Borussia Dortmunds Umgang mit der Trainerfrage und mit Peter Stöger wirft Fragen auf und zeigt einmal mehr, wie unglücklich die Kommunikationspolitik des BVB ist.

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Eigentlich sollten sie bei Borussia Dortmund derzeit ganz andere Sorgen haben. Am Samstag spielt die Mannschaft um das Erreichen der Champions League, für einen Verein mit einem derart kostspieligen Kader und großen Zielen ist das nur noch so etwas wie die Mindestanforderung.

Und selbst die wackelt bedenklich, wenn man sich die krassen Leistungsschwankungen der Mannschaft in den letzten Wochen anschaut. Immerhin muss Dortmund beim direkten Verfolger 1899 Hoffenheim bestehen und hat auch noch Bayer Leverkusen im Nacken. Selbst der Gau scheint möglich und nichts anderes wäre eine Saison in der kleinen Schwester Europa League.

Das wichtigste Spiel der Saison steht also an, aber beim BVB kann sich momentan kaum jemand so richtig darauf konzentrieren. Die Medienabteilung des Klubs befand es für eine gute Idee, einen verletzten Spieler wenige Stunden nach dem blamablen 1:2 zu Hause gegen Mainz und kurz vor dem entscheidenden Spiel in Hoffenheim in einer Fußball-Talkshow zu platzieren - wohlwissend, dass dort auch allerhand unangenehme Fragen gestellt werden könnten.

Rode mit bemerkenswertem Interview

Sebastian Rode machte eine insgesamt sehr gute Figur bei "Sky", antwortete authentisch und nicht affektiert und überdies offenbar grundehrlich. Was für einen Protagonisten des Fußballgeschäfts per se schon sehr beachtlich ist.

Rode zeigte sich als mündiger Spieler, der unter anderem auf die Frage nach der Zukunft von Trainer Peter Stöger frei heraus antwortete: "So wie er in der Kabine spricht und sich gibt, gehen wir fest davon aus, dass wir einen neuen Trainer bekommen."

Dieser an und für sich wenig spektakuläre Satz löste mal wieder eine Lawine aus in Dortmund. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kündigte sofort eine Strafe für den Spieler an. "Wir werden ihn zu einem Gespräch bitten und ihn entsprechend sanktionieren", sagte Watzke dem "Kicker". "Spieler haben sich im Zuge laufender Entscheidungsprozesse natürlich nicht zu Klubpersonalien und Trainerentscheidungen zu äußern", rüffelte Sportdirektor Michael Zorc bei Reviersport.

Es herrscht schon wieder Unruhe

Nun kann man Rodes Aussagen als unprofessionell einstufen - oder aber ehrlich, man kann Dortmunds Medienabteilung dafür abwatschen, den Spieler nicht auf entsprechende Fragen vorbereitet zu haben, oder ihn erst in die Sendung geschickt zu haben.

So oder so ist dem BVB mal wieder ein Thema entglitten, das er nun mühselig wieder einfangen und dessen Störfeuer er befrieden muss. Dass das Thema überhaupt noch von Relevanz ist, haben Watzke und Zorc zu verantworten.

Das Ende von Stöger als Dortmund-Trainer ist seit Wochen ein offenes Geheimnis, der Klub wird den bis zum Sommer datierten Vertrag des Notnagels nicht verlängern. Stöger hat sich längst mehrmals in diese Richtung geäußert, darf aber offenbar in aller Deutlichkeit auch nicht reden und verweist stattdessen auf Gespräche nach dem Ende der Saison - weil man beim BVB Ruhe haben will in der entscheidenden Saisonphase.

Dass ein Spieler außer Dienst - Rode ist seit Monaten verletzt - das ewige Hickhack der Bosse in der Öffentlichkeit moderieren muss, ist merkwürdig genug. Die schroffe Reaktion derjenigen, die an Rodes Stelle schon lange hätten Klartext sprechen müssen, passt ins schiefe Bild des BVB in dieser völlig missratenen Saison.

Hinhaltetaktik birgt Probleme

Fast ein halbes Jahr hatten Watzke und Zorc nun Zeit, sich ein detailliertes Bild von Stöger zu machen und zu ergründen, ob der Österreicher für mehr taugt als "nur" die Champions-League-Teilnahme noch irgendwie zu sichern. Ob er eine Entwicklung vorantreiben kann, eine neue Mannschaft aufbauen. Wäre dem so, hätten die Verantwortlichen schon längst alles vertraglich absichern und auch kommunizieren können. Beim BVB passiert in der Beziehung aber rein gar nichts.

Stattdessen wird die Öffentlichkeit, werden Medien und Fans und - nimmt man Rodes Worte genauer unter die Lupe - offenbar auch die Mannschaft weiter hingehalten. Ganz so, als würde die Borussia Stöger als Absicherung in der Hinterhand behalten wollen, sollte es mit anderen Kandidaten doch nichts werden.

Offenbar soll Stöger nach der Partie in Hoffenheim selbst seinen Abschied verkünden - dann wissen der Klub und der Trainer, ob es mit dem Erreichen der Königsklasse geklappt hat oder nicht.

Für die Borussia geht es um Mehreinnahmen in Höhe von rund 30 Millionen Euro im Vergleich zur Europa League, ganz zu schweigen vom Renommee. Stöger soll für seine sechs Monate in Dortmund 1,5 Millionen Euro kassieren und beim Erreichen der Champions League nochmal 500.000 Euro obendrauf.

Offenbar wollen die Verantwortlichen um jeden Preis verhindern, dass Stöger vor der Mannschaft als geschwächt dasteht, wenn sein Abgang im Sommer zu schnell bekannt wird. Wirklich erfolgreich war die Strategie allerdings nicht.

Stöger war ein Kurzarbeiter

Unter anderem missfällt Stögers Umgang mit Kapitän Marcel Schmelzer Teilen der Mannschaft. Stöger hatte Schmelzer nach dem Derby-Debakel auf Schalke aus der Mannschaft genommen und - willentlich oder nicht - damit als Sündenbock gebrandmarkt.

"Das hätte man anders lösen können. Marcel ist ein verdienter Spieler. Das war eine Sache vom Trainer, aber so wie es gelaufen ist, wie es kommuniziert wurde, war es für Schmelle unfair", sagte Rode und meinte damit zumindest indirekt auch den Umgang der Bosse mit dem Spieler.

Im Winter war klar, dass Stöger nur diese eine Mission erfüllen sollte: das Erreichen der Königsklasse. Es war auch klar, dass er über den 30. Juni hinaus nicht Trainer beim BVB bleiben solle. Dazwischen äußerte sich Watzke jedoch durchaus gesprächsbereit für eine Vertragsverlängerung - nur um dann ein paar Wochen später wieder davon abzurücken.

Aus dem befristeten Spezialauftrag konnte aber nie eine längere Beziehung werden. Dafür waren weder die Leistungen der Mannschaft gut genug, noch Stögers innerer Antrieb, bei der Borussia bleiben zu wollen. Jedenfalls machte der Österreicher keinerlei Anstalten, sich offensiver für eine Verlängerung zu bewerben. Und die Mannschaft ließ ihn in wichtigen Spielen auch einfach im Stich.

Stögers Halbwertszeit war von Beginn an kurz taxiert, insofern ist das Taktieren und Sich-Winden von Watzke und Zorc nur noch weniger nachzuvollziehen. In einigen Details erinnert das Zögern und Zaudern schon wieder an die Schlammschlacht mit Thomas Tuchel vor ziemlich genau einem Jahr. So richtig gelernt hat der BVB aus der Sache von damals offenbar nicht. Momentan wirkt der Klub schon wieder eher überfordert als Herr der Lage.

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