China möchte die Weltmacht Nummer eins werden - nicht zuletzt auch im Sport. Um dieses Ziel zu erreichen, tüftelt die Sportfabrik China am perfekten Produktionsprozess für die Ware Mensch.

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Das Reich der Mitte strebt nach Gold - und zwar nach olympischem Gold. In diesen Tagen findet in China der Kongress der Kommunistischen Partei statt.

Präsident Xi Jinping hat erneut unterstrichen, welch große Bedeutung der Sport hat. Und das in zweierlei Hinsicht:

Einmal möchte China das Problem mit Übergewicht und Diabetes in der Bevölkerung in den Griff kriegen. Noch wichtiger aber ist, dass der Leistungssport Ruhm über die Volksrepublik bringt.

"China möchte die USA bei den Olympischen Spielen als Nummer eins ablösen und die meisten Goldmedaillen holen", erklärt Dr. Dr. Andreas Tank im Gespräch mit unserer Redaktion.

Fußball als Pflichtfach in der Schule

Der Unternehmensberater und Buchautor lebt in Shanghai und weiß: "Auch sportliche Erfolge sollen als Beleg dafür dienen, wie erfolgreich die Wirtschafts- und Öffnungspolitik ist, die China seit 1980 eingeschlagen hat."

Mit welch einem Hauruckverfahren China sportliche Erfolge erzwingen möchte, hat in den letzten Jahren der Fußball gezeigt. Aberwitzige Millionenbeträge wurden ausgegeben, um Top-Stars wie Carlos Tevez in das Reich der Mitte zu locken.

Damit nicht genug: Fußball wird als Pflichtfach in der Schule eingeführt. Bis zum Jahre 2025 sollen landesweit 50.000 Fußballakademien und 70.000 Fußballplätze eröffnet werden.

Und das alles nur, weil Xi Jinping angeordnet hat, dass China eines Tages Fußball-Weltmeister werden soll.

"China stand in der FIFA-Weltrangliste mit ihren 1,4 Milliarden Einwohnern zeitweise hinter den Färöer Inseln mit 50.000 Einwohnern - das ging gegen die Ehre", weiß Tank.

Nicht nur der Fußball genießt hohen Stellenwert. In der "Sportfabrik China" werden alle olympischen Disziplinen intensiv gefördert.

Talentschau in der Grundschule

Tischtennis ist die wichtigste Volkssportart. Auch andere Sportarten wie Badminton oder Basketball sind extrem beliebt. Talente werden hier weitaus früher gesichtet als es in Deutschland der Fall ist.

"Das Fördersystem in China erinnert an das System von Russland oder der ehemaligen DDR", erklärt Tank. "Es gibt an den chinesischen Schulen viel mehr sportliche Wettkämpfe als in den deutschen Schulen. Bereits ab dem Beginn der Grundschule findet eine systematische Sichtung statt, um Kinder mit sportlichen Talenten herauszufischen."

Früh werden die Weichen auf eine Karriere im Leistungssport gelegt. Während in Deutschland Jugendliche normalerweise nicht vor dem 15. Lebensjahr auf ein Sportinternat ziehen, geschieht in China selbiges bereits im Grundschulalter - auch wenn die Kindheit dann auf der Strecke bleibt.

Tank erklärt: "Es gibt hier ein System mit verschiedenen schulischen Einrichtungen - von den Sport- und Wettkampfschulen bis hin zu den Hochleistungssportschulen. Je nach Talent können die Kinder sich für eine bessere Einrichtung empfehlen."

Sport ist auch die Hoffnung auf Wohlstand

Gerade einkommensschwache Familien unterstützen es, wenn die Kinder zu Leistungssportlern herangezüchtet werden. Bietet der Sport doch oftmals die einzige Hoffnung auf ein Leben im Wohlstand.

Armut ist in China noch immer weit verbreitet. Dementsprechend groß ist der Druck - nicht nur aus finanziellen Gründen.

"Es ist das Ziel aller Chinesen, aus der Anonymität der großen Menschenmasse hervorzutreten und ein Gesicht zu gewinnen", sagt Tank.

Nach Beendigung der Schulzeit gibt es verschiedene Förderprogramme, damit sich die Athleten voll auf ihren Sport konzentrieren können. Das chinesische Militär, die sogenannte Volksbefreiungsarmee, vergibt zum Beispiel Förderplätze.

Selbiges gibt es auch in Deutschland bei der Bundeswehr und der Polizei - allerdings in geringerer Anzahl.

Das chinesische Sportministerium legt den Fokus vor allem auf Sportarten, in denen China der Konkurrenz hinterherhinkt. Das gilt speziell für die Leichtathletik, Schwimmen und Outdoor-Wassersportarten wie Rudern oder Kanu.

Rang eins in der Medaillenwertung ist Staatsziel

Nach den Olympischen Sommerspielen 2000 wurde das "Projekt 119" ins Leben gerufen.

Zur Erklärung: 119 Goldmedaillen wurden bei Olympia 2000 in den besagten Sport-Bereichen vergeben. China gewann nur eine einzige davon, die USA hingegen 20.

Diese Lücke sollte geschlossen werden, um mit der Sport-Übermacht USA gleichzuziehen. In anderen Sportarten wie Tischtennis oder Turnen räumt China ohnehin die Medaillen ab.

Bereits bei der Heim-Olympia 2008 landete die Volksrepublik China an Position eins der Medaillenwertung - zum ersten und bislang einzigen Mal. Es gelang allerdings nicht, sich auf diesem Level zu behaupten.

Bei Olympia 2012 belegten sie im Medaillenspiegel Position zwei hinter den USA. Bei Olympia 2016 schob sich auch noch Großbritannien dazwischen.

Tank glaubt, dass sich das bald ändern wird: "Trotz des Projektes 119 hinkt China in der Leichtathletik oder im Schwimmen noch immer hinterher. Wenn China es aber gelingt, sich in diesen Sportarten zu verstärken, werden sie dauerhaft die Nummer eins sein."

Angesichts der hohen Bevölkerungsanzahl und der intensiven Förderung dürfte das nur eine Frage der Zeit sein.



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