Peer Steinbrück gilt als der gefährlichste Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel. Dabei hat er die bislang einzige Wahl, bei der er angetreten ist, verloren. Doch das stört die Genossen nicht, die in Steinbrück den erfolgreichen Ex-Finanzminister in der Euro-Krise sehen, der die SPD mit Kompetenz, "klarer Kante" und Wortgewalt in einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf führen soll.

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Seine Gegner sprechen gerne vom "Pannen-Peer" und meinen damit die diversen kleinen und größeren Ausrutscher des SPD-Kanzlerkandidaten im noch jungen Bundestagswahlkampf. Angefangen hat es mit dem Wahlkampfslogan "Das Wir entscheidet", der von einem Unternehmen für Leiharbeit verwendet wird. Blöd, dass sich die SPD gerade gegen Leiharbeit ausspricht.

Unvergessen auch Steinbrücks Äußerung zu den besseren Sympathiewerten der Kanzlerin: "Angela Merkel ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat." Auch die unsägliche Debatte über das Kanzlergehalt geht auf Steinbrücks Pannen-Konto. "Nahezu jeder Sparkassendirektorin Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin", polterte Peer Steinbrück Ende 2012. Dann wurden Steinbrücks Spitzenhonorare für Reden bekannt, die er bei Banken und Finanzinstituten hielt - insgesamt über eine Million Euro. Nicht gerade gute PR für jemanden, der die Banken bändigen will.

Die SPD steht hinter Steinbrück

Doch die SPD hat keine Alternative. So steht sie zu ihrem Kanzlerkandidaten, den sie ja gerade wegen seiner finanzpolitischen Expertise, seinem Selbstbewusstsein und seiner herausragenden Rhetorik gewählt hat. Dass sein loses Mundwerk und seine unbedachten Äußerungen manchmal übers Ziel hinausschießen, wussten sie vorher. Schließlich bezeichnete er seine Parteifreunde als Heulsusen und drohte der Schweiz mit der siebten Kavallerie von Fort Yuma.

Dass er trotzdem ein echter Sozialdemokrat ist, hat Steinbrück im April in Augsburg beim SPD-Parteitag bewiesen. Mit einer kämpferischen Rede konnte er die SPD, die ob der Eskapaden ihres Spitzenkandidaten langsam die Geduld und den Glauben an einen Regierungswechsel zu verlieren schien, wieder auf Kurs bringen.

Reden kann Peer Steinbrück eben. Mit seiner Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte einfach, prägnant und immer auch provozierend zu vermitteln, konnte er auch in den vergangenen drei Jahren die Genossen begeistern. So wurde aus dem Ex-Finanzminister, der es sich bereits als Hinterbänkler im Bundestag gemütlich gemacht hatte, doch noch der Hoffnungsträger der stolzen SPD.

Steinbrück - ein eher konservativer Sozi

Rückblick: Peer Steinbrück wurde als ältester von zwei Söhnen eines Architekten am 10. Januar 1947 in Hamburg geboren. Er wuchs in einem zunächst konservativen, später an Willy Brandt orientierten Haushalt auf. In der Schule war Steinbrück nicht besonders gut, zweimal blieb er sitzen, wechselte öfter die Schule, die er mit einem Fachabitur für Wirtschaft abschloss. 1968 ging er zur Bundeswehr, die er als Leutnant der Reserve 1970 verließ. Ein Umstand, der den linken Flügel der SPD immer wieder irritierte. Dabei entdeckte Steinbrück während der Bundeswehrzeit seine Liebe zur SPD, der er 1969 beitrat.

In Kiel studierte Steinbrück Volkswirtschafslehre und Soziologie. Mit einem Diplom als Volkswirt in der Tasche erhielt er 1974 seinen ersten Werkvertrag beim Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Kurz darauf heiratete Steinbrück die Biologie-Lehrerin Gertrud Isbary, mit der er drei Kinder bekommt, einen Sohn und zwei Töchter.

Steinbrück arbeitete als Persönlicher Referent für Hans Matthöfer, Volker Hauff und Andreas von Bülow im Bundesministerium für Forschung und Technologie, von 1978 bis 1981 war er Mitarbeiter von Helmut Schmid im Kanzleramt. Ein Ausflug zur Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin folgte, dann ein Referatsposten bei der SPD-Bundestagsfraktion von 1983 bis 1985. Im selben Jahr wechselte Steinbrück als Referent ins nordrhein-westfälische Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Johannes Rau holte sich 1986 den kompetenten Genossen als Büroleiter. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Björn Engholm machte Steinbrück 1990 zum Staatssekretär, Ministerpräsidentin Heide Simonis 1993 zum Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr. 1998 wechselte Steinbrück als Minister für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr zurück nach NRW. 2000 wurde er nordrhein-westfälischer Finanzminister und 2002 Ministerpräsident des Landes. Als er 2005 die Landtagswahl mit dem schlechtesten SPD-Ergebnis seit dem Krieg verlor, erhielt er in der Großen Koalition in Berlin das Amt des Bundesfinanzministers, das er bis zur Bundestagswahl 2009 ausübte. In diesem Zeitraum war er auch stellvertretender SPD-Chef. Seit 2009 ist Peer Steinbrück Mitglied des Bundestags, dem er vorher nicht angehört hatte.

Mit Empfehlung von Alt-Kanzler Schmidt

Nun also ist Steinbrück Kanzlerkandidat der SPD. Parteichef Sigmar Gabriel und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier wollten nicht kandidieren, Steinbrücks Umfragewerte lagen weit vorne. Alt-Kanzler Schmidt empfahl seinen Schachpartner als Kanzler: "Er kann es". Und nun will Steinbrück auch. Für ihn geht es um die Kanzlerschaft - oder gar nichts. Er werde nicht noch einmal Juniorpartner von Merkel werden, sagte er.

Das stets schwierige Verhältnis zum linken Flügel der Partei scheint Steinbrück im Griff zu haben, die gesamt SPD steht hinter ihm. Dafür musste Steinbrück, der stets zu den vehementen Verfechtern der umstrittenen Sozialreformen und der Agenda 2010 gehörte, einem deutlich nach links gerücktem Wahlprogramm zustimmen und sich von den Reformen distanzieren.

Damit steht Steinbrück nun für eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte und setzt auf eine Finanztransaktionssteuer, strengere Eigenkapitalvorschriften für Banken und eine klare Trennung von Investment- und Geschäftsbanken. Die Finanzinstitute sollen einen eigenen europaweiten Rettungsschirm aufbauen, damit der Staat nicht mehr haften muss. Spekulationen mit Nahrungsmitteln sollen verboten werden.

Vermögenssteuer und Steuererhöhungen

Die SPD plant Steuererhöhungen, um Ausgaben bei Bildung und Infrastruktur finanzieren zu können. Unter anderem soll die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden, wobei die besondere Situation des Mittelstands berücksichtigt werden sollen. Der Spitzensteuersatz soll für Einkommen über 100.000 Euro auf 49 Prozent steigen. Steuerprivilegien, die CDU/CSU und FDP zuletzt eingeführt hatten, sollen abgeschafft werden.

Es soll ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt werden. Bei Leiharbeit soll für gleiche Arbeit auch gleicher Lohn gezahlt werden. Um die steigenden Mietpreise in den Griff zu kriegen, soll bei Neuvermietungen die Miete nur um maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bestehende Mieten sollen nur noch um maximal 15 Prozent in vier Jahren steigen dürfen. Zudem soll durch ein milliardenschweres Förderprogramm der soziale Wohnungsbau gestärkt werden. In Sachen Rente plädiert die SPD für eine steuerfinanzierte Solidarrente von mindestens 850 Euro.

Die Energiewende wird nach dem Willen der SPD in Zukunft durch ein eigenes Ministerium gesteuert und das Erneuerbare-Energien-Gesetz grundlegend reformiert werden. Die Privatisierung der Wasserversorgung soll verboten werden.

Das von der schwarz-gelben Koalition eingeführt Betreuungsgeld will die SPD wieder abschaffen. Das eingesparte Geld soll in den Bau von Kindergärten und in die Tagespflege investiert werden. Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sollen der Ehe gleichgestellt werden.

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