AfD-Chef Jörg Meuthen hat im ZDF-Sommerinterview einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Hochwasserkatastrophe und dem Klimawandel in Zweifel gezogen. Der 60-Jährige versagte zahlreichen Rechtsaußen-Vertretern seiner Partei eine Empfehlung für die Bundestagswahl im September. Seine eigene Zukunft als Co-Parteichef nach der Wahl ließ der 60-Jährige offen.

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Großflächige Überschwemmungen, Erdrutsche, mehr als 150 Tote: Der AfD-Co-Vorsitzende Jörg Meuthen hat es im ZDF-Sommerinterview in Frage gestellt, dass die aktuelle Umweltkatastrophe im Westen Deutschlands mit dem Klimawandel in Zusammenhang steht. "Ich sehe zunächst einmal eine Unwetter-Wetterlage, wie man sie im Sommer manchmal hat, die ist diesmal besonders krass ausgefallen", erklärte Meuthen in der am Sonntagabend ausgestrahlten Sendung.

"Inwieweit Klimawandel-Phänomene diese Geschichte nun verstärkt haben oder nicht, das wissen wir nicht". Mit "diese Geschichte" meinte Meuthen Tief "Bernd", das zwischen verschiedenen Hochs eingeklemmt war und die Überschwemmungen verursacht hat. Einige Wissenschaftler vertreten die These, dass die langsame Bewegung solcher Tiefs – die dadurch mehr Regen verlieren – auf die Schwächung des Jetstreams durch globale klimatische Veränderungen zurückzuführen ist.

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ZDF-"Sommerinterview": Meuthen hält nichts vom Kampf gegen die globale Erderwärmung

Überhaupt hält Meuthen nicht viel vom Kampf gegen die globale Erderwärmung. "Ich halte es für menschliche Hybris zu sagen: Wir steuern hier das Weltklima auf 0,1 oder 0,2 Grad genau. Das ist menschlich nicht machbar, sondern wir müssen damit umgehen". Soll heißen: Die Menschheit muss mit solchen Extremwetterereignissen leben. Als positives Beispiel nannte er die Niederlande, wo bei Überschwemmungen Hochtechnologie eingesetzt wird. Anstatt das Übel an den Wurzeln zu packen und größere Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zu unternehmen, will Meuthen lediglich die Symptome bekämpfen. Die Versuche der politischen Konkurrenz, dem Klimawandel entgegenzutreten, sind für ihn "ökopopulistischer Unfug", wie er am Freitag auf Twitter schrieb.

Meuthen sieht keine "Radikalisierungsentwicklung" bei der AfD

Anschließend wird Meuthen, der zum gemäßigten Flügel seiner Partei zählt, von ZDF-Journalistin Shakuntala Banerjee auf radikale Tendenzen bei einigen AfD-Mitgliedern angesprochen. Andere Themen wie die COVID-Politik der Bundesregierung ("katastrophal") oder die umstrittene Russland-Reise und -Rede seines Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla ("unklug") werden nur kurz angerissen. Er persönlich habe keinen Anteil an einer Radikalisierungsentwicklung, betonte Meuthen. "Ich würde eine Radikalisierungsentwicklung auch in Abrede stellen."

Der 60-Jährige sagte, dass sich "einzelne Akteure" lediglich nicht an die Spielregeln halten würden. "Wenn sie nicht auf der Basis unseres Parteiprogramms sind, dann haben sie in unserer Partei nichts zu suchen. Entsprechend handeln wir." Er selbst habe 2018 mit dem Flügel abgeschlossen, nachdem er versucht habe, ihn in die Partei zu integrieren. "Der Versuch ist gescheitert, weil der Flügel die Partei übernehmen wollte."

Distanzierung von Rechtsaußen-Kandidaten

Wie steht Meuthen nun konkret zu zwielichtigen Personen in der AfD? Andreas Harlaß, auf Listenplatz 5 der sächsischen AfD für die Bundestagswahl, darf gerichtlich als "lupenreiner Neonazi" bezeichnet werden. Meuthen erklärt: "Die Liste in Sachsen habe ich als Baden-Württemberger mit Sicherheit nicht mitgewählt." Eine Verteidigung einzelner Listenkandidaten lehnte der AfD-Chef ab, er gab zu, dass er nicht für Harlaß votiert hätte. Meuthen machte damit deutlich, dass ihm schlichtweg die Autorität fehlt, etwas gegen unliebsame Listenkandidaten zu unternehmen. Am Ende entscheiden die Landesverbände. "Sie schicken diese Leute in den Bundestag", erwiderte Banerjee. Meuthen antwortete gelassen, er könne Hunderte Mitglieder nennen, die er unterstützt.

Meuthen: Vorstand wird sich mit Fall Helferich befassen

Ein weiterer AfD-Mann aus Sachsen, Jens Maier, gehört nicht dazu. Den Mann auf Listenplatz 2 stuft der sächsische Verfassungsschutz als Rechtsextremisten ein. Von Maier, einst dem offiziell aufgelösten rechten "Flügel" der Partei zugehörig, stammt der Satz: "Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, macht irgendwas verkehrt." Meuthen fand, "dass Herr Maier mit solchen Sprüchen etwas verkehrt macht." Und er fügte hinzu, dass er das ganze Sommerinterview damit verbringen könne "noch zehn, zwölf Namen zu sagen." Also weitere AfD-Mitglieder, die er wegen ihrer radikalen Positionen nicht unterstützen will. An einer anderen Stelle reagierte er genervt, weil diese "alten Geschichten" immer wieder aufgerollt werden.

Die Moderatorin konfrontierte den AfD-Chef daraufhin mit einem aktuellen Fall. Was ist mit Matthias Helferich, AfD-Landesvize in Nordrhein-Westfalen, der sich in internen Chats kürzlich als das "freundliche Gesicht des NS" bezeichnete? Meuthen kündigte an, dass der Bundesvorstand sich am kommenden Freitag mit dem Fall beschäftigen wird. Auch bei Christina Baum, Stephan Brandner und Jürgen Pohl, die "alles nicht meine Freunde sind", wollte er keine Empfehlung für die Bundestagswahl abgeben. Das sei eine Entscheidung der Wähler.

Ein noch deutlicheres Zeichen für die innere Spaltung der AfD konnte Meuthen mit seiner Distanzierung von führenden AfD-Vertretern nicht setzen. Mit dieser Außendarstellung dürfte sich bei der Bundestagswahl im September kaum ein starkes Ergebnis erzielen lassen. 2017 holte die AfD 12,6 Prozent. In aktuellen Umfragen liegen die Rechtspopulisten zwischen neun und elf Punkten. Und wie geht es für Meuthen persönlich weiter? Der EU-Abgeordnete ließ offen, ob er das Amt als Parteichef über den Herbst hinaus behalten möchte. Eines stellte er jedoch klar: "Hinwerfen ist nicht meine Art."

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