonders streng mit Red Bull und dessen Einfluss auf den aktuellen Fußball – besonders in Deutschland – ist und bei dem Thema allenfalls ein bisschen an der Oberfläche kratzt.

Schlaue Entscheidung von Klopp

Felix und Toni Kroos haken durchaus auch mal schnippisch nach, aber eben nicht auf einer journalistischen Basis. Das ist auch nicht ihre Aufgabe - aus Sicht der (deutschen) Fußball-Fans fühlt es sich trotzdem wie eine vergebene Chance an. Obwohl: Vermutlich hätte Klopp auch im Gespräch mit einer deutlich kritischeren Redaktion ähnlich glatt geantwortet.

Aus dessen Sicht ist der Plan jedenfalls voll aufgegangen, den ersten öffentlichen Auftritt in einem vergleichsweise soften Umfeld zu geben. Eine schlaue Entscheidung von Klopp und dessen Management. Mal wieder. So hat sich der heftig Umworbene nun ausführlich geäußert, ohne dabei zu hart attackiert zu werden. Eine Art Zwischenstufe eingebaut, bevor er in ein paar Tagen oder Wochen oder auch erst in ein paar Monaten ein "richtiges" Interview geben wird.

Und für die Kroos-Brüder und ihren Podcast dürfte der Klopp-Auftritt und das mediale Echo auch den gewünschten Erfolg haben. Und vielleicht auch auf Wiedervorlage kommen. Nämlich dann, wenn einer von beiden irgendwann Bundestrainer wird: Jürgen Klopp oder Toni Kroos.

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