Es sind nur noch wenige Wochen, bis die EM in Deutschland startet. Doch kein internationales Turnier ohne Regeländerungen, oder? In diesem Fall ist es ein Experiment, das vielleicht am Anfang zu mehr gelben Karten, am Ende aber zu mehr gegenseitigem Respekt führen wird: Nur die Kapitäne dürfen mit den Schiedsrichtern reden.
Es ist eines der Experimente, die die Regelhüter des International Football Association Board (Ifab) derzeit durchführen lässt, um zu sehen, ob sie in der Praxis funktionieren. Roberto Rosetti, der Vorsitzende der Uefa-Schiedsrichterkommission, hat angekündigt, dass bei der EM in Deutschland nur noch die Kapitäne mit dem Schiedsrichter sprechen sollen. Ausnahme: Ist der Torhüter der Kapitän, wird ein Feldspieler als Vertreter bestimmt.
Die Idee dahinter liegt auf der Hand: keine Spielertraube um den Schiedsrichter und Versachlichung der Emotionen im Spiel. Es ist das Verhalten einiger weniger Spieler, die den Schiedsrichter nur wenig respektieren (oft gepaart mit mangelnder Regelkenntnis) und die angemessenen Umgangsformen vermissen lassen. Sie haben das Ifab dazu veranlasst, verschiedene Experimente durchzuführen, um Schiedsrichter*innen vor Aggressionen zu schützen.
Kapitäne als Sprachrohr wurden schon in Premier League getestet
Die Uefa hat beschlossen, das Experiment, dass nur eine Person pro Team (in der Regel der Kapitän) mit dem Schiedsrichter sprechen darf, in die Wettbewerbsregeln aufzunehmen.
Es ist nicht das erste Mal, dass dieses Experiment einem Praxistest unterzogen wird. Es wurde zum Beispiel in der gerade abgelaufenen Saison der englischen Premier League durchgeführt. Und hat dort Wirkung gezeigt.
Nach einer Flut von gelben Karten an den ersten Spieltagen nach der Einführung hat sich die Anzahl der gelben Karten wieder verringert und die Regel insgesamt zu einer Beruhigung beigetragen.
Notwendige Regelung
Es ist eine Regelung, die so gar nicht zum Fußball passt und auch nicht zum kommunikativen, erklärenden und weniger autoritären Auftreten der Schiedsrichter*innen, das sich in den letzten Jahren immer mehr verbreitet hat.
Nun steht auf der einen Seite das Fußballspiel, das in seinem Ursprung durch und durch demokratisch ist, und auf der anderen Seite eine autoritäre Regelung (im Praxistest), die an überholte Umgangsformen in Schulen von vor Jahrzehnten erinnert.
Und doch ist es leider notwendig, dass die Uefa sich entschlossen hat, ein Zeichen für mehr Respekt zu setzen, denn die EM-Spiele werden von sehr vielen Menschen verfolgt und haben eine Vorbildfunktion. Eine Vorbildfunktion auch für den Amateurfußball, wo es in den vergangenen Jahren häufiger zu Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter*innen kam.
Emotionen rechtfertigen keine Aggressionen
Der Anteil dieser aggressiven und tätlichen Übergriffe ist in letzter Zeit etwas zurückgegangen, ist aber immer noch erschreckend hoch. Meist handelt es sich um Wiederholungstäter, die offensichtlich keine Einsicht haben und meinen, alles mit "Emotionen" rechtfertigen zu können. Natürlich gehören Emotionen zum Fußball, aber noch viel mehr gehört Fairness zum Fußball.
Es ist allzu schade, dass das Verhalten eines kleinen Teils der Fußballspieler eine solch autoritäre Regelung notwendig macht. Bleibt nur zu hoffen, dass sie vielleicht doch bei dem einen oder anderen zur Einsicht beiträgt, und er lernt, wo die Grenze zwischen Emotion und Aggression liegt.
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