Der BVB kritisiert Referee Felix Zwayer nach der Niederlage gegen den FC Bayern heftig – vor allem wegen dessen Elfmeterentscheidung für den Rekordmeister. Der Schiedsrichter wäre in der Tat besser bei seiner großzügigen Linie geblieben, die der Partie eigentlich gut bekam.
Groß und heftig war der Zorn auf Schiedsrichter Felix Zwayer bei Borussia Dortmund nach der knappen 2:3-Heimniederlage gegen den FC Bayern München im Topspiel des 14. Spieltags der Fußball-Bundesliga.
Der BVB fühlte sich in spielentscheidenden Situationen vom Unparteiischen benachteiligt und warf diesem eine "fehlende Balance" bei der Spielleitung vor, wie Sportdirektor Michael Zorc gegenüber dem "Kicker" sagte.
"Er hat das Spiel am Ende entschieden, weil er keine Linie hatte", kritisierte Zorc. "Wenn ich manche Dinge pfeife oder sie mir anschaue, muss ich das auf der anderen Seite auch machen."
Die Kritik entzündete sich vor allem an zwei Entscheidungen des 40-jährigen Berliners: Als
20 Minuten später ließ Zwayer nach einem Handspiel von
Um diese beiden Entscheidungen zu beurteilen, reicht es nicht, sie isoliert zu betrachten, man muss sie auch in den Kontext der gesamten Spielleitung des Unparteiischen stellen.
Beim Duell zwischen Hernández und Reus kam es zu drei Kontakten gegen den BVB-Kapitän, der in Ballbesitz war: zu einem Schieben mit der Hand gegen den Rücken sowie zu eher geringen Berührungen an der Wade und am Fuß.
Gesehen hatte Zwayer, wie er im Interview des Senders "Sky" ausführte, den Impuls gegen den Oberkörper, den er jedoch nicht als strafbar bewertete. Die Frage, ob es einen weiteren Kontakt gegeben habe, sei vom VAR verneint worden.
Dass Reus keinen Elfmeter bekam, war vertretbar …
Auch wenn das mit den Bildern nicht recht in Einklang stand, kann man doch festhalten: Das Wesentliche an diesem Zweikampf hatte der Referee beobachtet. "Für mich ist das eine Situation, die einen robusten Zweikampf darstellt", sagte er. "Ich habe aufgrund meiner großzügigen Linie im Spiel gegen einen Strafstoß entschieden."
Ein vertretbarer und nachvollziehbarer Entschluss, den Zwayer selbst in den Kontext seiner gesamten Spielleitung gestellt hat: Er ließ die temporeiche, spielerisch anspruchsvolle Partie laufen und eine gewisse Zweikampfhärte zu, was dem Spielfluss diente. In Grenzfällen entschied er sich meist dafür, weiterspielen zu lassen.
So auch in dieser Situation. Für einen Elfmeterpfiff hätte es ebenfalls Argumente gegeben, wenn man die von Hernández verursachten Kontakte als ausschlaggebend dafür ansähe, dass Reus zu Fall kam. Dass Zwayer das jedoch nicht tat, passte zu seiner Linie bei der Zweikampfbewertung.
Hinzu kommt etwas, das direkt nach dem Spiel in der medialen Nachbetrachtung des Spiels keine wirkliche Rolle spielte, am Tag darauf jedoch sehr wohl: Kurz vor dem Duell zwischen Hernández und Reus hatte sich
… und Haalands Abseits hätte den Strafstoß ohnehin verhindert
Das bedeutet: Selbst wenn Felix Zwayer einen Strafstoß gepfiffen hätte, wäre diese Entscheidung "aufgrund der Abseitsstellung des Dortmunder Angreifers durch den VAR korrigiert worden", wie Jochen Drees, der Projektleiter des DFB für die Video-Assistenten, am Sonntag auf der Website des Verbandes erklärte.
Denn das strafbare Abseits von Haaland lag zeitlich vor der Zweikampfszene. Weil es aber keinen Strafstoß und keinen VAR-Eingriff gab, musste Video-Assistent Welz die Szene auch nicht auf ein mögliches Abseits überprüfen.
Das wiederum führte dazu, dass es keine Bilder mit kalibrierten Abseitslinien aus Köln gab. Und weil die Situation ausgesprochen knapp war, ließ sich mit bloßem Auge nicht zweifelsfrei erkennen, ob Haaland im Abseits war oder nicht.
Erst am Sonntag zeigten mehrere Fernsehsender mit eigenen Animationen die Abseitsstellung, bevor Jochen Drees diesen Sachverhalt mit seiner Erklärung auch offiziell bestätigte.
Damit wurde aus einer Szene in der Grauzone letztlich eine, bei der es kein Ermessen gab. Wäre das schon am Samstagabend geklärt worden, hätte es die Aufregung wohl etwas eindämmen können.
Hummels' Handspiel: Was für und was gegen den Strafstoß spricht
Aber da war ja noch das Handspiel von Mats Hummels. Wenn man es losgelöst vom Spielkontext betrachtet, dann finden sich zweifellos gute Gründe, es als strafbar zu bewerten.
Der Dortmunder Innenverteidiger ging "mit vorgehaltenem Arm in einer aktiven Bewegung zum Ball und spielte diesen mit dem Ellenbogen", wie Jochen Drees den Vorgang beschrieb. Die Armhaltung sei dabei "als nicht natürlich einzuordnen".
So sah es auch Zwayer selbst, der erklärte, den VAR kontaktiert zu haben, weil er auf dem Feld zwar das Handspiel wahrgenommen habe, nicht aber, wie weit Hummels den Arm von seinem Körper "weggestreckt" habe. So sei es schließlich zum On-Field-Review und zur Elfmeterentscheidung gekommen.
Es gibt jedoch auch Gegenargumente. Drees etwa gibt zu bedenken, dass Hummels "zum Zeitpunkt der Ballberührung den Blick nicht zum Ball gerichtet" habe und zudem "gegebenenfalls durch einen weiteren Mitspieler irritiert" worden sei – sowie durch den Münchner Thomas Müller, ließe sich hinzufügen.
Vor allem aber könnte man entgegnen, dass seit dieser Saison wieder stärker der Faktor Absicht bei der Bewertung von Handspielen im Zentrum steht. Und dass Mats Hummels hier eher in Bedrängnis ein Kopfballversuch unglücklich misslang, als dass er tatsächlich vorhatte, den Ball mit dem Arm aus dem Strafraum zu befördern.
Am ersten Spieltag dieser Saison gab es in der Begegnung des 1. FC Köln gegen Hertha BSC eine recht ähnliche Szene, in der der Kölner Rafael Czichos den Ball nach einer Flanke der Berliner mit dem Kopf verfehlte und dafür mit dem Unterarm ins Toraus lenkte.
Auch damals gab es ein On-Field-Review, doch Schiedsrichter Robert Hartmann, der wie sein Kollege Zwayer auf dem Feld weiterspielen lassen hatte, entschied sich gegen einen Strafstoß, weil er keine Absicht feststellen mochte. Eine Entscheidung, die von der sportlichen Leitung der Bundesliga-Referees als vertretbar akzeptiert wurde.
Den Elfmeter nicht zu geben, hätte besser zu Zwayers Linie gepasst
Diesen Ermessensspielraum hätte auch Felix Zwayer nutzen können – und das wäre nicht zuletzt deshalb sinnvoll gewesen, weil er diesen Spielraum zuvor mehrfach im Sinne des Fußballs in Anspruch genommen hatte.
Gerade bei grenzwertigen oder nicht eindeutigen Strafraumszenen ließ er stets weiterspielen; zu nennen wären neben dem erwähnten Zweikampf zwischen Hernández und Reus auch ein Armeinsatz von Hummels gegen Leon Goretzka im Dortmunder Strafraum und ein Handspiel von Alphonso Davies im Strafraum der Bayern.
Diese Linie bekam dem Spiel gut, die damit einhergehende Balance führte auf beiden Seiten zu Akzeptanz. Es wäre daher für das Spiel besser gewesen, nach Hummels‘ Handspiel bei der ursprünglich getroffenen Entscheidung zu bleiben – was auch nach dem Review möglich gewesen wäre – und im Bedarfsfall auf die fehlende Absicht und die ähnliche Szene aus dem Kölner Spiel zu verweisen.
So wäre die Balance gewahrt worden und die Linie bei der Nutzung des Ermessensspielraums stringent geblieben. Nach dem Spiel wäre Felix Zwayer außerdem wohl nicht annähernd so heftig kritisiert worden, wie es nun der Fall war.
Auch VAR-Projektleiter Jochen Drees räumt ein, die Frage nachvollziehen zu können, ob die Bewertung des Handspiels zur insgesamt großzügigen Linie von Schiedsrichter Felix Zwayer passt.
Obwohl er anschließend urteilt, die Bewertung des Handspiels als strafbar sei korrekt, wenn man "die Situation trotzdem losgelöst" betrachte, darf man aus dieser Äußerung durchaus herauslesen, dass der sportlichen Leitung der Schiedsrichter eine andere Entscheidung recht gewesen wäre.
Gewiss auch deshalb, weil sie längst nicht nur bei den Dortmundern mehr Akzeptanz gefunden hätte. Und Akzeptanz ist für Unparteiische ein ganz besonders hohes Gut.
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