Die Ampel steuert auf den Haushalts-Showdown zu. Im Etat 2025 klafft noch immer ein Milliardenloch. Während die FDP auf Sparen setzt, würden SPD und Grüne am liebsten die Schuldenbremse schleifen. Nur: Ist das wirklich eine gute Idee?
Allen Beteiligten ist klar: Es wird schwierig, sehr schwierig sogar. Der Bundeshaushalt 2025 stellt die Ampel-Koalition vor die womöglich entscheidende Herausforderung. Gelingt es dem Dreierbündnis, einen Bundeshaushalt aufzustellen – und zwar einen, der die Schuldenbremse einhält? Davon hängt ab, ob die Koalition hält.
Eine zweistellige Milliardenlücke muss im Etat 2025 gestopft werden. Noch im Juli soll die Einigung stehen. Streit gibt es vor allem um ein Thema: die Schuldenbremse. SPD und Grüne wollen diese mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine am liebsten aussetzen – und dann grundsätzlich lockern. Unterstützung erhalten sie von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, einer Mehrheit der Ökonomen. Die Liberalen sind strikt dagegen.
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Pro: Die Schuldenbremse ist aus der Zeit gefallen
Von Rebecca Sawicki
Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert und darf nur in Notsituationen und bei Naturkatastrophen ausgesetzt werden: Aber sind Naturkatastrophen und Notsituationen nicht längst Normalität? In den vergangenen Jahren folgte ein Jahrhunderthochwasser auf das andere, Temperaturrekord folgt auf Temperaturrekord. Notsituationen gibt es seit der Coronapandemie, mit Ukrainekrieg und Energiekrise, zur Genüge.
Hinzu kommt: Es ist jetzt an der Zeit, Deutschland und Europa zukunftsfest zu machen. Wir brauchen eine Wärmewende, Mobilitätswende, Energiewende – ja, einen Wandel, der in viele Bereiche unseres Lebens eingreift. Die Klimakrise ist da, ihre Auswirkungen werden immer deutlicher. Spart der Staat an den falschen Ecken, kann das im schlimmsten Fall bedeuten, dass alles zusammenkracht.
Auch die – absolut notwendige – Unterstützung der Ukraine kostet Geld. Nicht zu vergessen der Sozialstaat. Schließlich stolpern wir sehenden Auges in eine Dekade der Alten hinein. Rente, Pflege, Krankenkasse: Wer soll das bezahlen?
Dass nicht jede Krise mit einem Schlupfloch umgangen werden kann, ist spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds klar. Das entstandene Milliarden-Loch hat die Debatte um die Schuldenbremse so aktuell gemacht.
Das Instrument ist in Anbetracht aller Herausforderungen aus der Zeit gefallen. Die Schuldenbremse muss weg. Statt sich daran festzuklammern, muss die Politik nach Lösungen suchen, wie der Staat zusätzliches Geld einnehmen kann.
Ein hervorragendes Mittel steht übrigens ebenfalls im Grundgesetz: die Vermögenssteuer. Laut einer Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Experten des Momentum Instituts und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich könnten mit einer Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild in Deutschland Einnahmen von 73 Milliarden Euro generiert werden. Wenn das mal keine Ansage ist.
Das ist die Debatte, die wir wirklich führen müssen.
Contra: Die Schuldenbremse ist ein Gebot der Vernunft
Von Fabian Hartmann
Eines gleich vorweg: Deutschland hat eine Menge Probleme. Die Wirtschaft lahmt, das Schienennetz ist marode, die Bundeswehr kaputtgespart. Selbst in Großstädten gibt es Funklöcher. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Für die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist das beschämend. Es gibt also, da haben SPD und Grüne recht, einen Investitionsstau. Und so naheliegend es klingt, die Schuldenbremse dafür zu schleifen: Es wäre falsch.
Denn: Der deutsche Staat hat genug Geld. Die Steuereinnahmen bewegen sich in Richtung eine Billion Euro. Die Frage ist vielmehr, ob dieses Geld immer richtig eingesetzt wird. Daran gibt es zumindest Zweifel.
Etwa beim Sozialstaat. Auch die Ampel hat vor allem Leistungen ausgeweitet. Die SPD hat das Bürgergeld samt höherer Sätze bekommen, die Grünen wollen die Kindergrundsicherung. Gemeinsam haben alle drei Parteien ein Rentenpaket auf den Weg gebracht, das einseitig die Jungen belastet – und die Kosten in Zukunft weiter treibt. Dabei liegt der Anteil der Sozialleistungen am BIP bereits heute bei rund 30 Prozent.
Keine Frage: Der Sozialstaat ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Aber immer mehr Geld ist nicht die Lösung für jedes Problem – sei es im Sozialetat oder beim fehlenden Wirtschaftswachstum. Daher gilt es zu schauen: Wo braucht es wirklich mehr Mittel? Und wo nicht. Die Schuldenbremse setzt hier an. Sie diszipliniert die Politik. Sie ist Garant dafür, dass mit dem, was die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – also wir alle – an Geld bereitstellen, sorgsam umgegangen wird. Und damit immer noch viel, aber eben nicht mehr jeder Wunsch erfüllt werden kann.
Das heißt nicht, dass die Schuldenbremse perfekt ist. Dass der Staat neue Kredite nur in Höhe von 0,35 Prozent des BIPs aufnehmen kann, ist sicherlich zu streng. Hier täte mehr Flexibilität gut. Vorschläge dazu gibt es. Nur: Eine Reform ist nicht ohne Risiko. Es droht die Gefahr, dass die Schuldenbremse vollends unter die Räder gerät. Nicht sofort, aber sukzessive.
Dabei zeigt die Erfahrung: Hohe Staatsverschuldung und geringes Wirtschaftswachstum gehen miteinander einher. Dafür gibt es genug Beispiele in Europa. Die Ampel sollte also gewarnt sein. Ein Bundeshaushalt 2025 im Rahmen der Schuldenbremse ist ein Gebot der Vernunft.
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