Sportlich zurück in Europas erweiterter Spitze, wirtschaftlich neuerdings steinreich: Wie geht der BVB nach dem Abgang von Ousmane Dembélé mit seinen Millionen um? Lässt sich ein überragender Einzelkönner ersetzen, ohne den Transfer-Wahnsinn mitzugehen oder die Vereinspolitik zu ändern?

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102 Millionen Euro. 45 weitere durch Bonus-Zahlungen. Teuerster Transfer der Bundesliga-Geschichte und hinter Neymars Wahnsinns-Wechsel für 222 Millionen vom FC Barcelona zu Paris St. Germain zweitteuerster Deal der Geschichte.

Ousmane Dembélé ersetzt nach seinem Abgang von Borussia Dortmund nicht nur den brasilianischen Weltstar bei den Katalanen.

Er sorgt nicht nur für zuvor ungeahnte Möglichkeiten bei einem plötzlich neureichen Klub aus dem Ruhrpott.

Er setzt die Borussen auch unter Druck - und könnte die Vereinspolitik nachhaltig verändern.

Dortmunds Millionen wecken Begehrlichkeiten

15 Millionen kostete der französische Flügelspieler einst, als er im Juli 2016 von Stade Rennes kam, um vor wenigen Wochen fast für das Zehnfache - inklusive Boni - zu einem der weltbesten Klubs weiterzuziehen.

"Das ist sportlich eine Schwächung, da müssen wir nicht lange drum herum reden", erklärte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz, schon bevor der Wechsel über die Bühne ging.

Er erklärte auch über das Ansinnen der Verpflichtungen von potentiellen Nachfolgern: "Einen Spieler wie Ousmane kannst du nicht eins zu eins ersetzen."

Dortmund hat nun nicht nur frisches Geld auf dem Konto, sondern auch ein Problem. Auf der Suche nach adäquatem Ersatz für den torgefährlichen Dribbler gilt: Mit welchen Vereinen Sportdirektor Michael Zorc in künftigen Vertragsverhandlungen auch spricht, dürften sich deren Klub-Bosse schon die Hände reiben.

Im ohnehin astronomischen Wettbieten sollen sich solvente Borussen ihre Objekte der Begierde auch etwas kosten lassen. Klopft Dortmund an, ist das Klingeln in den Köpfen und Kassen quasi schon zu hören - der BVB sitzt in der Geldfalle.

Yarmolenko erster Neu-Borusse nach dem Geldregen

Mit Stürmer Andrey Yarmolenko von Dynamo Kiew hat Dortmund eine erste Reaktion auf dem Transfermarkt gezeigt. Der Wechsel des 27 Jahre alten Stürmers aus der Ukraine wurde kurz vor Ende der Transferperiode klar gemacht.

Für eine Ablösesumme von vergleichsweise läppischen 25 Millionen Euro, die jedoch nur auf den ersten Blick als Schnäppchen wirkt, ist der erste Dembélé-Nachfolger fix.

Aber: Ein Flügelflitzer desselben Kalibers ist er nicht. Auch kein Talent, das es zu formen gilt, sondern ein fertiger Spieler, der sich allerdings noch nicht bei Europas ganz großen Klubs bewiesen hat.

Während der Neu-Katalane ein flexibler, beidfüßiger und torgefährlicher Außenbahnstürmer ist und seine großen Stärken in Eins-gegen-Eins-Duellen hat, besticht Yarmolenko eher mit Wucht.

Der Linksfuß ist ebenfalls schnell. Mit 1,89 Metern aber geradezu ungelenk im Vergleich zu jenem Akteur, der immer wieder in der Bundesliga und speziell im Halbfinale und Finale des DFB-Pokals gegen Bayern München und Eintracht Frankfurt bewies, dass er in den entscheidenden Situationen den Unterschied ausmachen kann.

Fest steht, nicht zuletzt aufgrund Watzkes Aussage: Yarmolenko ist nicht als gleichwertiger Ersatz zu betrachten - und in dieser Form auch nur möglich gewesen, weil der BVB bereits seit längerer Zeit am dreifachen ukrainischen Meister und Nationalspieler baggerte.

Watzke: "Wir wollen die Gruppenphase überstehen"

Auf der Suche nach weiteren Offensiv-Waffen wird es Dortmund künftig nicht leichter haben. Im Gegenteil: Man zählt, gut ein Jahrzehnt nach der Fast-Insolvenz 2005 und komplizierter Folgejahre der Sanierung, nicht nur zu den Top-Teams in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene sportlich wie finanziell zum erweiterten Kreis.

Watzkes Ambitionen lassen keine Zweifel zu: "An der eigentlichen Zielsetzung, dass wir uns immer für die Champions League qualifizieren wollen, und dort die Gruppenphase überstehen wollen, davon machen wir keine Abstriche", stellt der 58-Jährige klar.

Neuzugang Yarmolenko stößt ins gleiche Horn: "Ich bin sehr dankbar, dass Dynamo Kiew mir meinen Traum erfüllt hat, zu einem großen europäischen Klub wechseln zu dürfen! Ich werde in jedem Training hart arbeiten, um dem BVB dabei zu helfen, seine höchsten Ziele zu erreichen - um die geht es mir immer", erklärt der Neuzugang auf der klubeigenen Homepage und stellt dabei gleichzeitig klar, in welchen Sphären er den BVB wähnt.

Welchen Weg schlägt der BVB ein?

Doch wo steht der BVB wirklich, und welchen Weg schlägt er ein? Wird er weiter die bisherige Politik vorantreiben, junge Top-Talente wie Dembélé (aus Rennes), Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang (St. Etienne) und Dan-Axel Zagadou (PSG) aus Frankreich verpflichten?

Oder wird er versuchen, bei den großen Klubs zu wildern und sich verstärkt am Transfer-Wahnsinn zu beteiligen?

Nicht zu unterschätzender Faktor: Nach den Meisterjahren 2011 und 2012, dem Einzug ins Champions-League-Finale (2013) und regelmäßigen Auftritten in der Königsklasse sind auch die Erwartungen der eigenen Anhängerschaft gestiegen, sie dürsten nach Erfolg.

In den kommenden Monaten und Jahren wird ein schwerer Balanceakt auf die Schwarz-Gelben zukommen.

Finanzielle Mittel sinnvoll investieren, dem eigenen Stil nach Möglichkeit bei maximalem sportlichen Erfolg treu bleiben: eine große Herausforderung für den neuen Trainer Peter Bosz sowie Zorc und Watzke - und der Gang in eine ungewisse Zukunft.

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