Am ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison hat der 1. FC Köln keinen Grund zur Klage über den Video-Assistenten: Zwei Überprüfungen gehen zu seinen Gunsten aus – zu Recht. In Mönchengladbach ist man unterdessen unzufrieden, weil es in zwei Szenen keinen Elfmeter gibt.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
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Mit den Video-Assistenten war der 1. FC Köln bislang nur selten zufrieden. Zu oft, so klagen vor allem die Fans der Rheinländer, werde der Klub vom VAR benachteiligt. Mal gebe es Eingriffe zulasten des "Effzeh", wo es nach Meinung vieler Anhänger keine hätte geben dürfen. Mal blieben Interventionen aus, wo sie nach deren Ansicht unbedingt erforderlich gewesen wären.

Mag die Zustimmung von Fußballfans zum Video-Assist-Center der Unparteiischen generell gering sein, so ist die Institution bei den Kölnern, wenn nicht alles täuscht, besonders unbeliebt.

An diesem ersten Spieltag der neuen Saison jedoch dürften sie wenig gegen sie einzuwenden gehabt haben: Zweimal wurde der Video-Assistent in der Partie des 1. FC Köln gegen Hertha BSC (3:1) in entscheidenden Situationen konsultiert - beide Male ging die Überprüfung zugunsten der Hausherren aus.

Warum gab es nach Czichos' Handspiel keinen Elfmeter?

Zur ersten davon kam es nach 23 Minuten, als der Kölner Rafael Czichos den Ball nach einer Flanke von Peter Pekarik mit dem Kopf verfehlte und dafür mit dem Unterarm ins Toraus lenkte. Referee Robert Hartmann entschied auf Eckstoß und VAR Markus Schmidt riet ihm daraufhin zum On-Field-Review.

Zwei Erklärungen kommen dafür in Betracht: Denkbar ist, dass der Referee das Handspiel gar nicht gesehen und somit auch nicht bewertet hatte. Möglich ist aber auch, dass Hartmann zur Ansicht gelangt war, dass es sich nicht um ein strafbares Handspiel handelte und Schmidt das für einen klaren Fehler hielt.

Wie auch immer: Der Unparteiische begab sich selbst zum Monitor und entschied dann, dass der Kölner Verteidiger nichts Verbotenes getan hatte. Und das, obwohl Czichos durch das Abwinkeln des rechten Armes beim missglückten Kopfballversuch seine Körperfläche vergrößert hatte.

In der vergangenen Saison hätte es hier mit ziemlicher Sicherheit einen Elfmeter gegeben. Doch die Regelhüter vom International Football Association Board (Ifab) haben die Handspielregel vor dieser Saison erneut geändert.

Beim Handspiel steht nun wieder die Intention im Vordergrund

Jetzt steht bei der Bewertung von Handspielen wieder stärker die Intention des Spielers im Vordergrund. Gefragt wird nun: Dient die Armhaltung dieses Spielers dazu, die Abwehrfläche zu vergrößern, um den Ball aufzuhalten oder abzulenken? Oder wird das zumindest billigend in Kauf genommen? Dann ist das Handspiel strafbar.

Oder ist die Armhaltung Teil einer normalen, natürlichen Körperbewegung, – etwa beim Sprung, beim Tackling oder bei der Drehung –, mit der nicht das Ziel verfolgt oder das Risiko in Kauf genommen wird, den Ball aufzuhalten? Dann ist das Handspiel nicht ahndungswürdig.

Dass sich diese Fragen nicht immer klar und eindeutig beantworten lassen und es dadurch nach wie vor einen Graubereich gibt, weiß auch das Ifab. Ganz bewusst lässt es den Schiedsrichtern aber wieder einen größeren Ermessensspielraum. Mit ihrer Fachkompetenz können sie die Intention eines Spielers am besten beurteilen.

Als Rafael Czichos zum Ball ging, war sein Plan, den Ball mit dem Kopf zu erreichen, gut zu erkennen. Dass ihm das nicht gelang und er das Spielgerät stattdessen mit dem Arm traf, lag an seinem schlechten Timing.

Normale Armhaltung oder Vergrößerung der Körperfläche?

Die Frage war, ob die Armhaltung des Kölners die Folge einer normalen Sprungbewegung beim Kopfballversuch war oder eine Vergrößerung der Abwehrfläche darstellte, durch die Czichos zumindest das Risiko einging, den Ball mit dem Arm zu treffen.

Robert Hartmann entschied sich nach dem Betrachten der Bilder für die erstgenannte Antwort, wollte dem Abwehrspieler also keine Fahrlässigkeit unterstellen, obwohl es auch dafür Argumente gegeben hätte. Schließlich war Czichos für seine schlechte Koordination in dieser Situation alleine verantwortlich.

Doch wenn die Intention wesentlich für die Bewertung von Handspielen ist, dann ist es auch im Sinne des Fußballs, eine eher verunglückte, unbeabsichtigte Aktion wie die des Kölner Abwehrspielers nicht mit einem Elfmeter zu bestrafen. Somit kann man dem Referee folgen.

Modestes Ausgleichstreffer war regelkonform

Das gilt auch für seine – vom VAR nicht beanstandete – Entscheidung, den Ausgleichstreffer für die Hausherren zum 1:1 durch Anthony Modeste wenige Minuten vor der Pause anzuerkennen. Nach einer Flanke von Jan Thielmann hatte der Kölner acht Meter vor dem Berliner Tor ein bisschen seine Arme gegen Marton Dardai eingesetzt und den Ball schließlich ins Gehäuse der Gäste geköpft. Die Herthaner wollten ein Stoßen von Modeste gesehen haben, doch der Referee, der insgesamt eher großzügig pfiff, blieb bei seinem Urteil.

Das war richtig. Denn als Modeste seine Hände auf den Oberkörper von Dardai legte, befand sich dieser schon in gebückter und vorgebeugter Haltung und der deutlich schlechteren Position. Der Impuls, der schließlich vom Kölner Angreifer ausging, war so gering, dass man nicht ernsthaft von einem Vergehen sprechen konnte. Der Berliner hatte vielmehr zu geringen Widerstand im Zweikampf geleistet und war auch zu leicht zu Boden gegangen.

Hier auf Foulspiel von Modeste zu erkennen, wäre unverhältnismäßig gewesen, nicht zuletzt gemessen an Robert Hartmanns genereller Linie bei der Zweikampfbewertung. Ein Eingriff des VAR war deshalb auch nicht erforderlich.

Gladbach hadert nur teilweise zu Recht mit dem VAR

Nicht so glücklich mit dem Video-Assistenten war Borussia Mönchengladbach nach dem Spiel gegen den FC Bayern München (1:1). Denn der hatte jeweils nicht eingegriffen, als Marcus Thuram in der Schlussphase in zwei Duellen mit dem Münchner Neuzugang Dayot Upamecano im Strafraum der Bayern zu Fall gekommen war und Schiedsrichter Marco Fritz nicht auf Strafstoß entschieden hatte.

In der 81. Minute kam Thuram zu Fall, weil Gegenspieler Upamecano bei einem Zweikampf abseits des Balles den Fuß des Gladbachers getroffen und so dafür gesorgt hatte, dass der sich gewissermaßen selbst ein Bein stellte. Thuram fiel damit als Zielspieler für die Hereingabe von Jonas Hofmann aus – als der Ball in die Mitte kam, lag der Franzose schon auf dem Boden.

Da Fritz zum Ball schaute und sich der Zweikampf dadurch außerhalb seines Blickfeldes zutrug, wären eine Review-Empfehlung durch den VAR und in der Folge ein Strafstoß ratsam gewesen. Doch aus Köln kam keine entsprechende Empfehlung.

Zwei Minuten später ging Thuram erneut zu Boden. Diesmal waren zwar mehrere kleine Berührungen durch Upamecano im Oberkörper- und im Beinbereich festzustellen. Aber es gab keinen klaren Kontakt, der einen Elfmeter unausweichlich werden ließ. Der Stürmer fiel hier vielmehr ohne wirkliche Not.

Da Marco Fritz grundsätzlich recht großzügig pfiff, hätte eine Strafstoßentscheidung nicht recht zu seiner Linie gepasst, auch wenn sie nicht völlig abwegig gewesen wäre. Dass der VAR nicht einschritt, war jedenfalls richtig, denn ein klarer Fehler lag nicht vor. Alles in allem können sich die Münchner jedoch glücklich schätzen, noch einmal davongekommen zu sein.

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