• Im ZDF-Sommerinterview stellt sich die SPD-Vorsitzende Saskia Esken den Fragen von Theo Koll.
  • Der Moderator fragt vor allem zu den ökonomischen Krisen wie der Inflation, Gaspreisen, Steuererhöhungen und neuen Schulden.
  • Die wichtigste Krise erwähnt Koll aber mit keinem Wort.
Christian Vock
Eine Kritik

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„Die Uhr tickt.“ Mit diesem Satz leitet Theo Koll sein „Sommerinterview“ mit SPD-Chefin Saskia Esken ein und bezieht sich damit auf die Frage, ob die Gaspipeline nach ihrer Wartung wieder Gas von Russland nach Deutschland liefern wird oder nicht. Aber die drohende Gaskrise sollte natürlich nicht das einzige Thema des Sommerinterviews bleiben.

Im Nordschwarzwald vor der Klosterruine Hirsau trifft Theo Koll Saskia Esken zum Interview, doch der Inhalt ihres anschließenden Gesprächs ist weniger romantisch. Koll kommt gleich auf die drohende Gaskrise zu sprechen und fragt, ob die „Kassandrarufe“ von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger übertrieben seien, wenn dieser von der „größten Krise, die das Land je hatte“ spricht.

Saskia Esken glaubt, dass man sich zu Recht Sorgen mache, bringt aber ein anderes Zitat ins Spiel. Ein Politikwissenschaftler habe gesagt: „Keine Regierung seit 1949 hatte so einen schweren Start.“ Das sei nicht von der Hand zu weisen, so Esken: „Das sind schon sehr schwerwiegende Krisen, mit denen wir’s zu tun haben. Auch Krisen, die sich stapeln, denn Corona ist ja noch nicht vorbei und der Krieg ist zurück in Europa. Wir haben da schon schwere Entscheidungen zu treffen.“

Esken: Kündigungsmoratorium bei Strom und Gas "dringend notwendig"

Von der Gaskrise ist es für Koll ein kleiner Schritt zur Inflation und so fragt er, ob ein Wohlstandsverlust drohe. Esken sieht die gestiegenen Preise, die vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen eine Belastung seien. Deshalb habe man diese mit den bisherigen Maßnahmen gezielt entlastet.

Zu einem Kündigungsmoratorium bei Strom und Gas sagt Esken: „Das ist dringend notwendig, um die Menschen vor Kündigung zu schützen, wenn sie in Zahlungsverzug geraten. Auch bei der Miete übrigens.“ Auch beim Bürgergeld müssten Entlastungen kommen, dort müsse die Berechnungsmethode geändert werden. Zurückhaltender ist Esken beim Vorschlag des DGB für einen Energiepreisdeckel.

Hier lässt Esken die Frage offen, ob sie den Vorschlag unterstützt: „Es ist ein wichtiger und auch wertvoller Vorschlag, allerdings muss man bedenken, dass wir den sehr, sehr lange durchhalten müssen und er ist relativ teuer. Er ist natürlich auch eine Entlastung für alle Bürgerinnen und Bürger, nicht gezielt für die mit den geringen Einkommen. Da müssen wir uns drauf konzentrieren.“

Esken: Werden Neun-Euro-Ticket weiterentwickeln

Konkreter wird Esken bei möglichen Nachfolgern der bisherigen Entlastungen. Zur Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Söder nach einem 365-Euro-Jahresticket sagt Esken: „Das ist eine Forderung, die schon auch in vielen Wahlprogrammen enthalten war. Ich glaube, im Wahlprogramm der CDU und CSU war es nicht enthalten.“

Weil aber der Erfolg des 9-Euro-Tickets offenkundig sei, kündigt Esken an: „Wir werden es weiterentwickeln und auf eine Art verlängern. Da gibt es unterschiedliche Vorschläge, auch von den Versorgungsunternehmen haben wir solche Vorschläge gehört.“

Zur Forderung nach einer Verlängerung des Tankrabatts meint Esken hingegen: „Wichtig wäre, dass der Tankrabatt auch wirklich an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird, das hat ja nicht so geklappt.“ Daher sei eher die Frage, wie man Übergewinne bei Mineralölkonzernen abschöpfe.

Esken schlägt Belastung von sehr hohen Einkommen vor

Der Haken bei Entlastungen ist aber immer deren Finanzierung. Hierzu sagt Esken: „Ich glaube, dass wir die Schuldenbremse erneut aussetzen müssen.“ Dazu sei laut Esken auch „ein stärkerer Beitrag der hohen, sehr, sehr hohen Einkommen und sehr hohen Vermögen notwendig.“

Einen ähnlichen Zugang hat Esken zum Thema Steuererleichterungen, die die FDP wolle: „Steuererleichterungen bei der Einkommenssteuer dienen immer in der Hauptsache denen, die ganz viel Steuern bezahlen, also die hohe Verdienste haben. Wenig dienen sie den mittleren Einkommen und gar nicht eigentlich den geringen Einkommen.“ Dies sei keine Methode, die Bevölkerung breit zu entlasten, so Esken. „Da müssen wir andere Wege finden.“

ZDF-Moderator Koll verzichtet auf hartnäckige Nachfragen

Es war alles in allem ein sehr handzahmes Interview, das Theo Koll da führte. Das mag zum einen am unaufgeregten Temperament des ZDF-Journalisten gelegen haben, allerdings kann man auch besonnen ein hartes Interview führen. Das tat Koll aber nicht, hartnäckige Nachfragen kamen selten. Erstaunlich zahm war allerdings nicht nur die Art und Weise des Interviews, sondern vor allem die Fragen.

Waren erst einmal die scheinbar drängendsten aktuellen Themen abgehakt, wandte sich Koll Nebensächlichkeiten wie den Umfragewerten der SPD oder denen von Kanzler Scholz zu. Die Antwort Eskens, man habe „gerade Wichtigeres zu tun, als auf Umfragen zu blicken“, ist daher keine typische Abwehrreaktion in Politinterviews, sondern der Frage angemessen. Noch irrelevanter wird es, als Koll über Brandts Verhältnis zum Krieg als Mittel der Politik und die künftige Orientierung der SPD fragt.

ZDF-Sommerinterview mit Saskia Esken: Koll erwähnt "Klimakrise" nicht einmal

Das kann man gerne in einem zweistündigen Interview machen, wenn es nur über die Zukunft der SPD geht, aber nicht in einem 20-minütigen Gespräch, in dem man ohnehin nur das Notwendigste unterkriegt. Umso ärgerlicher daher, dass Koll es tatsächlich schafft, in seinem Interview nicht ein einziges Mal das Wort „Klimakrise“ in den Mund zu nehmen. Ist die Gaskrise unwichtig? Natürlich nicht! Brennt gerade ganz Südeuropa? Und wie! Darüber kein einziges Wort in einem Interview mit der Chefin der Regierungspartei zu verlieren, ist schon bemerkenswert.

Ein gutes Pferd, so heißt es, springt nur so hoch es muss. Da die Fragen von Theo Koll keine Herausforderung für Esken waren, musste sie auch nicht wirklich viel tun. Stattdessen konnte sie ihrerseits gegen die politische Konkurrenz wie Markus Söder oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann austeilen, wenn sie es für nötig hielt.

Fazit zum ZDF-Sommerinterview mit Saskia Esken

Obwohl oder vielleicht auch weil es ein wirklich handzahm geführtes Interview war, konnte Theo Koll der SPD-Chefin doch ein paar einigermaßen klare Aussagen zu Themen wie Bürgergeld oder einem Kündigungsmoratorium bei Strom und Gas entlocken. Ganz anders hingegen bei der aktuell größten Herausforderung der Menschheit: der Klimakrise. Hier pflegte Theo Koll das eigentümliche Phlegma, das so gut wie allen „Sommerinterviews“ innewohnt. Klimakrise – war da was?

Stattdessen fragt Koll wenig spezifisch: „Sorgen Sie sich sehr im Moment?“ Und die Antwort von Esken zeigt, dass sie offenbar ein ähnliches Risikobewusstsein bezüglich der Klimakrise hat, denn auch sie verliert kein Wort darüber, wenn sie das Wort Sorge hört: „Es gibt Anlass zur Sorge. Die internationale Lage gibt Anlass zur Sorge, aber ich weiß, dass unser Land stark ist, dass der Zusammenhalt in Deutschland stark ist. Die konzertierte Aktion, die Olaf Scholz jetzt ins Leben gerufen hat, ist ein Zeichen davon, dass wir im Konsens in Deutschland solche krisenhaften Situationen bewältigen.“

Es ist interessant, dass Esken hier in einem sozialdemokratischen Denkmuster alter Schule bleibt, nach dem es bei krisenhaften Situationen vorrangig um soziale Ungerechtigkeiten wie Arbeitslosigkeit geht. Die sozialen Ungerechtigkeiten zwischen der heutigen und der zukünftigen Generation kommen ihr nicht in den Sinn. Wenn die Klimakrise so weiterschreitet wie bisher, ist Arbeitslosigkeit jedenfalls eines der kleineren Probleme.

Habeck fordert weitere Entlastungen für Haushalte und wendet sich an Lindner

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt angesichts der gestiegenen Gaspreise auf eine weitere Entlastung für mittlere und geringe Einkommen. Dabei nimmt er auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) in die Pflicht. (Foto: Imago)
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