Bund und Länder ringen um die geplante Krankenhausreform. Viele Menschen fragen sich: Wird durch die Reform wirklich vieles besser oder verschlechtert sich vielleicht sogar die medizinische Versorgung?

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In diesen Tagen häufen sich Berichte von Krankenhäusern in Kleinstädten, die kurz vor der Pleite stehen. Viele Menschen machen sich gerade Sorgen und fragen sich: Wer hilft mir dann im Notfall, wenn die Klinik schließen muss? Was hat das mit dem andauernden Streit zwischen Bund und Ländern über die Krankenhausreform zu tun? Und was bedeutet das alles für Menschen, die sich eine gute Gesundheitsversorgung in Deutschland wünschen?

Warum ist eine Krankenhausreform nötig?

Dass es mit den Krankenhäusern in Deutschland nicht optimal läuft, ist schon lange klar. Fachleute bemängeln unter anderem, dass im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die Krankenhäuser in Deutschland sehr hohe Kapazitäten haben – oder anders ausgedrückt: Es gibt zu viele Betten. Zu große Behandlungskapazitäten vorzuhalten, kostet eine Menge Geld und gleichzeitig fehlt oft das dafür nötige Pflegepersonal. Außerdem werden in Deutschland überdurchschnittlich viele Patient:innen im Krankenhaus behandelt und bleiben relativ lange dort. Die Crux dabei: Wenn eine Krankheit in einer Arztpraxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum genauso gut behandelt werden kann, ist das für das Gesundheitssystem deutlich billiger als eine Behandlung im Krankenhaus.

Das deutsche Krankenhaus-System gilt auch als nicht besonders effizient. Denn häufig bieten Krankenhäuser, die nah beieinander liegen, die gleichen Leistungen an. Auf der anderen Seite müssen aus Geldnot immer wieder ganze Abteilungen schließen, zum Beispiel für Geburtshilfe. Das macht die Situation für Schwangere in manchen Regionen sehr schwierig.

Dazu kommt: Die Qualität der Behandlung ist nicht in jedem Krankenhaus gleich. Fachleute weisen schon länger darauf hin, dass es zu nachweislich besseren Ergebnissen führt, wenn Ärzt:innen und Pflegepersonal viel Erfahrung mit einer bestimmten Behandlung haben. Spezialisierte Kliniken schneiden gerade bei komplexen Behandlungen besser ab als kleine Kreiskrankenhäuser. Bisher gibt es aber nur in wenigen Bereichen Vorschriften, welche Behandlungen eine Klinik durchführen darf. Das heißt: Einige Kliniken bieten bestimmte Therapien an, obwohl sie damit noch nicht viel Erfahrung haben.

Gleichzeitig geht es vielen Krankenhäusern in Deutschland finanziell nicht besonders gut. Ein wichtiges Problem dabei: Ihre Einnahmen bestehen fast ausschließlich aus dem Geld, das sie von den Krankenkassen für die Behandlung von Patient:innen bekommen, den sogenannten Fallpauschalen. Die sind aber eigentlich nur für die laufenden Kosten, etwa Medikamente, Material oder Energiekosten gedacht. Doch manchmal sind auch Neubauten, Erweiterungen oder neue Geräte nötig. Für solche Investitionskosten sollen eigentlich die Bundesländer aufkommen. In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sie jedoch ihre Verpflichtungen häufig mit dem Argument vernachlässigt, dass die Kliniken effektiver wirtschaften sollen. Nach Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zahlten die Länder 2019 mit gut drei Milliarden Euro nur die Hälfte dessen, was eigentlich gebraucht wird.

Doch die Finanzierungslücke wird auch dadurch größer, dass die Einnahmen durch Fallpauschalen nicht im gleichen Maße wachsen wie die Ausgaben, die für Krankenbehandlungen nach Fachstandards nötig sind. Und dabei ist der Faktor Inflation noch nicht einmal berücksichtigt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will alle diese Probleme mit einer grundlegenden Krankenhausreform angehen: Kliniken sollen unter anderem nicht mehr gezwungen sein, massenhaft Behandlungsfälle abzurechnen, um über die Runden zu kommen. Über viele Details der Reform diskutieren Bund und Länder jedoch intensiv – und das nun schon seit Monaten. Warum?

Warum dauert es mit der Krankenhausreform so lange?

Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung legte fest, dass eine Kommission Leitplanken für eine Reform erarbeitet und zu einzelnen Aspekten Stellung nimmt. Bisher sind neun Stellungnahmen der 17-köpfigen Kommission erschienen. Die Kommissionsmitglieder sind Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen der Medizin, der Medizinökonomie und des Medizinrechts. Sie stellten im Dezember 2022 die Grundzüge der Krankenhausreform vor. Bund und Länder einigten sich im Juli 2023 auf ein Eckpunktepapier, das die Struktur der Reform festlegt.

Eigentlich sollte die Reform schon am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Doch die Verhandlungen mit den Ländern und die Beratungen im Parlament verliefen nicht so, wie es sich der Minister gewünscht hatte. Ein vorgeschaltetes Gesetz, das die Transparenz zur Behandlungsqualität der Krankenhäuser neu regeln sollte, wurde am 24. November 2023 vom Bundesrat abgelehnt. Bund und Länder einigten sich erst am 21. Februar 2024 darauf, dass der sogenannte Klinik-Atlas kommen kann. Der Bundesrat muss im März allerdings noch formal zustimmen. Der Minister rechnet mit einem Start des Klinik-Atlas zum 1. Mai 2024. Die erste Version wird aber vermutlich nicht alle vorgesehenen Daten enthalten, der Atlas soll nach und nach erweitert werden.

Den Kern der Krankenhausreform wird das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) regeln. Damit wird sich das Bundeskabinett voraussichtlich am 24. April 2024 beschäftigen. Danach muss der Bundestag grünes Licht geben. Punkte, die Landesrecht betreffen, sollen durch Rechtsverordnungen geregelt werden, denen die Länder zustimmen müssen. Realistisch betrachtet könnte die gesamte Reform Anfang 2025 in Kraft treten und schrittweise bis 2029 in der Praxis ankommen.

Was sind die Ziele der Krankenhausreform?

Mit der Krankenhausreform verfolgt Karl Lauterbach drei zentrale Ziele: Entökonomisierung, Entbürokratisierung sowie Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität.

Daneben will der Bundesgesundheitsminister mit der Reform die Versorgungssicherheit gewährleisten. Das heißt, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu den Behandlungen haben, die sie benötigen. Dieses Ziel ist für Flächenländer wie zum Beispiel Niedersachsen oder Thüringen schwieriger umsetzbar als für Stadtstaaten wie Berlin oder Hamburg. Kliniken sollen für die leichtere Planung einer von drei Versorgungsstufen zugeteilt werden: Regelversorgung, Schwerpunktversorgung und Maximalversorgung (siehe unten).

Wie unterscheiden sich Kliniken nach der Reform?

Künftig legen die Länder bei der Krankenhausplanung fest, zu welcher Gruppe eine Klinik gehört. Nach dem ursprünglichen Plan der Reform sollen Krankenhäuser aber bundesweit einheitlich in drei verschiedene Gruppen unterteilt werden:

  1. Krankenhäuser der Maximalversorgung. Dazu gehören vor allem Uni-Kliniken, die überregional auch Behandlungen für Krankheiten anbieten, die im Vergleich seltener vorkommen und/oder eine sehr spezialisierte Versorgung benötigen.
  2. Regionale Krankenhäuser der Regel- und Schwerpunktversorgung. Sie sollen sowohl regional häufig vorkommende Krankheiten behandeln, die eine spezialisierte Versorgung benötigen, als auch die regionale Notfallversorgung sicherstellen. Zugleich sieht die Reform ein Anreizsystem vor, das weniger die Menge der durchgeführten Behandlungen belohnt als den Fokus auf bestimmte Leistungen. Schwerpunktkrankenhäuser sollen sich auf bestimmte Leistungen fokussieren und die dafür nötige Ausstattung vorhalten.
  3. Level-1i-Krankenhäuser sollen das Bindeglied zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sein. Sie sollen wohnortnah die medizinische Grundversorgung sicherstellen. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen, wie Pflege, Physio- und Ergotherapie sowie Ärzt:innen und sozialmedizinischen Angeboten geplant.

Bei komplexen Behandlungsfällen, wie zum Beispiel bei Schlaganfällen, die auf dem Land das nächstgelegene Krankenhaus nicht angemessen versorgen kann, müssen Patient:innen nach der Reform unter Umständen weitere Wege in Kauf nehmen – für die auch entsprechende Transportmöglichkeiten bereitgehalten werden müssen, im Zweifel Luftrettung. Verbessert sich der Zustand eines Patienten, wird er aber wahrscheinlich zeitnah in eine Klinik einer niedrigeren Versorgungsstufe verlegt. Das wird zwar auch heute schon so gehandhabt, aber die Zahl dieser Fälle wird sich durch die Reform erhöhen. Eine zu frühe Zurückverlegung kann allerdings Risiken für die Patient:innen bergen. Außerdem erhöht sich insgesamt der Koordinierungsaufwand für das System.

Im Idealfall heißt das aber auch: Patient:innen können sicher sein, dass sich die Klinik mit ihrer Krankheit gut auskennt. Bei einem Schlaganfall hilft ein spezialisiertes Krankenhaus weiter, den unkomplizierten Armbruch kann auch die Klinik um die Ecke versorgen.

Was soll sich bei der Finanzierung ändern?

Mit Entökonomisierung ist vor allem die Abkehr von der starren Vergütung nach Fallpauschalen gemeint. Das sogenannte DRG-System legt fest, welchen Preis die Krankenkassen für welche Behandlung bezahlen. Wie viel Geld das Krankenhaus bekommt, richtet sich danach, wie viele Patient:innen aus welcher Fallgruppe behandelt wurden.

In Zukunft sollen Krankenhäuser nicht mehr darauf angewiesen sein, möglichst viele lukrative Behandlungen abzurechnen: Also solche mit einer hohen Fallkostenpauschale, aber vergleichsweise geringen Kosten für die Klinik, etwa beim Personal. Zusätzlich sollen Krankenhäuser eine feste Vergütung dafür bekommen, dass sie bestimmte Leistungen vorhalten, auch wenn Patient:innen sie nicht regelmäßig in Anspruch nehmen (sogenannte Vorhaltepauschale). Außerdem sollen die Fachbereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Schlaganfallversorgung, Spezielle Traumatologie, Intensivmedizin und Notfallversorgung einen zusätzlichen Zuschlag bekommen. Denn hier brauchen die Kliniken viel Personal für eine gute Versorgung.

Die Pflege soll wie bisher schon durch das Pflegebudget abgedeckt werden. Dieses Budget bekommen die Krankenhäuser von den gesetzlichen Krankenkassen zusätzlich zu den Fallpauschalen. Es soll sicherstellen, dass Kliniken genug Geld für die Pflege haben und nicht versuchen, Kosten zu sparen, indem sie Pflegestellen abbauen – wie in der Vergangenheit häufig passiert.

Diese Maßnahmen sollen für 60 Prozent der Krankenhauseinnahmen sorgen. Die restlichen 40 Prozent sollen wie bisher nach Fallzahlen pauschal abgerechnet werden.

Was bedeutet das für die Qualität bei Krankenhausbehandlungen?

Die Entökonomisierung soll auch zur Entbürokratisierung beitragen. Zusätzlich soll die Dokumentation der einzelnen Leistungen verschlankt werden, die bisher nötig war, um die Behandlungen abzurechnen und die Qualität zu überprüfen. Im Zuge der Reform wird schon, bevor eine Klinik eine Leistung erbringen kann, überprüft, ob sie die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt. So soll die nachträgliche Qualitätskontrolle zukünftig weitgehend entfallen.

Die Qualitätssicherung ist dem Bundesgesundheitsminister ein großes Anliegen. Dazu soll das Spektrum der medizinischen Leistungen in 65 Leistungsgruppen eingeteilt werden. Für sie gibt es dann bundeseinheitlich Mindestqualitätsanforderungen, die zukünftig jedes Krankenhaus erfüllen muss, das die entsprechende Leistung anbieten will. Die Länder überlegen in ihrer Krankenhausplanung, welche Leistungen wo benötigt werden. Dabei dürfen sie Ausnahmen von den Anforderungen definieren. So sollen auch Menschen, die beispielsweise in einer dünn besiedelten Region wohnen, eine ausreichende Gesundheitsversorgung erhalten. Wie die Leistungsgruppen genau aussehen und welche Anforderungen für sie bestehen, soll künftig fortlaufend weiterentwickelt werden.

Wie sollen Krankenhaus-Pleiten verhindert werden?

Nach der Krankenhausreform werden einige Krankenhäuser Leistungen, die sie bisher erbracht haben, nicht mehr anbieten können. Das könnte die Konkurrenz zwischen den Kliniken weiter erhöhen – vor allem in Leistungsgruppen, die gut bezahlt werden. Schon jetzt sehen sich viele Kliniken durch die Corona-Jahre und die hohe Inflation stark unter Druck. Fachleute befürchten, dass die für die Reform nötigen Investitionen zu weiteren Insolvenzen führen könnten. Für Patient:innen würde das im schlechtesten Fall bedeuten: Wenn die Klinik pleite geht, verschlechtert sich die Versorgung, weil das Land nicht so schnell gegensteuern kann.

Ein Transformationsfonds soll dies verhindern. Er soll die Kliniken bei notwendigen Umstrukturierungen finanziell unterstützen. Das Geld dafür soll vom Bund, von den Bundesländern und vom Gesundheitsfonds kommen. Dieser Fonds wird durch die Krankenkassenbeiträge der Versicherten sowie einem Bundeszuschuss gefüllt.

Zwischen 2026 und 2035 soll der Gesundheitsfonds 25 Milliarden Euro für die Transformation zur Verfügung stellen. Doch das könnte die Krankenkassenbeiträge in die Höhe treiben. Um 16 Milliarden Euro Mehrausgaben des Gesundheitsfonds gegenzufinanzieren, müssten die Beitragssätze um einen Prozentpunkt steigen. Die Krankenhausreform könnte also die Versicherten sehr viel Geld kosten.

Die Krankenkassen kritisieren, dass der Gesundheitsfonds für die finanzielle Unterstützung von Kliniken herangezogen werden soll. Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, postete auf der Plattform LinkedIn dazu: "Ja, es mag bequemer für einen Gesundheitsminister sein, statt sich mit dem Finanzminister anzulegen, lieber einfach den GKV-Versicherten in die Tasche zu greifen, nachhaltig und gerecht ist es nicht."

Einige Flächenländer haben noch ein anderes Problem: Wenn sie Leistungsgruppen zuteilen, die hoch spezialisiert sind, können diese Häuser sowohl Spezialfälle versorgen als auch die einfachen. Da die großen Häuser nicht alles schaffen, ist die Frage: Was passiert mit den leichten Fällen?

Fachleute befürchten, dass es ohne einen strukturierten Verteilmechanismus zu ethisch problematischen Entscheidungen kommen könnte, etwa wenn Patient:innen mit komplexen Problemen die Kapazitäten einer Klinik erschöpfen. Dann könnte es passieren, dass gerade jüngere Patient:innen mit medizinisch gesehen eher einfachen Problemen unnötig lange auf eine Behandlung warten müssen. Wünschenswert wäre ein Instrument, mit dem diese Fälle dann in Kliniken vermittelt werden, die zeitnah Kapazitäten frei haben.

Wie geht es mit der Reform jetzt weiter?

Die Bundesländer fordern unter anderem Nachbesserungen bei der Finanzierung und der Definition der Leistungsgruppen. Sie befürchten auch, dass vielen Kliniken bis zur vollen Umsetzung der Reform das Geld ausgeht. Deshalb schlagen sie ein Vorschaltgesetz vor: Der Bund soll eine Überbrückungshilfe finanzieren. Bayern will zudem eine Auswirkungsanalyse vorschalten.

Sowohl die Gesundheitsminister der Länder als auch die Mitglieder der Selbstverwaltung kritisieren, dass wesentliche Vorschläge weiterhin kein Gehör im Bundesgesundheitsministerium finden. Auch im Bundestag wurde schon hitzig über die Reform diskutiert. Deshalb bleibt abzuwarten, ob die Reform wirklich im nächsten Jahr in Kraft treten kann – und wie die Details ganz genau aussehen werden.

Verwendete Quellen:



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