Die DFL drängte in Zeiten von Corona auf einen Neustart des Profifußballs - und bekommt ihn. Wenn am 16. Mai der Anpfiff in der Bundesliga ertönt, dann lässt sich die Liga damit auf ein Spiel mit dem Feuer ein. Denn ein Re-Start birgt einige Risiken.

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Mai oder nix! Was nach Pep Guardiola klingt, ist eigentlich Hans-Joachim Watzke. Ende April hatte der BVB-Boss in einem "Spiegel"-Interview einen Bundesliga-Neustart im Mai gefordert - und ihn zwei Wochen später auch bekommen. Aus Sicht Watzkes ist die Forderung nach einem Re-Start nur logisch, drohte einem Drittel der 36 Profi-Vereine ohne die rund 750 Millionen Euro Einnahmen aus den TV-Rechten doch schon im Juni der Ruin.

Und überhaupt: Was wäre in Bezug auf die Coronakrise weltweit im Juni oder Juli anders als im Mai gewesen, um erst dann den Spielbetrieb wieder aufzunehmen? Ein Impfstoff? Wohl kaum. Ein Gegenmittel? Unmöglich. So ist die Entscheidung der Politik verständlich, aber eben auch streitbar. Denn Abstandsregeln und Hygienevorschriften lassen sich nur schwerlich mit dem Kontaktsport Fußball auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Mehr noch, ein Bundesliga-Neustart birgt einige Risiken.

Neustart der Bundesliga trotz Corona: Dynamo Dresden muss direkt in Quarantäne

Da wäre zum einen natürlich das Coronavirus selbst. Die Eine-Millionen-Euro-Frage lautet: Was passiert bei einem positiven Corona-Test? Als beim 1. FC Köln kürzlich zwei Profis und ein Physio positiv auf das Virus getestet wurden, befolgte der Klub den DFL-Plan einer Einzelquarantäne. Daraufhin ließ Köln-Profi Birger Verstraete in einem Interview durchblicken, was er davon hält: nicht viel. Wenige Tage später machte Hertha-Angreifer Salomon Kalou in einem Facebook-Livevideo deutlich, was er von den Hygienevorschriften der DFL hält: ebenfalls nicht viel.

Als der Neustart dann endgültig beschlossene Sache war, verkündete Dynamo Dresden wie auf Kommando zwei Corona-Infektionen innerhalb des Teams - und verabschiedete das ganze Team in den 14-tägigen Zwangsurlaub. Damit verpasst das erste Team den Neustart, was dem ohnehin schon straffen Zeitplan, die Ligen bis Ende Juni durchzuboxen, nicht gerade entgegenkommt.

Laut DFL-Boss Christian Seifert bringe das den Zeitplan "nicht ins Wanken". Was aber ist, wenn weitere Teams im Laufe der kommenden sechs Wochen in Quarantäne müssen? Ein Ligabetrieb ließe sich dann wohl kaum aufrechterhalten.

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Karriereende? Das Infektionsrisiko als Streitfrage

Neben dem organisatorischen Aspekt sollte der wohl wichtigste Punkt nicht vergessen werden: die Gesundheit der Spieler. Professorin Ulrike Protzer aus München schätzt das Infektionsrisiko gegenüber dpa als gering ein, und überhaupt: "Fußballspieler sind sicherlich junge, fitte Menschen."

Das Problem an der Sache ist freilich, dass man sich in der Wissenschaft in diesem Punkt nicht ganz einig ist - wie in so vielen Fragen rund um das Coronavirus. Professor Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln möchte im "Sportschau"-Interview gar Langzeitschäden nicht ausschließen: "Ein Sportler sollte sich schon Gedanken darüber machen, dass eine Infektion das Karriereende sein kann." Er verweist auf Vernarbungen der Lunge, die entstehen können. "Dann habe ich ein paar Prozent weniger Lungenkapazität - für einen Hochleistungssportler ist das schon eine relativ kritische Sache."

Corona-Infektion: Das mahnende Beispiel Paulo Dybala

Auch bei den Spielern selbst scheint der Neustart nicht nur für Freudensprünge zu sorgen. "Wenn sich eine Person infiziert und stirbt, werden wir auf der falschen Seite der Geschichte stehen", zitiert "The Athletic" einen Mitarbeiter aus der Premier League. Ähnliche Töne stimmt Sören Bertram vom Drittligisten 1. FC Magdeburg in der "Magdeburger Volksstimme" an: "Ich habe Angst davor, mich bei einem Spiel anzustecken." Und: "Wir sind nur Marionetten."

Dass es selbst einen durchtrainierten Vollprofi erwischen kann, zeigt das Beispiel Paulo Dybala. Der Offensivstar von Juventus Turin war wochenlang immer wieder positiv auf das Coronavirus getestet worden. Um derartige Szenarien möglichst auszuschließen, sieht der DFL-Plan eine mehrwöchige Quasi-Quarantäne für alle Beteiligten vor. Trainingslager, kaum Kontakt zur Außenwelt, regelmäßige Tests. Dabei ist das Coronavirus nicht die einzige Bedrohung für die Spieler.

Der Bundesliga-Neustart erhöht das Verletzungsrisiko

Bei nicht einmal zwei Wochen Vorbereitung droht der Neustart, zu einem Verletzungs-Festival zu verkommen. Neun Spieltage in sechs Wochen bei kaum Vorbereitungszeit: Man kann sich ausrechnen, was das für die Spieler bedeutet. Neven Subotic von Union Berlin spricht von einem "großen Risiko".

Sportmediziner Michael Lehnert teilt bei "Sport1" diese Sorge. Er prophezeit eine "höhere Anfälligkeit für muskuläre Verletzungen". Zustimmung bekommt er von Athletik-Trainer Christian Kolodziej (FC Zürich), der gegenüber "kicker" verrät: "Soweit ich von Kollegen informiert bin, gab es schon beim Übergang vom Individual- ins Kleingruppentraining eine erhöhte Zahl an muskulären Problemen."

Kritisch seien vor allem die schnellen Richtungswechsel, das Abstoppen und Beschleunigen. Das ließe sich auch nicht mit jedem Training zu Hause simulieren.

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Bundesliga-Neustart trotz Corona: "Durchdrücken ohne Rücksicht auf Verluste"

So müssen die Trainer in diesen Tagen eine Herkules-Aufgabe meistern. "Wenn die Spiele laufen, werden Regeneration und Rotation eine wesentliche Rolle spielen", betont Kolodziej.

Andernorts gilt es für die Neuankömmlinge Bruno Labbadia (Hertha BSC) und Heiko Herrlich (FC Augsburg) zudem, sich auf ihre neuen Teams einzustimmen. Auch da wirken eineinhalb Wochen Vorbereitung doch sehr dürftig.

Immerhin: Mit dem Beschluss der fünf Auswechslungen könnte man der Verletzungs-Flut vorbeugen, auch wenn Marc Lorenz, Mittelfeldspieler in Diensten des Karlsruher SC, bei den "Badischen Neuesten Nachrichten" eine andere Meinung vertritt: "Die Spieler werden nach 60 Minuten platt sein […] Es ist für mich ein Durchdrücken ohne Rücksicht auf Verluste."

Der drohende Kollaps, er lässt den deutschen Fußball mit dem Feuer spielen.

Quellen:

Die DFL weiß vor dem Neustart am 16. Mai: "Die Bundesliga spielt auf Bewährung"

Das Corona-Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball-Liga hat Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten überzeugt. Fußballfans sind zwar vorläufig auf Übertragungen aus den Stadien angewiesen. Doch die Wiederaufnahme des Spielbetriebs der Bundesligen ist essenziell für die 36 Vereine. © ProSiebenSat.1
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