Im vergangenen Sommer setzte der FC Bayern München mit der Leihe von Philippe Coutinho vom FC Barcelona ein Ausrufezeichen. Doch während die Zukunft des Brasilianers aller Wahrscheinlichkeit nach außerhalb Münchens liegt, könnte ein Transfer, den der Rekordmeister parallel zu Coutinho einfädelte, ein echter Gewinn werden.
Weltmeister
Dabei hatte der Franzose bei Borussia Mönchengladbach offensichtlich verbrannte Erde hinterlassen. Denn auch Gladbachs Sportdirektor Max Eberl fand nach Cuisance' Abschied deutliche Worte. "Sportlich macht mich sein Abschied überhaupt nicht froh", sagte Eberl der "Süddeutschen Zeitung", "aber wir hatten keine Wahl. Für die Kabine war es besser so." Übersetzt: Der Verkauf half der Stimmung im Team.
Knapp ein Jahr später gab es aus München, Cuisance' neuer Heimat, ganz andere Töne zu hören. "Er hat sich das verdient, er hat nach Corona sehr gut gearbeitet, auch an seiner Fitness. Dass er ein klasse Fußballer ist, hat er schon immer bewiesen. Jetzt geht er auch mit der nötigen Mentalität, die man braucht, ran an die ganze Sache", lobte Bayern-Trainer
Dort hatte Cuisance mit einem traumhaften Linksschuss aus über 20 Metern und einem rausgeholten Elfmeter seine bislang beste Leistung im Bayern-Dress gezeigt.
Michael Cuisance wird in Gladbach "Spieler der Saison" – danach folgt der Absturz
Doch warum fallen binnen eines Jahres so unterschiedliche Aussagen über ein und denselben Spieler? Als die Gladbacher 2017 Cuisance vom AS Nancy in die Bundesliga holten, schien die Welt noch in Ordnung. Der gerade einmal 18 Jahre alte Franzose fasste im Team von Dieter Hecking überraschend schnell Fuß und kam in seiner ersten Bundesliga-Saison auf 26 Partien. Zur Belohnung wählten die Gladbacher Fans ihren Mittelfeldspieler auch noch zum "Spieler der Saison".
Im darauffolgenden Winter war all diese Herrlichkeit aber plötzlich verflogen. Cuisance sorgte mit einer Fahrt ohne gültige Fahrerlaubnis für Schlagzeilen und pochte zudem auf einen Wechsel. Die Gladbacher Verantwortlichen verweigerten ihm jedoch den Wechselwunsch.
In der Folge soll Cuisance in der Kabine mehrfach Borussia-Verantwortliche beleidigt und mit weiteren Verhaltensauffälligkeiten schlussendlich seinen Abgang provoziert haben – auch weil er mit seinen Spielanteilen alles andere als zufrieden war. In der "Bild" sagte Cuisance im Sommer 2019: "Meine Situation ist klar: Ich möchte spielen."
Hohn und Spott nach Wechsel zum FC Bayern
Dass er sich dann für den FC Bayern entschied, ließ ihn Opfer von Hohn und Spott von vielen Gladbach-Fans werden. Wie soll der junge Franzose im Münchner Starensemble mehr Spielzeit erhalten als bei der Borussia aus Mönchengladbach, war dabei noch die harmloseste Frage.
Doch in München glaubte man offensichtlich an Cuisance' Fähigkeiten und zahlte etwa zehn Millionen Euro für seine Verpflichtung. Wie von vielen erwartet, tat sich der 20-Jährige in München äußerst schwer, überhaupt im Bundesliga-Kader zu stehen, geschweige denn zum Einsatz zu kommen.
Gerade einmal 37 Bundesliga-Minuten sammelte Cuisance zwischen dem ersten Spieltag und der Coronapause im März. Zwischendurch war er sogar in der zweiten Mannschaft bei einem Spiel kurzfristig aus der Startelf geflogen, weil er seine Schuhe nicht finden konnte und daher nicht rechtzeitig zum Treffpunkt des Teams erschien.
"Ich bereue meine Entscheidung nicht. Warum sollte ich bereuen, zum besten Klub der Welt gewechselt zu sein", sagte Cuisance im Mai bei "Eurosport" und zeigte damit im Reservisten-Dasein ein anderes Gesicht als zuvor in Mönchengladbach. Es sei "ein Traum", von all den großartigen Spielern zu lernen und er fühle sich in München "sehr wohl" ergänzte Cuisance.
Nach dem Bundesliga-Restart erhielt Cuisance plötzlich auch mehr Einsatzzeiten bei den Profis und hielt damit Wort. Denn zuvor hatte er angekündigt: "Ich bin gekommen, um zu beobachten. Wenn meine Zeit kommt, werde ich bereit sein und meine Qualitäten zeigen."
Gegen Fortuna Düsseldorf durfte er erstmals eine komplette Halbzeit ran und machte seine Sache ordentlich. FCB-Coach Flick unterstrich anschließend Cuisance' Wandel: "Es war die Belohnung dafür, dass er in den letzten Wochen und Monaten sehr, sehr gut trainiert und eine sehr positive Entwicklung macht."
Seit dem Restart kam Cuisance, der im Mittelfeld vielseitig einsetzbar ist, auf 267 Pflichtspielminuten. Dennoch wurde er zuletzt immer wieder mit einem Leihgeschäft in Verbindung gebracht, um noch mehr Spielzeit zu bekommen.
Für den 20-Jährigen ist dies momentan aber kein Thema: "Ich habe keine Zeit, mich mit einer möglichen Leihe zu beschäftigen. Ich muss meine Chance nutzen, wenn ich sie bekomme."
Profitiert Cuisance von Platz neben Thiago in der Kabine?
Und diese Chance könnte schneller kommen als gedacht. Thiago denkt offensichtlich über einen Wechsel nach, ein Fakt den Vorstands-Boss Karl-Heinz Rummenigge kürzlich, zumindest indirekt, bestätigte.
"Es sieht so aus, dass er zum Ende seiner Karriere vielleicht noch einmal etwas Neues machen möchte", sagte er der "Bild" zu den schwierigen Vertragsverhandlungen mit dem spanischen Mittelfeldspieler. Sollte Thiago tatsächlich den Klub verlassen, würden Cuisance' Einsatzzeiten wohl weiter steigen. Und wer weiß, vielleicht ist er in gewisser Weise der legitime Nachfolger des spanischen Ausnahmekönners.
Denn bei seiner Ankunft in München suchte er sich den Platz neben Thiago in der Kabine aus. "Er ist ein Weltklassespieler, elegant und technisch. Ich wollte nahe bei ihm sitzen, um mich mit ihm auszutauschen und zu lernen", begründete Cuisance seine Wahl.
Daher könnte er nun von Thiagos Erklärungen profitieren und im kommenden Jahr einen weiteren Schritt nach vorne machen. Spätestens dann würden vielleicht die positiven Aussagen über Cuisance die negativen überwiegen.
Verwendete Quellen:
- SZ.de: "Für die Kabine war es besser so"
- Kicker.de: "Flicks Belohnung für Cuisance"
- Eurosport.de: Cuisance exklusiv: "Wieso bereuen, zum besten Klub der Welt gewechselt zu sein?"
- Sportbild.de: "Flick spricht über die Zukunft von Cuisance"
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