• Die DFL sucht einen Investor, um Milliarden zu erlösen und unter anderem den Rückstand zur Premier League zu verkleinern.
  • Sechs Kandidaten haben sich vorgestellt, im Sommer soll eine Entscheidung fallen.
  • Welche Bereiche mit Aufholpotenzial es gibt und welche Gefahren lauern, erklärt Sportmanagement-Experte Christoph Breuer im Gespräch mit unserer Redaktion.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Zahlen sind beeindruckend. Sie erschlagen den Beobachter förmlich. 611 Millionen Euro hat der FC Chelsea in der laufenden Saison für neue Spieler ausgegeben, das ist mehr als alle Bundesliga-Klubs (555 Millionen Euro) zusammen. Insgesamt haute die Premier League knapp über drei Milliarden (!) Euro für neues Personal raus – eine Dimension, die für Normalsterbliche einen vorstellbaren und greifbaren Rahmen um ein Vielfaches sprengt. Irre Zahlen, die nur unterstreichen, in welche Richtung sich der europäische Fußball bewegt – höher, schneller, teurer. Klar ist deshalb: Wer mithalten will, muss sich etwas einfallen lassen.

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Die Deutsche Fußball Liga (DFL) will nun mit einem Investor kontern, um die Lücke zumindest ein wenig schließen zu können. Die Liga verspricht sich dadurch Mehreinnahmen von 2,5 bis drei Milliarden Euro. Gedacht für die Klubs, aber auch für die Gestaltung der Zukunft. "Es ist ein notwendiger Schritt", sagt Sportmanagement-Experte Christoph Breuer im Gespräch mit unserer Redaktion. "Ein Investor kann Rückenwind verleihen, vor allem dann, wenn er nicht nur aus finanziellen Erwägungen her gesucht wird, sondern auch aus strategischen Überlegungen, damit man gewisse Bereiche auch inhaltlich besser gestalten kann."

Zwei Bereiche mit großem Aufholpotenzial

Der Experte von der Deutschen Sporthochschule Köln sieht vor allem zwei Bereiche, in denen die Liga jede Menge Aufholpotenzial hat: bei der Auslandsvermarktung und der Digitalisierung. Zum Vergleich: Die Premier League nimmt außerhalb des Königreichs 6,3 Milliarden Euro ein, bei der Bundesliga sind es lediglich 170 Millionen Euro pro Jahr. Vor der Ligue 1 (80 Millionen Euro), aber noch hinter La Liga (897 Millionen Euro) und Serie A (205 Millionen Euro). "In diesem Bereich lässt sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein Erfolg realisieren", sagt Breuer.

Das gelte auch für die Digitalisierung, denn die Innovationsgeschwindigkeit und das Tempo der Innovationsnotwendigkeit seien extrem hoch, sodass ein Knowhow- und Technologietransfer hilfreich seien, erklärt der Sportökonom. "Insgesamt ist es ein Wachstumsfeld und deshalb interessant für Investoren. Wir wissen heute noch gar nicht, was morgen für Wertschöpfungsideen im Bereich der Digitalisierung entstehen können. Das Potenzial ist riesig", führt Breuer aus.

Eigene digitale Plattform?

Das fängt bei Aktivitäten und Formaten in sozialen Medien an, geht über Fan-Token (eigene "Währung" eines Vereins) und hört bei NFTs (digitale Sammelkarten für Fans) nicht zwingend auf. Früheren Medienberichten zufolge soll auch der Aufbau einer eigenen digitalen Plattform zur Live-Übertragung der Spiele eine Option sein. Bei den Fußball-Fans, die aktuell für die Bundesliga zwei Abos abschließen müssen, würde man theoretisch und natürlich abhängig vom Preis wohl offene Türen einrennen.

Wie der "kicker" berichtet, gibt es im Moment sechs Kandidaten, die sich in Position gebracht und bei der DFL bereits vorgestellt haben. Beraten wird die Liga und die dafür abgestellte "AG Zukunftsszenarien" bei dem Prozess von der Deutschen Bank und der japanischen Investmentbank Nomura. Wie es heißt, soll in einem weiteren Schritt der Kreis auf drei Kandidaten eingegrenzt und im Sommer eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Für ein grünes Licht braucht es eine Zweidrittel-Mehrheit der 36 Erst- und Zweitligaklubs. Eine entscheidende Frage dürfte dann sein, wie das Geld unter den Klubs verteilt wird.

Bei dem Investoren-Sextett handelt es sich um "Private-Equity-Unternehmen, die alle an einer Wertsteigerung interessiert sind", sagt Breuer. "Es gibt Investoren, die das Geld zur Verfügung stellen und auf diese Wertsteigerung hoffen. Es gibt aber auch Unternehmen, die zusätzlich Knowhow und Technologien mit einbringen können".

Mögliche Investoren: Die sechs Kandidaten im Überblick

  • Advent: Das Unternehmen kommt aus Boston und konnte unter anderem durch ein Investment in die Sport-Marketing Agentur "Sportfive" 2008 Erfahrungen im Sport-Bereich sammeln.
  • Blackstone: Big Player, die weltweit größte Investmentfirma mit Sitz in den USA. Starkes Netzwerk in Medien- und Sportindustrien.
  • Bridgepoint: Kommt aus Großbritannien und ist das kleinste Unternehmen, das bereits Investments in den Sportrechtevermarkter "Infront" und die MotoGP tätigte.
  • CVC: Mischte bereits zwölf Jahre bei der Formel 1 mit, allerdings mit Licht und Schatten bei dem Investment. Das Unternehmen mit Sitz in Luxemburg ist aktuell zum Beispiel in den Ligen in Frankreich und Spanien investiert.
  • EQT: Kommt aus Schweden und kann nur wenig Erfahrungen im Sportbereich vorweisen. Zu nennen wäre ein Investment in "Sportradar" 2012, dem Datenpartner zum Beispiel der Uefa und NHL.
  • KKR: Das traditionsreiche US-Unternehmen war in der Vergangenheit mehrere Jahre Minderheitsinvestor bei Hertha BSC. Hinzu kommt aktuell ein Einstieg beim Axel-Springer-Verlag.

Wichtig zu wissen: Was die DFL nach außen hin im Moment noch relativ schüchtern und zaghaft versucht, ist in der freien Wirtschaft normales Tagesgeschäft. Auch in anderen Ligen sind Investoren-Engagements dieser Art eher Regel als Ausnahme, "und normalerweise ist so etwas unproblematisch, weil auch der Fan-Widerstand geringer ist", so Breuer, der im Fall der Bundesliga die Frage aufwirft, "wie man dafür Sorge trägt, dass nicht alles sofort wieder in Spielerbeine investiert wird, sondern dass nachhaltig Schulden abgebaut und Investitionen in die Zukunft getätigt werden".

Herausfordernde Aufgaben für die DFL

Das ist die durchaus herausfordernde Aufgabe der Verantwortlichen, insgesamt muss der Spagat gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Tradition zu wahren. Denn die grundsätzlichen Strukturen der beiden Ligen sind nur schwer zu vergleichen: die für reiche Klubbesitzer offene Premier League auf der einen und die auf eine demokratische Kultur und die 50+1-Regel setzende Bundesliga mit einer kritischen und selbstbestimmten Fanbasis auf der anderen Seite.

Die eigene Kultur will die DFL bewahren, die Sportschau berichtet von einem Rundschreiben der DFL-Geschäftsführung an die Klubs, in dem es heißt: "Ein externer Partner hat zu keiner Zeit Zugriff auf das, was den deutschen Profifußball ausmacht – von 50+1 bis zur Gestaltung des Spielplans." Ein Investor solle "eine zeitlich begrenzte Minderheitsbeteiligung an Lizenzerlösen aus der Verwertung von Bundesliga-Rechten" erhalten. So würden "hoheitliche Rechte und Aufgaben der DFL sowie die Einflussnahme und Mitwirkungsrechte der Klubs jederzeit vollständig gewahrt".

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Bekommt die Liga einen neuen Namen?

Einschneidende Veränderungen in Bundesliga und 2. Bundesliga erwartet Experte Breuer daher eher nicht, ein neuer Name für die Bundesliga zum Beispiel "wäre eher eine zusätzliche Einnahmemöglichkeit durch ein Unternehmen, das Werberechte kauft. Ich kann mir das bei der DFL aber im Moment nicht vorstellen, weil eine kritische Fan-Öffentlichkeit in dem Fall viel alarmierter wäre, weil man viel näher am Herzen der Emotionen zugange wäre".

Generell müsse man deshalb aufpassen, mit welchem Partner man sich den Tisch teile, so Breuer: "Es können Synergien entstehen und mehr Wertschöpfung kann generiert werden. Selbst Traditionsklubs können lebensfähiger dastehen als vorher. Man sollte aber nicht blind mit jedem ins Bett gehen."

Denn zwei Gefahren lauern. "Wenn zum Beispiel ein Investor ausschließlich Interesse daran hat, schnell eine Wertsteigerung zu erzielen und vieles auf der Strecke bleibt, was den Fußball ausmacht. Denn dann ist das Ganze selten nachhaltig", erklärt Breuer, der betont, dass der Fokus deshalb nicht nur auf der Summe liegen solle, sondern auch auf der Frage, wer aus welchen Interessen und mit welchen Kompetenzen einsteigen wolle.

Kommunikation mit Fans spielt eine wichtige Rolle

Das zweite Problem ist das des kritischen Publikums und der Kommunikation. "Dass in der Meinungsbildung schnell das Bild der Über-Kommerzialisierung des deutschen Fußballs gezeichnet wird. Die DFL muss aufpassen, dass sie in der Kommunikation die Oberhand behält." Ein Investor ist zwar "kein zu großer emotionaler Stich ins Herz wie bei einer Investorenbeteiligung bei einem Verein", so Breuer.

"Gleichwohl muss es deutlich kommuniziert werden, warum man den Investor sucht und welche Ziele man verfolgt. Dabei muss klargemacht werden, warum der Investor ausgewählt wurde, wie die Zusammenarbeit aussieht und warum das für alle zielführend sein kann". Denn die Zahlen aus der Premier League mögen zwar beeindruckend sein, doch Geld ist nicht alles. Auch im Fußball nicht.

Über den Experten: Dr. Christoph Breuer ist Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln. Das international ausgerichtete Institut beschäftigt sich mit Fragestellungen, die an den Schnittstellen des Sports mit der Wirtschaftswissenschaft (Abteilungen Sportmanagement und Sportbetriebswirtschaftslehre) angesiedelt sind.

Verwendete Quellen:

  • kicker.de: Sextett in der Auswahl: Die möglichen Bundesliga-Investoren im Überblick
  • Sportschau: Frisches Geld für die Bundesliga? DFL - Investor ja, aber kein Anteilsverkauf
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