Zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt reist Olaf Scholz nach China. Doch in vielen Fragen liegt Deutschland mit Peking über Kreuz. Der Kanzler müsse seine Kritik deutlich machen, fordern Grüne und Union. Auch Taiwan fordert von Scholz klare Worte.

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Vor seiner am Samstag beginnenden China-Reise werden Forderungen gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz laut, die chinesische Staatsführung auch mit kritischen Themen zu konfrontieren.

Die "immer heftigeren Drohungen gegenüber Taiwan, die Aggressionen im Südchinesischen Meer oder die schweren Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren" müssten deutlich kritisch angesprochen werden, sagte etwa Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger dem "Tagesspiegel" (Freitag). All dies stehe im "klaren Widerspruch zu der Verantwortung Chinas als Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen".

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte, es sei wünschenswert, wenn Scholz "auch die zunehmenden Cyberattacken aus China gegen deutsche Unternehmen, Spionage und Sabotage durch China in Deutschland und Europa, die Völkerrechtsverstöße im Indo-Pazifik, Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten in China, die massive Unterstützung des russischen Angriffskrieges und die offensichtliche massive militärische Aufrüstung kritisch anspricht".

Scholz‘ Ansatz und damit seine Reise widerspreche dem notwendigen strategischen Wandel gegenüber China, das zunehmend militärisch wie wirtschaftlich Kriegsvorbereitungen treffe. Wenn Deutschland weiterhin "an Appeasement festhält und das falsche Narrativ 'Wandel durch Handel' verfolgt, werden die Abhängigkeiten und Vulnerabilitäten noch steigen".

Der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer forderte ebenfalls deutliche Worte des Kanzlers zur Rolle Chinas im Ukraine-Krieg. Scholz solle dem chinesischen Staatschef Xi Jinping "klarmachen, dass es nicht ohne Folgen für unsere Beziehungen zu China bleiben kann, wenn sich Peking auf Russlands Seite schlägt und damit gegen zentrale europäische Sicherheitsinteressen stellt", sagte Bütikofer dem "Tagesspiegel".

Taiwan: Vielleicht hat China den Schuss "nicht so richtig verstanden"

Auch Taiwan erwartet von Scholz klare Worte an China. Der Repräsentant Taiwans in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, sagt in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur, dass die Drohungen Chinas seit Scholz letztem Besuch eher noch zugenommen hätten.

Und das, obwohl Scholz schon damals das Vorgehen Chinas verurteilt hatte. "Vielleicht haben die Chinesen den Schuss damals nicht so richtig verstanden." Daher wäre es "nicht schlecht, wenn Herr Scholz das noch einmal deutlich im Klartext sagen würde".

Taiwan hat seit 1949 eine unabhängige Regierung, aber die kommunistische Volksrepublik China betrachtet die demokratische Insel mit ihren 23 Millionen Einwohnern als Teil seines Territoriums und lehnt jede Form offizieller diplomatischer Kontakte zwischen Taiwan und anderen Ländern ab.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wachsen die Befürchtungen, dass China sich Taiwan einverleiben könnte. Die chinesische Führung hat mehrfach mit einer Eroberung der Insel gedroht.

Shieh verwies darauf, dass eine Invasion auch sehr konkret die Interessen von Deutschland und der EU berühren würde. Da es eine große Abhängigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft von Halbleitern aus Taiwan gebe, könnte das dann von China als "wirtschaftliche, technologische Waffe" eingesetzt werden.

Deutschland will Abhängigkeit von China reduzieren

Scholz reist am Samstag für drei Tage nach China. Er wird dort unter anderem Präsident Xi Jinping treffen. Eine Wirtschaftsdelegation begleitet den Kanzler. Außerdem werden die Minister Cem Özdemir (Agrar, Grüne), Volker Wissing (Verkehr, FDP) und Steffi Lemke (Umwelt, Grüne) teilweise dabei sein.

Es ist die zweite China-Reise des Kanzlers seit seinem Amtsantritt im Dezember 2021. Es wird bei dem Besuch unter anderem um die wirtschaftlichen Beziehungen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt gehen - aber auch um die chinesischen Drohungen gegen Taiwan, den Ukraine-Krieg und Menschenrechtsfragen.

Kern der China-Strategie, den die Ampel-Koalition im vergangenen Sommer beschlossen hat, ist, dass die Bundesregierung die wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringern, sich aber nicht von dem Land abkoppeln will.

China ist zwar immer noch der wichtigste deutsche Handelspartner. Im vergangenen Jahr nahmen aber die Importe aus China um 19,2 Prozent ab und die Exporte verringerten sich um 8,8 Prozent. (dpa/thp)

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