• Michael Masi ist seit 2019 der Rennleiter der Formel 1 und somit quasi der Schiedsrichter der Königsklasse.
  • In dieser Saison stand er schon häufiger in der Kritik, nach dem kontroversen Saisonfinale bekam er die volle Breitseite ab.
  • Gut möglich, dass der Australier seinen Posten räumen muss oder gar freiwillig geht. Die Verantwortlichen haben auf die Vorkommnisse bereits reagiert.

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Michael Masi hat es gewusst. Ihm war klar, dass er es schwer haben würde als Rennleiter der Formel 1, als Schiedsrichter der Motorsport-Königsklasse.

"Charlies Fußstapfen werden immer zu groß sein", hatte er im vergangenen Jahr bei Sky gesagt. Charlie – das ist Charlie Whiting, sein Vorgänger auf einem der wichtigsten und zugleich undankbarsten Posten der Formel 1. Für Masi ist der Job sogar doppelt undankbar, denn Schiedsrichter haben es in keiner Sportart leicht. Und wenn der Vorgänger dann noch eine erfahrene und beliebte Respektsperson war, kann es kompliziert werden.

Das zeigte sich in der abgelaufenen Saison, mit dem negativen Höhepunkt beim kontroversen Finale in Abu Dhabi. Dort war der 42-Jährige der gefragteste Mann, der wichtigste – und am Ende der einsamste.

Masi hatte sich in dieser Saison öfter angreifbar gemacht, beim Finale wirkten seine Entscheidungen wie so oft ein wenig chaotisch, nicht stringent, zu langsam, wenn auch am Ende gut gemeint. Denn die Formel 1, die Fans, sie bekamen das Finale furioso der beiden Titelrivalen Max Verstappen und Lewis Hamilton.

Nach furiosem Formel-1-Finale: Mercedes gießt Öl ins Feuer

Eine allerletzte Runde, drei Kilometer am Rande des Wahnsinns – dass er in der Safety-Car-Phase das Reglement nicht ganz sauber bediente, sorgt nun dafür, dass er der Buhmann ist, dass er in den Augen der Kritiker Verstappen zum Weltmeister gemacht hat.

Denn er hatte zunächst entschieden, dass sich die fünf überrundeten Autos zwischen Hamilton und Verstappen nicht zurückrunden durften, gab dafür dann aber doch grünes Licht und das Rennen laut Reglement eine Runde zu früh wieder frei. Verstappen holte sich frische Reifen, Hamilton nicht, im direkten Duell hatte der Brite dann keine echte Chance.

Aber: Hätte sich Masi zu 100 Prozent an die Regeln gehalten, wäre Hamilton hinter dem Safety Car ins Ziel gebummelt und auf diese Art Weltmeister geworden. Wäre das besser gewesen? Wohl nicht, doch natürlich gießt auch Mercedes mit den noch am Sonntag abgewiesenen Protesten und einer möglichen Berufung Öl ins Feuer. Man kennt es auch aus anderen Sportarten: Als Schiedsrichter kann man es niemanden recht machen. Und im Nachhinein ist man sowieso immer schlauer.

Masi bekam deshalb die volle Breitseite der Kritik ab, auch vermischt mit Mitleid und Verständnis. Denn es ist sehr oft ein Reflex, dass sich die Verlierer auf den Unparteiischen stürzen. Bei Masi waren es sogar die Gewinner, weil er sich über das Jahr mit inkonstanten Entscheidungen angreifbar gemacht hat.

Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko drohte unverhohlen mit Ausstieg, sollten sich in Zukunft bei Dingen wie Regeln, deren Auslegung und den Strafen nichts ändern. "Nachdem so viele Fehler und hinterfragungswürdige Entscheidungen gefällt werden, ist sicher großer Handlungsbedarf. Jetzt kommt ja ein Präsident, also der möchte als erstes hier ansetzen", forderte Marko.

Schweres Erbe als Nachfolger von Charlie Whiting

Masi könnte nun den Job verlieren, bei dem er von Anfang an nur verlieren konnte. Denn immer wieder wird der Name Whiting im gleichen Atemzug genannt. Ihn beerbte Masi, als der beliebte Rennleiter 2019 vier Tage vor dem Auftakt in Australien überraschend an einer Lungenembolie verstarb.

Masi kommt aus der V8-Supercar-Serie, war Rennleiter in der Formel 3, Formel 2 und Formel E – und sollte in Ruhe als Nachfolger von Whiting aufgebaut werden, ehe er 2019 dann doch von jetzt auf gleich an vorderster Front stand. Und mit der Ruhe war es fortan vorbei für den 42-Jährigen. "Man muss Mitleid mit ihm haben. Die ganze Welt schaut ihm zu, und er muss innerhalb von 15 Sekunden entscheiden, was er tut", sagte Ex-Weltmeister Nico Rosberg.

Fakt ist, dass mit der sportlichen Ausgeglichenheit zwischen Red Bull Racing und Mercedes auch der Druck stieg, dazu aber auch Masis Fehlerquote. Dass der Funkverkehr zwischen den Teams und Masi im Weltbild abgespielt wurde, sollte der Unterhaltung dienen, wurde stattdessen aber Masi zuletzt zum Verhängnis, als – jahrelang übliche – Verhandlungen zwischen ihm und einem Team als Basar kritisiert wurden. Das Problem: Als Rennleiter hält er den Kopf hin, muss Entscheidungen erklären, auch wenn er sie nicht alle alleine trifft.

Masi wird angegangen – und die Welt hört mit

Hinzu kam: Immer wieder redeten die Teamchefs Christian Horner und Toto Wolff auf Masi ein, stellten in Abu Dhabi Forderungen, kritisierten, monierten und übten so jede Menge Druck aus. Bei allem Verständnis für die Emotionen - es wirkte am Ende fast schon ein wenig peinlich, dass sich Masi um zwei Männer in verantwortungsvollen Positionen wie um zwei dauerhaft quengelnde Kinder kümmern musste. Immerhin: Die Formel 1 wird den direkten Kontakt während der Rennen 2022 wohl wieder verbieten, das kündigte Sportchef Ross Brawn an.

Der ehemalige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug nimmt Masi bei "ServusTV" in Schutz. "Charlie Whiting war als Chefmechaniker Weltmeister und ein Wunder an Ausgeglichenheit, ein Mega-Talent. Ihm nachzufolgen, ist nicht einfach", sagte Haug, meint aber auch: "Ich war von der Cleverness und den Entscheidungen von Masi durchaus beeindruckt."

Tatsächlich ist es bewundernswert, wenn Masi in aller Seelenruhe einen tobenden Wolff mit dem Satz "Toto, das nennt sich Autorennen" ausbremst. Denn das war seit seinem Amtsantritt sein Credo: "Let them race". Lasst sie Rennen fahren. Also genau das, was die Teams auch wollten. Und auch die Fans.

Doch das Kind ist nach dem Finale in den Brunnen gefallen. Die Mercedes-Proteste unmittelbar nach dem Rennen waren bereits ein Tiefschlag, die drohende Berufung ist für Masi, aber auch für die Formel 1 eine Katastrophe. Da ist es inzwischen egal, wie die Nummer ausgeht: Der Schaden ist angerichtet.

Verwendete Quellen

  • Übertragung ServusTV
  • Sky-Übertragung
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