Während man beim FC Bayern München einen spielentscheidenden Elfmeter gegen sich beim Spiel in Mönchengladbach vollauf akzeptiert, gibt es in den sozialen Netzwerken längliche Debatten darüber. Auch über einen strittigen Strafstoß für den FC Augsburg wird diskutiert.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Alex Feuerherdt dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Was kommen würde, war Javi Martínez vollkommen bewusst. In der 90. Minute der Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München (2:1) war der bereits verwarnte Innenverteidiger des Rekordmeisters im eigenen Strafraum mit Anlauf vor die Beine des ballführenden Marcus Thuram gerutscht und der Gladbacher daraufhin zu Boden gegangen.

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Schon bevor Schiedsrichter Marco Fritz in seine Pfeife blies und auf Strafstoß entschied, vergrub Martínez sein Gesicht im Rasen. Und als der Unparteiische dem Münchner schließlich die Gelb-Rote Karte zeigte, war dieser bereits unterwegs, um das Feld zu verlassen. Ramy Bensebaini verwandelte den Elfmeter zum 2:1-Sieg für die Borussia.

Die Entscheidung des Referees akzeptierte nicht nur Martínez selbst voll und ganz, auch seine Mitspieler taten es. Torwart Manuel Neuer sprach von einem „dummen Foul“, Joshua Kimmich hatte „selten einen klareren Elfmeter gesehen“. Beide konnten die Grätsche aus nächster Nähe beobachten.

Die Zeitlupe verzerrt oft die Wirklichkeit

Niemand beim FC Bayern zweifelte den spielentscheidenden Pfiff von Marco Fritz ernsthaft an. Dennoch entspann sich in den sozialen Netzwerken und manchen Diskussionsforen eine teilweise hitzige Diskussion. Nicht nur die Bayernfans argumentierten, Martínez habe zuerst den Ball gespielt. Zudem habe Thuram schon zum Sturz angesetzt, bevor er getroffen wurde.

Solche Szenen machen deutlich, wie sehr Superzeitlupen oft die Realität verzerren können. Denn sie lassen Aktionen durch die zeitliche Streckung oft klarer und bewusster aussehen, als sie es in der tatsächlichen Geschwindigkeit waren. Überdies können sie die Dynamik einer Handlung je nachdem dramatischer wirken lassen oder deutlich abschwächen.

Aus diesem Grund sollen die Video-Assistenten die Zeitlupen vorrangig nutzen, um festzustellen, ob es in einer Szene überhaupt zu einem Kontakt gekommen ist. Ansonsten sind sie gehalten, sich eine zu überprüfende Szene in der Normalgeschwindigkeit anzusehen.

Thurams Sturz war keine „Schwalbe“

Mit den vorhandenen Bildern lässt sich weder beweisen noch ausschließen, dass Javi Martínez den Ball berührt hat. Aber selbst wenn es eine solche Berührung gegeben haben sollte, war sie so geringfügig, dass sie das Tackling nicht regulär werden lässt.

Denn wer in hohem Tempo mit vollem Risiko und beiden Beinen in einen Zweikampf rauscht, muss den Ball schon klar zuerst treffen und deutlich erkennbar spielen, um keinen Freistoß oder Strafstoß zu verursachen.

Dass Marcus Thuram bereits einen Augenblick vor dem Kontakt leicht in die Knie ging, macht seinen Sturz wiederum nicht automatisch zur „Schwalbe“. Zumal er nicht mehr hätte hochspringen können und man ihm zugestehen muss, sich nicht verletzen lassen zu wollen.

Es handelte sich also um ein regelwidriges Beinstellen von Martínez, das die Ursache dafür war, dass Thuram zu Fall kam. Auch die Verwarnung, die dadurch eine Gelb-Rote Karte bedeutete, war angesichts der Dynamik des Tacklings und des hohen Tempos berechtigt.

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Was sonst noch wichtig war:

  • Als Ruben Vargas im Spiel seines FC Augsburg gegen den 1. FSV Mainz 05 (2:1) bei einem Zweikampf mit Pierre Kunde zu Boden ging, entschied der Unparteiische Markus Schmidt zunächst auf Freistoß außerhalb des Mainzer Strafraums. Doch der Video-Assistent (VAR) meldete sich zu Wort: Er hatte festgestellt, dass es zum entscheidenden Kontakt für Vargas‘ Sturz im Strafraum gekommen war. Deshalb änderte Schmidt seine Entscheidung und gab einen Strafstoß – ohne On-Field-Review, weil die Bestimmung des Tatortes eine Schwarz-weiß-Angelegenheit ist, die nicht der persönlichen Prüfung durch den Schiedsrichter bedarf. Der VAR hätte Schmidt anschließend zwar auch aufgrund des Fouls an sich eine Überprüfung empfehlen können. Aber da Kunde mit seinem Knie den Oberschenkel von Vargas kontaktiert hatte, lag jedenfalls kein klarer und offensichtlicher Fehler vor. Sondern nur eine ziemlich strenge Entscheidung.
  • Aufregung gab es auch in der Begegnung zwischen Eintracht Frankfurt und Hertha BSC (2:2) am Freitagabend: Nach 71 Minuten lenkte der Berliner Torwart Thomas Kraft den Ball nach einer hohen Flanke der Gastgeber, die abgefälscht worden war und dadurch viel Effet bekommen hatte, ins eigene Gehäuse. Schiedsrichter Christian Dingert gab den Treffer jedoch nicht, da André Silva zuvor seine Hand in den Rücken des hochspringenden Kraft gedrückt hatte. Der Kontakt war nicht sehr stark, dafür aber sehr offensichtlich. Begünstigte er das Eigentor wesentlich? Eine schwierige Frage. Der Referee beantwortete sie mit einem "Ja", und auch wenn die Frankfurter das nicht einsehen wollten, konnte man ihm darin zustimmen. Letztlich war es eine Ermessenssache.
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