Der FC Bayern ließ Nachwuchsspieler Kenan Yildiz ablösefrei ziehen, zur Verwunderung des Spielers und seines Beraters. Bei Juventus Turin und in der türkischen Nationalmannschaft sorgt er seitdem für Furore und lässt die Münchner damit schlecht dastehen. Nun hat sich der ehemalige Leiter der FCB-Nachwuchsabteilung geäußert.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Daniel Kugler sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Im Sommer 2022 wechselte ein gewisser Kenan Yildiz ablösefrei aus dem Nachwuchs des FC Bayern nach Italien zum Top-Klub Juventus Turin.

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Gut eineinviertel Jahre später traf ebenjener Offensivspieler beim 3:2 der Türkei unmittelbar vor der Pause zum zwischenzeitlichen 1:2 aus deutscher Sicht beim Länderspiel Mitte November im Berliner Olympiastadion. Mit weit ausgebreiteten Armen bejubelte der 18-Jährige seinen Treffer vor frenetischen türkischen Fans und schickte die deutschen Anhänger zeitgleich in Schockstarre.

Der bisherige Höhepunkt einer noch ganz jungen Karriere. Und gleichzeitig die bittere Erkenntnis für den deutschen Rekordmeister, dass ein ganz heißes Eisen komplett falsch eingeschätzt wurde. Dass man ein Mega-Talent nach jahrelanger Ausbildung in der Nachwuchsabteilung der Münchner und ohne jeglichen Gegenwert hatte gehen lassen.

Berater von Kenan Yildiz lässt kein gutes Haar am FC Bayern

Eine steile Entwicklung, die Personen aus dem direkten Umfeld des Spielers seit Jahren vorausgesagt haben. Die aber vor dem abrupten Abschied Yildiz' bei den Münchnern offenbar keiner der damaligen Entscheidungsträger auch nur im Ansatz für möglich gehalten hatte.

Darauf lassen zumindest die jüngsten Aussagen von Yildiz’ Berater Hector Peris Ros schließen. "Obwohl wir bei Bayern gute Beziehungen zu Hasan Salihamidžić und Marco Neppe hatten, sind sie viel zu spät mit einer Verlängerung auf uns zugekommen", stellte der Agent kurz vor Jahreswechsel gegenüber "Tuttosport" unmissverständlich klar.

Yildiz kam 2012 aus dem Nachwuchs des SSV Jahn Regensburg zu den Münchnern und spielte insgesamt zehn Jahre in der Jugend des FC Bayern. Seinen Wert für den Profibereich und die Notwendigkeit der zeitnahen Integration in die A-Mannschaft sah offenbar trotzdem keiner der Beteiligten und vergraulte damit den Spieler sowie dessen Umfeld.

FC Bayern äußert sich zu den Vorwürfen

Zu den Vorwürfen von der Berater-Seite hat sich nun Bayerns ehemaliger Leiter der Nachwuchsabteilung Holger Seitz geäußert. "Wir mussten ihn ziehen lassen, weil er sich gemeinsam mit seiner Familie und seiner Berater-Agentur für einen anderen Weg entschieden hat", verteidigte sich Seitz bei "ran.de" und gab zu: "Das hat schon wehgetan, weil er sehr lange bei uns ausgebildet worden ist."

Wenn ein Spieler wie Yildiz, bei dem es "im oberen Bereich spannend wird", den Verein verlasse, "dann tut es weh", erklärte der heutige Trainer der 2. Mannschaft des FC Bayern.

Die Münchner standen mit ihrer vermeintlichen Fehleinschätzung allerdings nicht alleine da - auch die nationale Konkurrenz war anfangs alles andere als von den Socken. "In der Bundesliga hat ihn jeder Klub, der international bekannt ist, abgelehnt. Unvorstellbar. Wir können uns das wirklich nicht erklären. Niemand hat ihn wahrgenommen. Für uns war es nicht einfach, mit dieser Situation umzugehen", führte Peris Ros weiter aus.

Yildiz-Berater sieht Parallelen zu Barcelona-Star

Aber die Turiner erkannten im Gegensatz zu den deutschen Top-Klubs bereits früh den Wert des Nachwuchstalents und können bereits nach kurzer Zeit die ersten Früchte ernten.

Bei der "Alten Dame" wird das Juwel schrittweise an die Profis herangeführt und sammelte in der laufenden Saison bereits neun Kurzeinsätze in der Serie A sowie einen in der Coppa Italia. In beiden Wettbewerben gelang ihm jeweils ein Tor. Daneben kam Yildiz in sieben Ligaspielen für die zweite Mannschaft der Italiener zum Einsatz und verbuchte dabei zwei Tore und einen Assist.

Gute Anlagen bringt der 1,85 Meter große Wirbelwind, der auch noch beidfüßig ist, allemal mit. Und in der neuen Heimat stimmen sowohl der Torriecher und das Gefühl für die gefährlichen Läufe in die Offensivräume.

Für seinen Berater kam aber selbst der schnelle Entwicklungssprung auf unbekanntem Terrain nicht überraschend. Denn er sah früh Parallelen zu einem der talentiertesten Youngster im europäischen Spitzenfußball, der ebenfalls zu seinen Klienten zählt.

"Dieser Fall erinnert mich sehr an den von Pedri", betonte Peris Ros. "Niemand kannte ihn, wir brachten ihn probeweise zu Real Madrid, aber sie lehnten ihn ab." Beim FC Barcelona schaffte der Mittelfeldspieler bekanntlich jedoch seinen Durchbruch und ist bei den Katalanen längst nicht mehr aus der ersten Elf wegzudenken.

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Salihamidžić unterstellte Yildiz-Berater Geldgier

Haben die Bayern das nächste internationale Mega-Talent also fahrlässig verschlafen? Nicht, wenn es nach Ex-Sportvorstand Salihamidžić geht.

Der heute 47-Jährige, der bis Ende Mai dieses Jahres im Amt war, sagte bei Bekanntwerden des Yildiz-Abschieds damals der "Bild"-Zeitung: "Yildiz ist ein junger, talentierter Spieler, den wir gerne weiter auf seinem Weg begleitet hätten. Seinen finanziellen Forderungen konnten und wollten wir allerdings nicht entsprechen. Deshalb wird Yildiz uns leider verlassen."

Auf Nachfrage, ob am Ende für Yildiz vor allem das Geld entscheidend gewesen sei, verwies Seitz gegenüber "ran.de" auf dessen Agentur. "Das muss man seine Berater fragen", sagte der 49-Jährige. Allerdings gab er auch zu: "So wie es jetzt für ihn läuft, hat er ganz sicherlich einiges richtig gemacht."

Für den Spieler selbst war die Haltung seines Ex-Klubs zum damaligen Zeitpunkt ein unerwarteter Schlag vor den Bug. Denn eigentlich wäre seine kurzfristige Karriereplanung eine andere gewesen.

"Es war komisch, nach so einer langen Zeit vom FC Bayern wegzugehen. Ich habe lange über diesen Schritt nachgedacht. Juventus hat mir den besten sportlichen Plan vorgestellt. Daher war es der richtige Weg", gab der gebürtige Regensburger zwei Jahre nach seinem feststehenden Bayern-Aus bei der "Bild"-Zeitung Einblick in sein Gefühlsleben.

Yildiz vor erneutem Wechsel? Top-Teams aus der Premier League wohl schon dran

Die schnelle Gewöhnung an das internationale Top-Niveau im Klub als auch in der Nationalmannschaft macht Yildiz längst nicht mehr nur für Insider interessant und bringt ihn offenbar auch über die Grenzen Italiens hinaus auf die Einkaufszettel der Großen im Fußball.

Wie die "Daily Mail" berichtet, sollen mit dem FC Liverpool und dem FC Arsenal gleich zwei englische Schwergewichte ein Auge auf den Shooting-Star geworfen haben. Demnach würden die "Gunners" bereits im Januar einen Vorstoß bezüglich eines zeitnahen Wechsels wagen wollen.

Bei Liverpool soll derweil Sportdirektor Jörg Schmadtke seinem deutschen Landsmann und Trainer Jürgen Klopp laut "Calciomercato" zur Verpflichtung des jungen Deutsch-Türken geraten haben. Schmadtke hatte das Juwel und seinen Werdegang bereits seit dessen Jugendzeit bei den Bayern verfolgt.

In Turin steht Yildiz noch bis 2027 unter Vertrag, dürfte entsprechend nicht gerade günstig werden, sollten die "Bianconeri" den neuesten Hoffnungsträger überhaupt schon wieder abgeben wollen.

Blick weg aus Turin und zurück nach München, wo das breite Interesse am Spieler den neuen Verantwortlichen der Bayern um den seit September 2023 aktiven Sportdirektor Christoph Freund wohl sauer aufstoßen dürfte. Nicht mal eine Weiterverkaufsbeteiligung ist für die Münchner mehr drin. Die Münchner gehen bei einem womöglich ganz dicken Fisch leer aus.

Eine fatale Fehleinschätzung der alten Bayern-Führung, die Freund, dem langjährigen Jugendförderer und Lenker von RB Salzburg, womöglich nicht unterlaufen wäre.

Und nicht nur die Münchner schauten in die Röhre, sondern auch die deutsche Nationalmannschaft. Denn der Sohn einer deutschen Mutter wäre theoretisch auch für den DFB spielberechtigt gewesen. Einen Anruf vom "größten Fußballverband der Welt" gab es aber offenbar nie.

Verwendete Quellen

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