Die Bundesliga-Schiedsrichter haben ausnahmsweise einen ruhigen Spieltag hinter sich, doch in der zweiten Liga in Braunschweig und einer fünften Liga in Stuttgart sorgen ungewöhnliche Szenen für Furore. Dabei geht es um Fair Play, Missverständnisse und die Grenzen des Regelwerks.
Am vergangenen Wochenende gab es in der Fußball-Bundesliga nur wenige Spielszenen und Schiedsrichter-Entscheidungen, die für Gesprächsstoff sorgten. Das kommt selten genug vor.
Zwar beschwerte sich Horst Heldt, der Manager des 1. FC Köln, über den Elfmeter für Eintracht Frankfurt, der erst auf einen Hinweis des Video-Assistenten gegeben wurde.
Heldt war der Meinung, es sei "keine krasse Fehlentscheidung" gewesen, dass Schiedsrichter Sven Jablonski nach dem Zweikampf zwischen Sebastian Bornauw und dem Frankfurter Daichi Kamada im Kölner Strafraum weiterspielen ließ.
Weil Bornauw allerdings nicht den Ball spielte, dafür jedoch Kamada mit dem Knie traf, gab es nachvollziehbare Gründe für den Eingriff des VAR und damit auch für die nachträgliche Elfmeterentscheidung.
Tolissos Feldverweis war unstrittig
Ansonsten taten sich nur wenige Debatten auf, selbst der Feldverweis für den Münchner
Gleiches gilt für die Annullierung der Roten Karte, die der Leverkusener Edmond Tapsoba in der Begegnung beim 1. FSV Mainz 05 ursprünglich für das gleiche Vergehen gesehen hatte.
Der VAR bemerkte dann jedoch, dass der eindeutigen Torchance für die Mainzer ein Abseits vorausgegangen war. Der Unparteiische nahm die Hinausstellung deshalb umgehend zurück.
Rote Karte – wegen eines Missverständnisses
Unterhalb der Bundesliga führten dafür gleich zwei Szenen zu reichlich Aufsehen, die etwas mit Fair Play, menschlichen Missverständnissen und regeltechnischen Schranken zu tun haben.
Die eine davon ereignete sich im Zweitligaspiel zwischen Eintracht Braunschweig und dem VfL Bochum (2:1). Weil ein Spieler verletzt am Boden lag, schossen die Niedersachsen den Ball in der 60. Minute ins Seitenaus, um eine Behandlung zu ermöglichen, falls nötig.
Die Bochumer warfen den Ball anschließend, wie es üblich ist, zurück zum Gegner. Es folgte ein weiter Rückpass von Nico Klaß zu seinem Torhüter Felix Dornebusch, um neu aufzubauen und die Gäste nach deren Fair-Play-Geste nicht sofort mit einem Angriff zu überfallen.
Doch Silvere Ganvoula, der Bochumer Stürmer, war anscheinend der Ansicht, dass der Fairness mit dem Einwurf zu den Braunschweigern hinreichend entsprochen wurde: Er lief in den Rückpass, erreichte den Ball und wollte ihn an Keeper Dornebusch vorbeilegen, der weit aus seinem Gehäuse geeilt war.
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Bochum wollte den Schiedsrichter zugunsten des Gegners umstimmen
Vor dem Strafraum warf sich der Tormann dem Ball entgegen – und bekam ihn dabei an den Arm. Schiedsrichter Christof Günsch bewertete das zu Recht als strafbares Handspiel und stellte dem Braunschweiger Schlussmann wegen der regelwidrigen Vereitelung einer offensichtlichen Torchance vom Platz. Auch das war regelkonform.
Die Braunschweiger reklamierten trotzdem vehement – wenngleich nicht so sehr beim Referee als vielmehr bei Ganvoula, weil dieser den Pass zum Torwart nicht mehr als Teil der Fair-Play-Aktion betrachtet hatte.
Die übrigen Bochumer waren sich dagegen einig, dass ihr Mitspieler es nicht zu dieser Szene hätte kommen lassen sollen. Deshalb gingen sie auf den Unparteiischen zu, um ihn zu überzeugen, die Rote Karte zu revidieren. Eine beachtliche Reaktion.
"Wir wollten faire Sportsmänner sein", sagte der Bochumer Trainer Thomas Reis zur Fachzeitschrift "Kicker", "deshalb haben meine Jungs versucht, den Schiedsrichter umzustimmen". Doch dieser habe "von den Regeln her keine Wahl" gehabt, so der Coach.
Der Unparteiische hatte keine Wahl
Damit hatte Reis völlig recht. Denn das Handspiel war nun einmal passiert, es war strafbar und brachte die Bochumer um eine klare Torchance. Nur diese regeltechnischen Aspekte hatte Schiedsrichter Günsch zu berücksichtigen.
Ob und wann der Ball in einer Situation wie dieser aus Gründen des Fair Play ins Aus gespielt und der Einwurf danach zum Gegner befördert wird, müssen die Mannschaften unter sich vereinbaren.
Für den Referee gilt, wenn ein Spieler liegen bleibt, ausschließlich die Anweisung: Ist dieser Spieler nach seinem Eindruck so ernsthaft verletzt, dass er eine sofortige Behandlung benötigt, dann soll er die Begegnung unterbrechen. Wenn nicht, lässt er weiterspielen.
Entscheidet sich ein Team, den Ball ins Aus zu schlagen, obwohl der Schiedsrichter weiterspielen lassen hat, dann geschieht das freiwillig – und ohne den Anspruch, den Ball anschließend vom Gegner zurückzuerhalten, auch wenn das fast immer geschieht.
In Braunschweig hatte der Referee also keine Wahl, doch den Bochumern blieb zumindest noch die Schadensbegrenzung: Den fälligen Freistoß aus aussichtsreicher Position spielten sie fair zum Braunschweiger Ersatztorwart Jasmin Fejzić.
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Verwirrung in der Oberliga
Drei Klassen darunter, in der Oberliga Baden-Württemberg, kam es unterdessen zu einer noch bemerkenswerteren Situation.
Im Spiel der Stuttgarter Kickers gegen den FC Nöttingen (4:1) spielten die Gäste den Ball kurz vor der Pause ebenfalls ins Seitenaus, um einem Mitspieler, der nach einem Zweikampf liegen geblieben war, erforderlichenfalls eine Behandlung zu ermöglichen.
Der anschließende Einwurf blieb allerdings in den Reihen der Hausherren, von denen offensichtlich nicht alle der Auffassung waren, dass der Ball mit Absicht vom Feld befördert wurde.
Die Kickers überraschten den Gegner mit einem energischen Angriff und trafen zum 2:0. Die Nöttinger beklagten sich deshalb heftig bei den Gastgebern.
Daraufhin bat Kickers-Trainer Ramon Gehrmann den Schiedsrichter Jürgen Schätzle um dessen Meinung. Der Unparteiische signalisierte, dass der Ball vor dem Einwurf mit Absicht von Nöttingen ins Aus geschossen worden war.
Absichtliches Eigentor als Entschädigung
Das bewegte den Stuttgarter Coach, seine Elf anzuweisen, nach dem Anstoß der Nöttinger ein Eigentor zu fabrizieren. Dieser Aufgabe kam Lukas Kling aus 45 Metern nach, Torwart Thomas Bromma ließ den Ball passieren.
Der Nöttinger Trainer Marcus Wenninger zeigte sich beeindruckt: "Das war eine große Geste der Kickers. So etwas erlebt man nicht allzu oft."
Den Schiedsrichtern waren in Braunschweig und Stuttgart letztlich von den Regeln die Hände gebunden – was nicht zu bemängeln ist. Denn das Fair Play ist in Situationen, in denen sich der Referee gegen eine Spielunterbrechung entscheidet, weil er keinen sofortigen Behandlungsbedarf sieht, die Angelegenheit der beteiligten Teams.
Dabei mag es hin und wieder zu Missverständnissen kommen. Die Beispiele vom vergangenen Wochenende zeigen aber, dass diese sich mindestens teilweise beheben lassen. Und das ist eine gute Nachricht.
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