Tiki-Taka-Fußball war gestern. Die spanische Nationalmannschaft hat beim klaren Sieg gegen Kroatien bewiesen, dass sie auch auf andere Art Fußballspiele gewinnen kann. Ein Grund dafür ist ein 16-Jähriger, der laut Vertrag bereits eine Milliarde Euro wert ist.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Er ist Schüler einer 10. Klasse, trägt eine Zahnspange und gilt als Hoffnungsträger einer ganzen Fußball-Nation. Der Spanier Lamine Yamal wurde beim 3:0 gegen Kroatien zum jüngsten EM-Teilnehmer aller Zeiten. Trotz seiner 16 Jahre und 338 Tage zählte der Flügelspieler zu den auffälligsten Akteuren auf dem Platz. Erst leitete er den Angriff zum 2:0 ein, dann bereitete er mit einer Traum-Flanke das 3:0 vor.

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"Yamal beeindruckt jeden", sagt der Nationaltrainer Luis de la Fuente. Bereits im September 2023, als Yamal 16 Jahre und 57 Tage alt gewesen ist, ermöglichte er ihm das Länderspieldebüt. Das Besondere: Er ist kein junger Spieler, der gelegentlich ein paar Minuten Einsatzzeit bekommt. Yamal ist bereits jetzt ein absoluter Schlüsselspieler.

Hausaufgaben während der Europameisterschaft

Da gerät es fast in Vergessenheit, dass er noch ein Jugendlicher ist, der täglich seine Hausaufgaben erledigen muss – sogar während der Europameisterschaft. Gegenüber der "AS" verriet er: "Ich bin aktuell in der 10. Klasse. Meine Hausaufgaben habe ich bei der EM immer dabei. Ich muss sie online erledigen und meinem Lehrer schicken. Ich hoffe, dass ich bei den Prüfungen nicht durchfalle."

Der Spanier Lamine Yamal wurde beim 3:0 gegen Kroatien zum jüngsten EM-Teilnehmer aller Zeiten. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS/Manu Fernandez

Solche Versagensängste scheint er im Fußball nicht zu haben. Neun Länderspiele hat er bislang absolviert, sechsmal davon stand er in der Startelf. Seine Ausbeute: Zwei Tore, sieben Vorlagen. Auch beim FC Barcelona ist er als Stammspieler meist gesetzt. In seinen Vertrag wurde eine festgeschriebene Ablösesumme von einer Milliarde Euro verankert. Das heißt: Er ist praktisch unverkäuflich.

Nationaltrainer de la Fuente spürt, was für ein Hype um den Shooting-Star bei der EM ausbrechen könnte. Diesem versucht er entgegenzuwirken, indem er sagt: "Auch er muss sich weiter verbessern, jeden Tag. Mit der Zeit wird aus ihm ein wunderbarer Fußballer. Aber das war jetzt heute ein Spiel. Wir müssen nicht so viel über einen jungen Spieler sprechen."

Spanien ist vielseitiger geworden

Es ist allerdings schwierig, über den Spielstil der spanischen Nationalmannschaft zu sprechen, ohne den Namen des 16-Jährigen zu erwähnen. Stand die frühere spanische Nationalmannschaft, die die Europameisterschaften 2008 und 2012 sowie die Weltmeisterschaft 2010 gewann, für den Tiki-Taka-Stil bzw. Ballbesitzfußball, sind sie nun schwerer auszurechnen – auch wegen Yamal.

"Wir sind sehr vielseitig und haben verschiedene taktische Optionen, weil wir Spieler mit verschiedenen Qualitäten haben", erklärt der spanische Nationaltrainer. "Gerade schnelle Spieler wie Yamal oder Ferran Torres geben uns viele Optionen. Diese Mannschaft kann auf Ballbesitz spielen, wir können aber auch Konter spielen. Da sind wir sehr glücklich drüber."

Weniger Ballbesitz, mehr Zielstrebigkeit

Hatte Spanien früher meist viel mehr Ballbesitz als der Gegner, waren es gegen Kroatien lediglich 47 Prozent. In der ersten Halbzeit, in der die Tore durch Alvaro Morata, Fabian Ruiz und Daniel Carvajal fielen, sind es sogar nur 43 Prozent gewesen. Das liegt aber auch daran, dass sie nicht ewig lang im Mittelfeld den Ball hin- und herschieben, sondern schneller den Abschluss suchen.

Ist der geringe Ballbesitzanteil also gewollt? "Wir haben gerne den Ball, aber das ist schwer gegen gute Mannschaften", erklärt der Torschütze Fabian Ruiz. "Wir mussten den Ball immer wieder zurückerobern. Wir haben versucht, hoch zu pressen und etwas aus dem Ballbesitz zu machen. Entscheidend ist nicht der Ballbesitz, es sind die Tore."

Auf Nachfrage unserer Redaktion, ob Spanien nun ein Titelkandidat sei, antwortet der Mittelfeldspieler zurückhaltend: "Es war sehr wichtig, mit einem Sieg loszulegen. Wir wussten, dass unser Erfolg aus der mannschaftlichen Geschlossenheit kommt. Das haben wir unter unserem Trainer immer wieder gezeigt. Ich weiß nicht, ob wir jetzt der Favorit sind. Aber wir werden auf jeden Fall bis zum Ende kämpfen, um ins Finale zu kommen."

Spanische Nationalmannschaft ist "wie eine große Familie"

Eine Stärke der Mannschaft steckt in der Tiefe des Kaders. "Wir haben auf jeder Position ein hohes Niveau an Qualität, haben zwei oder drei Spieler pro Position. So haben wir die Mannschaft zusammengestellt", sagt der Nationaltrainer. Dass ein Dani Olmo von RB Leipzig erst in der 60. Minute eingewechselt wird, unterstreicht diese Aussage.

"Wir haben eine Gruppe, die einen großen Willen hat, hart zu arbeiten und sich immer weiter zu verbessern. Wir sind wie eine große Familie und sehr froh darüber", führt der Trainer fort. Doch er mahnt auch: "Wir müssen mit den Füßen auf dem Boden bleiben. Natürlich gibt uns dieser Sieg einen Push und auch etwas Ruhe. Aber wir haben ein schweres Spiel gegen Italien vor uns. Wir müssen unseren Weg weitergehen und ruhig bleiben. Unser Ziel ist noch immer sehr weit weg."

Damit gemeint sein dürfte der EM-Titel.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenz nach dem Spiel Spanien – Kroatien
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