Wenige Monate vor der Präsidentenwahl in den USA möchte Amtsinhaber Joe Biden die irreguläre Einwanderung mit einer neuen Grenzregelung eindämmen. Gegenwind kommt prompt - und aus verschiedenen Richtungen.

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US-Präsident Joe Biden verschärft mitten im Wahlkampf die Regeln für Migranten, die illegal aus Mexiko in die USA einreisen. "Ich tue, was die Republikaner im Kongress sich weigern zu tun: Ich unternehme die notwendigen Schritte zur Sicherung unserer Grenze", sagte der Demokrat am Dienstag in Washington.

Zuvor hatte das Weiße Haus ein Dekret des Präsidenten veröffentlicht, wonach es unter bestimmten Umständen nicht mehr möglich sein soll, einen Asylantrag zu stellen. Die Maßnahmen sollten in der Nacht auf Mittwoch in Kraft treten.

Kritiker werfen Biden seit Wochen vor, die Kontrolle über den Schutz der Südgrenze verloren zu haben. Das Dekret des Präsidenten sieht nun vor, dass Menschen, die illegal die Grenze übertreten, schneller abgeschoben werden können.

Wer um Asyl bittet, soll fortan strenger überprüft werden und unter anderem "glaubwürdige Angst" vor Verfolgung oder Folter in der Heimat haben müssen. Betroffenen wird dann zwar Schutz gewährt, aber nicht unter denselben Standards wie anderen Asylsuchenden. Wer hingegen regulär vorstellig wird, also zum Beispiel über eine eigens dafür eingerichtete App von außerhalb der USA aus einen Termin beantragt, soll eine faire Chance bekommen - so stellt es zumindest die Regierung dar.

Biden wirft Trump Zynismus vor

Biden beschuldigte Ex-Präsident Donald Trump, der ihn bei der Präsidentenwahl im November schlagen will, eine dringend notwendige Gesetzgebung im Kongress zu torpedieren, um im Wahlkampf einen Vorteil daraus zu schlagen. "Das ist ein äußerst zynischer politischer Schachzug und lässt das amerikanische Volk im Stich, das von uns nicht erwartet, dass wir die Grenze als Waffe einsetzen, sondern, dass wir sie reparieren", sagte Biden.

Er hätte eine überparteiliche Zusammenarbeit bevorzugt, um die zuständigen Behörden mithilfe entsprechender Gesetze personell und finanziell besser auszustatten. "Aber die Republikaner haben mir keine andere Wahl gelassen."

Ausnahmen von Bidens Dekret sollen etwa für unbegleitete Kinder, ernsthaft kranke Menschen und Opfer von Menschenhandel gelten. Alle anderen sollen entweder nach Mexiko oder in die jeweiligen Herkunftsländer zurückgeführt werden. Zuvor war es den meisten Asylsuchenden gemeinhin erlaubt gewesen, sich bis zu einer richterlichen Entscheidung - die wegen überlasteter Behörden oft Jahre auf sich warten lässt - im Land aufzuhalten.

Die neue Regelung gilt, sobald der Durchschnitt illegaler Grenzübertritte in einer Woche die Zahl von 2.500 pro Tag übersteigt. Sie wird aufgehoben, wenn diese Zahl wieder unter 1.500 fällt. US-Medien berichteten unter Berufung auf die Behörden, derzeit seien es über 4.000.

Seit Beginn des laufenden Haushaltsjahrs im Oktober gab es demnach rund 1,5 Millionen "irreguläre Begegnungen" an der Südgrenze, also Fälle, in denen Menschen - meist kurzzeitig - festgenommen oder direkt abgeschoben wurden. Die Fallzahl lag somit höher als zum gleichen Zeitpunkt in den Vorjahren - und im Dezember 2023 gar höher denn je in einem einzelnen Monat. Die Behörden kommen bei der Bearbeitung der Asylgesuche kaum hinterher. Zudem fehlen Unterkünfte und andere Ressourcen für die Ankömmlinge.

Zweifel an Umsetzbarkeit von Bidens Dekret und Kritik von verschiedenen Seiten

Weil die neu gesetzte Schwelle überschritten ist, sollten die Maßnahmen direkt um Mitternacht in Kraft treten. Allerdings blieben etliche Fragen zur Umsetzbarkeit des Dekrets offen.

So verlassen sich die USA bei den Abschiebungen etwa auf Mexiko. Es gibt Zweifel daran, ob das aktuell bewilligte Geld für die zusätzliche Arbeit des Grenzschutzes ausreicht - weitere Hilfen vom Bund müsste der Kongress freigeben. Und der juristische Boden könnte wackelig sein: Die Bürgerrechtsorganisation ACLU hat bereits angekündigt, Klage einzureichen.

Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, bezeichnete das Dekret als "politischen Stunt" im Wahljahr. Es sehe weder neues Geld für den Grenzschutz vor noch Abschiebungen jener Menschen, die sich schon illegal in den USA aufhalten.

Kritik erntete Biden auch aus den Reihen seiner eigenen Partei. Die demokratische Abgeordnete Pramila Jayapal sprach von einem "gefährlichen Schritt in die falsche Richtung". Das Recht, Asyl zu beantragen, sei in den US-Gesetzen und den internationalen Vertragsverpflichtungen des Landes verankert.

Die Vereinten Nationen betonten ebenfalls das Menschenrecht auf Asyl. "Jede Person, die angibt, eine begründete Angst vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland zu haben, sollte Zugang zu sicherem Territorium haben und diesen Anspruch prüfen lassen, bevor sie abgeschoben oder ausgewiesen wird", sagte UN-Sprecherin Florencia Soto Nino.

"Die neuen Maßnahmen werden vielen Menschen, die internationalen Schutz benötigen, den Zugang zu Asyl verwehren", teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mit. Zudem hätten sie keine Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen.

Das UNHCR rief die USA auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Die Regierung in Washington solle Einschränkungen überdenken, "die das Grundrecht, Asyl zu beantragen, untergraben".

Migration ist in den USA politisches Dauerstreitthema

Über eine Reform der Migrationsgesetze wird in den USA seit Langem gestritten, im Präsidentschaftswahlkampf spielt das Reizthema aber eine besonders große Rolle. Bei seiner Ansprache am Dienstag versuchte Biden, sich von der vergleichsweise aggressiven Rhetorik seines Konkurrenten Trump abzuheben, der Migration in die USA etwa als "Invasion" bezeichnet. "Ich werde Einwanderer niemals dämonisieren", betonte Biden. "Ich werde niemals sagen, dass sie das Blut eines Landes vergiften."

Der Weg über Mexiko wird von vielen Menschen gewählt, die vor Armut, Gewalt und politischen Krisen in ihrer Heimat flüchten und auf ein besseres Leben in den USA hoffen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM) ist es die tödlichste Landmigrationsroute der Welt.

Jährlich sterben demnach Hunderte auf dem strapaziösen und gefährlichen Weg nach Norden, etwa an Wassermangel und Hitzeschlägen. Wahrscheinlich ist die Zahl der Todesopfer aber weitaus höher, da viele nie offiziell statistisch erfasst werden. (dpa/AFP/ank)

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