Im Ukraine-Konflikt gibt es eine neue Eskalationsstufe. Nachdem es zwischen Russland und der Ukraine im Asowschen Meer zur Konfrontation gekommen ist, prüft Kiew nun die Einführung des Kriegsrechts. Zudem wurden die Reservisten der Streitkräfte in Bereitschaft versetzt. Der ukrainische Außenminister eskaliert unterdessen verbal.
Die Konfrontation zwischen der Ukraine und dem Nachbarn Russland rund um die von Moskau annektierte ukrainische Halbinsel Krim nimmt bedrohliche Formen an.
Nach den Ramm-Aktionen und Schüssen der russischen Marine gegen ukrainische Schiffe im Asowschen Meer will das ukrainische Parlament am Montag bei einer Sondersitzung über eine eventuelle Einführung des Kriegsrechts entscheiden.
Das sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in der Nacht zum Montag nach einer Krisensitzung des nationalen Sicherheitsrates in Kiew.
Eine entsprechende Bitte an die Rada in Kiew, für 60 Tage das Kriegsrecht zu verhängen, sei bei der Sitzung formuliert worden. Die Ereignisse im Asowschen Meer seien als "Akt militärischer Aggression" einzustufen, wurde Aleksander Turtschinow, Vorsitzender des Sicherheitsrates, von der Agentur Tass zitiert.
Eine eventuelle Einführung des Kriegsrechts bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine offensive Operationen unternehmen wolle, betonte Poroschenko.
Es gehe dabei "ausschließlich um den Schutz unseres Territoriums und die Sicherheit unserer Bürger". Auch an den Frontlinien in der Ostukraine werde sich dadurch nichts ändern.
Russische Marine rammt ukrainische Schiffe
Ausgangspunkt war eine Eskalation in der Meerenge von Kertsch vor der Halbinsel Krim. Die russische Marine hatte dort ukrainischen Schiffen die Durchfahrt verweigert und eines der Schiffe gerammt.
Später wurden drei ukrainische Schiffe von russischen Streitkräften aufgebracht und gekapert. Auf ukrainischer Seite seien dabei sechs Menschen verwundet worden, berichteten ukrainische Medien.
Die Schiffe seien wegen Grenzverletzung festgehalten worden, hieß es beim zuständigen russischen Inlandsgeheimdienst FSB.
Der ukrainische Staatschef kündigte an, er wolle am Montag Kontakt zu Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und anderen westlichen Politikern aufnehmen. Er wollte mit ihnen über das weitere Vorgehen sprechen und um deren Unterstützung im Konflikt mit Moskau bitten.
Zudem setzte Poroschenko die Reservisten der Streitkräfte in Bereitschaft. Die sogenannte Erste Welle der Reserve solle sich bereit halten, sagte Poroschenko in Kiew. Dies bedeute jedoch nicht unmittelbar eine Mobilmachung, fügte er nach Angaben der russischen Agentur Interfax hinzu.
Russland beantragt Sondersitzung im Weltsicherheitsrat
Moskau reagierte auf die Schritte Kiews in der Nacht mit dem Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen. Russland habe um diese Sondersitzung am Montagmorgen (Ortszeit) unter dem Tagesordnungspunkt "Erhalt von internationalem Frieden und Sicherheit" gebeten, zitierte die Agentur Tass den russischen UN-Vertreter Dmitri Poljanski.
In Kiew versammelten sich am Sonntagabend Dutzende Demonstranten vor der russischen Botschaft. Ein starkes Polizeiaufgebot sicherte das Gebäude ab.
Am Ende hinterließen die aufgebrachten Ukrainer Hunderte von weißen Papierschiffchen vor der Botschaft und auf dem Zaun, wie die Zeitung "Ekspres" berichtete.
Unweit der Botschaft sei jedoch ein Auto mit russischen Diplomaten-Kennzeichen in Brand gesetzt worden, berichtete di russische Agentur Tass. Vor dem russischen Konsulat in Lwiw (Lemberg) zündeten Demonstranten Autoreifen an.
Die Europäische Union rief Russland und die Ukraine zur "äußersten Zurückhaltung" auf, damit die Lage im Schwarzen Meer nicht eskaliere, hieß es in der Nacht zum Montag in einer Mitteilung.
Die EU erwarte, dass Russland die Durchfahrt durch die Meeresenge wieder ermögliche. Auch die Nato rief zur Zurückhaltung und Deeskalation auf.
Ukrainischer Außenminister eskaliert verbal
Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin schrieb in der Nacht zum Montag auf Twitter: "Diese Attacke ist nicht nur für uns, sondern für die ganze zivilisierte Welt eine Herausforderung. Jetzt ist Krieg mit der Russischen Föderation auf unserem Land und darüber hinaus."
In der "Bild"-Zeitung sprach Klimkin in der Nacht zum Montag von einem "Akt der Aggression gegen die Ukraine in den neutralen Gewässern des Schwarzen Meeres" Er sprach sogar von sechs verletzten ukrainischen Seeleuten.
"Wichtig ist: in Anbetracht dieser russischen Handlungen schließen wir die Fortsetzung russischer Aggression sowohl in den Gewässern als auch auf dem Boden nicht aus!"
Das Asowsche Meer nordöstlich der Krim entwickelt sich seit Monaten zu einem weiteren Schauplatz des Konflikts der Nachbarländer.
Das Verhältnis ist wegen der 2014 von Russland annektierten Krim und der Ostukraine, wo Moskau aus westlicher Sicht die prorussischen Separatisten militärisch unterstützt, zerrüttet.
Kiew hatte angekündigt, die Präsenz der ukrainischen Marine im Asowschen Meer zu erhöhen. Die von Russland kontrollierte Straße von Kertsch ist der einzige Zugang für Schiffe zu dem Gewässer. © dpa
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