Das ernüchternde Remis in Heidenheim bestätigte die leisen Vorbehalte der letzten Wochen: Borussia Dortmund hat besonders im eigenen Ballbesitz immer noch große Schwierigkeiten. Die vielen Verletzten dürfen dabei nicht als Ausrede gelten.

Mehr News zum Thema Sport

Niclas Füllkrug hat nach dem enttäuschenden Remis von Heidenheim ein paar bemerkenswerte Sätze formuliert. „Die Heidenheimer schaffen es immer, das Spielfeld sehr lang zu machen. Dadurch entstehen große Räume, und so ist es fast die gesamte Zeit ein Hin und Her gewesen“, sagte Dortmunds Mittelstürmer unter anderem und fügte sinngemäß noch hinzu, dass das Spielfeld immer wieder quasi zweigeteilt gewesen sei.

Nun mag das auf den ersten Blick als Lob für den renitenten Aufsteiger durchgehen, der dem BVB - wie allerdings auch nicht anders zu erwarten an diesem unwirtlichen Ort mit seinem aufgeweichten Rasen - das Leben so ungeheuer schwer gemacht hat.

„Die Heidenheimer schaffen es immer, das Spielfeld sehr lang zu machen."

Niclas Füllkrug, BVB-Mittelstürmer

Im Umkehrschluss könnten Füllkrugs Worte aber auch derart interpretiert werden, dass dem BVB gegen vergleichsweise einfache Heidenheimer Bordmittel nichts eingefallen ist. Dass sich der turmhohe Favorit das Spiel des Underdogs hat aufzwingen lassen - um dann in diesem Lauf- und Kampfspiel mit fast gleichen Waffen keine Lösungen mehr zu finden. Was immer noch sehr für die frechen Heidenheimer spricht. Aber eben auch sehr gegen Borussia Dortmund.

Nur ein vernünftiger Angriff in 90 Minuten

Auf dem Schlossberg versuchte es die Borussia in Abwesenheit von neun Spielern mit einem flachen 4-4-2, also zwei nominellen Sechsern und zwei Angreifern in der letzten Linie. Im Spielaufbau formte sich die Grundordnung zumeist um in einen 3+2-Aufbau mit einem abkippenden Sechser zwischen den Innenverteidigern und einem wie schon in den Spielen davor eingerückten Ian Maatsen als Unterstützung im zentralen Mittelfeld. Marcel Sabitzer rückte dafür eine Linie höher, um eine bessere Gegnerbindung hinter den ersten beiden Aufbaulinien zu gewährleisten.

Auf dem Papier war das eine ordentliche Idee für den geordneten Spielvortrag. In der Praxis wurde der aber kaum einmal entsprechend umgesetzt. Weil, und das hat die Partie in Heidenheim auch gezeigt, der Mannschaft in Abwesenheit ein paar wichtiger Feldspieler und damit höherer individueller Qualität immer noch eine breite Basis an Abläufen und gelernten Spielmustern fehlt, um einen gut pressenden Gegner in Bewegung und damit aus den Positionen zu bekommen.

Ein einziges Mal hat das funktioniert, als der BVB fast schon wieder in Heidenheims Pressingfalle getappt war und Thomas Meuniers harter Einsatz den Ball doch noch sichern konnte. Gegen nun mit sechs Spielern aufgerückte Heidenheimer spielte die Borussia einen Angriff wie vom Reißbrett: Mit einem Vertikalpass direkt auf den kurz kommenden Angreifer, einem Klatschball auf den Achter, einem Zuspiel auf den ballfernen Angreifer und am Ende einem Tiefenball auf den einlaufenden Flügelspieler. Süle, Füllkrug, Sabitzer, Moukoko, Malen: Das war die Passkette. Fünf schnelle Kontakte und Laufwege.

So könnte Fußball funktionieren, wenn die Abläufe klar sind. Dass Borussia Dortmund einen Angriff dieser Güteklasse in 90 Minuten nur einmal zustande bekommt, hat allerdings weniger mit dem Gegner zu tun, sondern vielmehr damit, dass selbst einfachste Stilmittel allenfalls sporadisch zum Einsatz kommen.

Wo sind die klaren Abläufe im Spielaufbau?

Deshalb stockt Dortmunds Spielvortrag immer noch zum Teil gewaltig, erweisen sich die Vorbehalte nach den Siegen gegen Darmstadt, Köln und Bochum nicht als unbegründet. Dass Salih Özcan oder später auch Emre Can keine formidablen Aufbauspieler sind, weil es ihnen an Kreativität und bisweilen auch Ballsicherheit und Pressingresistenz fehlt, ist hinlänglich beschrieben.

Dass der BVB aber in tiefen Aufbauphasen Stilmittel wie das Spiel über den Dritten kaum nutzt, deshalb selten mutig ins gegnerische Pressing spielt, um den Anlaufreiz auszulösen und den Gegner dann in dessen Rücken zu erwischen, ist ein anderes Thema. Und Sache des Trainerteams, das in dieser Beziehung auch nach bald fünf Wochen der Übungszeit über erste Ansätze offenbar nicht hinaus kommt.

Heidenheim bot dem BVB ein „langes Spielfeld“ quasi schon an, wie Füllkrug erzählte. Was letztlich dazu geführt haben mag, dass es weniger Mittelfeldspiel und ein schnelleres Hin und Her gab, das Spiel also wilder wurde, was immer der technisch unterlegenen Mannschaft in die Karten spielt.

Nur muss die bessere Fußballmannschaft - und die stellte trotz aller Ausfälle immer noch die Borussia - dann in der Lage sein, das Spiel ruhig und kontrolliert ablaufen zu lassen. Und den Gegner mehr als nur einmal in 90 Minuten auseinander zu spielen.

Dazu war der BVB in Heidenheim jedenfalls nicht in der Lage, was einiges über die generelle Eignung der Sechser, aber auch des kaum vorhandenen Dortmunder Spielrhythmus‘ aussagt. Die vermeintlich leichten Gegner sind jetzt bespielt, die Aufgaben in den kommenden Wochen werden sukzessive schwerer. Sich dabei lediglich auf die Rückkehr einiger Spieler zu verlassen, wäre fatal. Mit einer Leistung wie in Heidenheim dürfte es in den nächsten Spielen nicht mal zu diesem einen Punkt reichen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.