Chinas Militär machte in den vergangenen Wochen immer wieder mit Manövern gegen Taiwan von sich reden. Dahinter steckt ein über Jahrzehnte währender Konflikt, in dem auch die USA eine wichtige Rolle einnehmen.
Etwa 1.700 Kilometer Luftlinie trennen Chinas Hauptstadt Peking und Taiwans Hauptstadt Taipeh voneinander. Doch die wahre Distanz der Strecke, die in gut drei Flugstunden zu überwinden ist, ist viel größer. Denn der China-Taiwan-Konflikt lässt beide Länder in feindlicher Abneigung zueinander stehen. Doch worum geht es im China-Taiwan-Konflikt überhaupt?
China-Taiwan-Konflikt: Worum geht es?
Im Anschluss an den chinesischen Bürgerkrieg (1927-1949) kam es zum Streit zwischen der Volksrepublik China und Taiwan (Republik China) über den Status der Insel Taiwan und weiterer dazu gehörender Inseln. Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als zugehörig zu China, während sich Taiwan als souveränen Staat sieht, von dem sich das Festland durch die Gründung der Volksrepublik 1949 abgespalten hat.
Die Kommunistische Partei pflegt ein nationalistisch-patriotisches Erzählmuster in der "Causa Taiwan". Erst im Januar 2019 erklärte der KP-Generalsekretär
Was sind die jüngsten Entwicklungen im China-Taiwan-Konflikt?
Ein Beleg dafür sind die Militärmanöver der Volksrepublik. In den vergangenen Wochen und Monaten berichteten taiwanesische Behörden immer wieder von chinesischen Militärflugzeugen, die in den taiwanesischen Luftraum eindrangen. Zusätzlich hält die chinesische Marine regelmäßig Manöver im unmittelbar angrenzenden Seegebiet ab.
Vor einigen Wochen kam es beinahe zur Eskalation. Wie das taiwanesische Verteidigungsministerium auf Twitter berichtete, überquerten 19 Flugzeuge der chinesischen Luftwaffe die Medianlinie der Meerenge zwischen China und Taiwan - eine Grenze, die in den vergangenen 20 Jahren zumeist respektiert wurde.
In zwei Gruppen näherten sie sich gleichzeitig dem Süd- und Nordwesten der Insel, möglicherweise ein Signal, das China gleich mehrere Landesteile Taiwans auf einen Schlag ins Visier nehmen könnte - sollte es zu einem Krieg kommen.
"Die Chinesen spielen ein gefährliches Spiel", zitiert der "Spiegel" J. Michael Cole vom Global Taiwan Institute. "Dass sie den Konflikt eskalieren und militärisch gegen Taiwan vorgehen wollen, ist kein komplett abseitiges Szenario", erklärt der Analyst.
Wie steht die Bundesrepublik Deutschland zu Taiwan?
Ungeachtet der aktuellen Situation ist Taiwan für die Bundesrepublik Deutschland der fünftwichtigste Handelspartner weltweit, allerdings unterhält die Bundesrepublik laut Auswärtigem Amt keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Dementsprechend erkennt die Bundesregierung das Land auch nicht als souveränen Staat an. "Die Ein-China-Politik schließt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Taiwan aus", sagte Petra Sigmund, Leiterin der Asien-Abteilung im Auswärtigen Amt, im Dezember 2019 in einem Statement vor dem Petitionsausschuss des Bundestags.
Unlängst hatte der Aktivist Michael Kreuzberg mehr als 50.000 Unterschriften gesammelt und damit die Forderung nach einer Anerkennung Taiwans in den Ausschuss gebracht.
"Es geht darum, eine Demokratie vor dem Zugriff einer kommunistischen Diktatur zu bewahren. Wir westlichen Demokratien haben nach meiner Auffassung die politisch-moralische Verantwortung und Verpflichtung, Taiwan zu schützen. Wir können verhindern, dass der große rote Drachen sich dieses kleine, mutige Land eines Tages einverleibt", sagte Kreuzberg.
Pey-Fen Fuh, Vorsitzende der europäischen Taiwan-Vereine, stieß bei ihrem Statement vor dem Ausschuss ins gleiche Horn: "Wir brauchen heute eine China-Politik und eine Taiwan-Politik, die Taiwan als einen demokratischen, souveränen Staat anerkennt."
Doch vonseiten der Regierung gibt es eine klare Absage. "Eine Abkehr von der deutschen Ein-China-Politik würde die deutsch-chinesischen Beziehungen schwerwiegend beschädigen. Und das liegt nicht in unserem Interesse", erklärte Sigmund.
Wie viele Länder erkennen Taiwan als souveränen Staat an?
Weltweit gibt es laut UN nur 18 Nationen, die Taiwan als souveränen Staat anerkennen. Dabei handelt es sich zumeist um Entwicklungsländer wie Haiti oder El Salvador, die im Gegenzug von Taiwan finanziell gefördert werden. Aber auch der Vatikan, Sitz der katholischen Kirche, erkennt Taiwan als souveränen Staat an. Weltweit gibt es aber auch zehn Nationen, die weder China noch Taiwan als souveräne Nation anerkennen, darunter auch Serbien.
Trotz dieser geringen Anerkennung unterhalten 57 weitere UNO-Mitgliedsstaaten zumindest nicht-diplomatische Beziehungen zum asiatischen Inselstaat. Die wohl wichtigste Beziehung für Taiwan ist, im Angesicht des Konfliktes mit China, die zu den USA.
Auf wessen Seite stehen die internationalen Großmächte in diesem Konflikt?
Die Vereinigten Staaten sind eine Art "Schutzmacht" für Taiwan und verstärken aktuell ihre militärische Präsenz im Südchinesischen Meer rund um die Insel.
Wie aber kam es dazu? Im Jahr 1979 nahmen die Vereinigten Staaten diplomatische Beziehungen mit China auf. Die Bedingung: Die USA müssen die Beziehung zu Taiwan beenden. Ganz fallen ließen die Staaten Taiwan aber nicht - so wurde in zwei Vereinbarungen beschlossen, dass die USA Taiwan immer wieder mit Rüstungsgütern unterstützen. Sie müssen die Insel aber nicht verpflichtend verteidigen.
US-Präsident Donald Trump kommt der China-Taiwan-Konflikt dennoch gelegen, schließlich inszeniert sich der Republikaner nur allzu gerne als Gegenspieler vom "Reich der Mitte". Doch ob er seinen Drohgebärden gegen China im Falle eines Konflikts mit Taiwan auch Taten folgen lassen wird, sprich die Insel militärisch verteidigt, ist nur schwer vorhersehbar. Fest steht, dass Taiwan ohne die "Schutzmacht" USA der Volksrepublik China wehrlos ausgeliefert ist.
Russland hingegen äußert sich öffentlich kaum zum Konflikt, jedoch gilt Putins Reich inzwischen als sehr China-nah.
Wie geht es mit Taiwan weiter?
Die Zukunft der Inselnation in Richtung eigenständiger Staat nahm in den vergangenen Jahren weiter Fahrt auf. Nach Jahrzehnten der Diktatur herrscht in Taiwan inzwischen eine Demokratie, ein klares Gegenmodell zum chinesischen Überwachungsstaat.
"Taiwan hat seit Beendigung des Ausnahmezustands 1987 einen eindrucksvollen Weg zurückgelegt und sich zu einer lebhaften Demokratie entwickelt", erklärte Diplomatin Sigmund vor dem Ausschuss.
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen wurde unlängst wiedergewählt, wohl auch, weil sie strikt auf Distanz zur Volksrepublik geht. Gleichzeitig gewinnt das Land auch an Format, weil es die Coronakrise relativ souverän meistert. "Peking versucht, das Momentum auszubremsen, das Taiwan in den vergangenen Monaten aufgebaut hat", sagt Experte Cole über Chinas Handeln.
Eine Attacke - in welcher Art und Weise auch immer - von China auf Taiwan würde die Milliardenrepublik weiter isolieren. Schließlich sind neben den USA auch Japan und Südkorea eher Unterstützer Taiwans.
So könnte eine öffentliche Äußerung der USA, die den Schutz Taiwans bestätigt, und die gleichzeitige Beibehaltung des Status quo im Umgang mit der Inselnation den Konflikt entschärfen. Aus Sicht von Taiwan dürften aber auch die Entwicklungen in Hongkong Warnung genug sein, die erarbeitete Demokratie nicht aufs Spiel zu setzen.
Es scheint aber aktuell, als reiche ein kleiner Fehler, um die Lage im südchinesischen Meer deutlich zu verschärfen. Denn die Abneigung der beiden Nationen ist viel größer als die Entfernungen zwischen ihren beiden Hauptstädten.
Verwendete Quellen:
- Taiwanesisches Verteidigungsministerium
- Auswärtiges-amt.de: Deutschland und Taiwan: Bilaterale Beziehungen
- bundestag.de: Petition zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Taiwan
- Zeit.de: Unausgesprochener Schutz
- Spiegel.de: Die überschrittene Linie
- Tagesschau.de: Von Spannungen, Manövern und Taktik
- Tageschau.de: Keine Chance für Taiwan
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