Noch vor dem Nato-Gipfel erhöht Kiew den Druck, ein positives Signal für eine Mitgliedschaft zu bekommen. Unterdessen soll die Ukraine nun von den USA umstrittene Streumunition erhalten. Lesen Sie hier den Überblick zum Geschehen in der Nacht und einen Ausblick auf den Tag.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirbt bei einer neuen Auslandsreise um Unterstützung für sein von Russland angegriffenes Land und für eine Nato-Mitgliedschaft. In Prag lobte er am späten Donnerstagabend Tschechien als besonders engagiert bei der militärischen Hilfe. "Die Tschechische Republik und das tschechische Volk helfen uns wirklich, den Sieg näher zu bringen", teilte Selenskyj bei Telegram mit.

Die EU will unterdessen zur Unterstützung der Ukraine finanzielle Anreize für die Rüstungsindustrie schaffen, um Produktionskapazitäten für Munition und Raketen auszubauen. US-Medien berichteten, dass Washington nun auch Kiews Forderungen nach Lieferung von international geächteter Streumunition nachkomme. Selenskyj hatte diese immer wieder gefordert, um möglichst viele Russen zu töten.

Dass die US-Regierung die Lieferung von Streumunition an die Ukraine plant, hatte am Donnerstag unter anderem die "New York Times" unter Berufung auf nicht namentlich genannte Regierungsquellen berichtet. Das Pentagon wollte dies zunächst nicht bestätigen. "Ich habe heute nichts Konkretes zu verkünden", sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Zuvor hatte das Weiße Haus erklärt, eine Weitergabe von Streumunition an die Ukraine werde geprüft. Dem Sender CNN zufolge könnten die Pläne nun an diesem Freitag offiziell verkündet werden.

Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper - sogenannte Submunition - verstreuen oder freigeben. Der Munitionstyp wird kritisiert, weil ein erheblicher Prozentsatz der Sprengkörper oft nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung gefährdet. Deutschland und viele andere Staaten haben einen Vertrag zur Ächtung von Streumunition unterzeichnet. Die USA haben das Abkommen hingegen nicht unterschrieben.

"Ich möchte anmerken, dass die Russen bereits Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt haben", sagte Pentagon-Sprecher Ryder. Die USA hätten Streumunition in ihren Beständen. Ryder verwies darauf, dass ältere Munition eine höhere Rate an Blindgängern aufweise. "Wir würden sorgfältig Geschosse mit einer geringeren Rate an Blindgängern auswählen, für die wir aktuelle Testdaten haben", so Ryder. Menschenrechtsrechtsorganisationen hatten den Einsatz von Streumunition im Krieg in der Ukraine immer wieder kritisiert.

EU will mit viel Geld Produktion von Munition und Raketen ankurbeln

Unterdessen einigten sich Vertreter der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und des Europaparlaments in der Nacht zum Freitag auf einen Plan, mit dem die europäische Rüstungsindustrie mit finanziellen Anreizen zu einem schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten für Munition und Raketen bewegt werden soll. Er war im Mai von der EU-Kommission vorgeschlagen worden und sieht Ausgaben in Höhe von 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt vor.

Hintergrund des Vorhabens sind Schwierigkeiten der EU-Staaten, der Ukraine ausreichend Boden-Boden- und Artilleriemunition sowie Raketen für den Abwehrkrieg gegen Russland zu liefern. Ein Ausbau der Produktion soll nun weitere Engpässe der ukrainischen Streitkräfte verhindern und auch dafür sorgen, dass die EU-Staaten selbst verteidigungsfähig bleiben und ausreichend Vorräte vorhalten können. Die Einigung muss noch vom Rat der Mitgliedstaaten und vom Parlament bestätigt werden und könnte noch vor Ende Juli in Kraft treten.

Selenskyj erwartet klares Signal vom Nato-Gipfel in Vilnius

Vom bevorstehenden Nato-Gipfel erwartet Selenskyj ein klares Signal für eine Mitgliedschaft in dem westlichen Verteidigungsbündnis. "Was ist für uns ideal? Wir wollen, dass wir in die Nato eingeladen werden", sagte er nach einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Petr Pavel. Es sei der richtige Augenblick gekommen, die Einigkeit und den Mut des Bündnisses unter Beweis zu stellen. Zugleich räumte Selenskyj Widerstände ein. Manch einer sehe sich noch nach Moskau um, kritisierte der 45-Jährige.

Pavel sprach sich dafür aus, dass die Ukraine unmittelbar nach Kriegsende Beitrittsverhandlungen zur Nato beginnen sollte. "Das ist im Interesse auch unserer Sicherheit, es ist im Interesse der regionalen Stabilität und der wirtschaftlichen Prosperität", betonte der frühere Nato-General. Tschechien werde sich zudem dafür einsetzen, dass Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur EU noch in diesem Jahr beginnen sollten.

Selenskyj bedankte sich in Tschechien für die Unterstützung sowohl durch Waffenlieferungen als durch die Aufnahme von Hunderttausenden Kriegsflüchtlingen. Er räumte ein, dass die aktuelle Gegenoffensive nicht schnell vorankomme, aber man gehe voran und weiche nicht zurück, betonte er. Die Ukraine wehrt sich seit fast anderthalb Jahren gegen eine russische Invasion.

Die Staats- und Regierungschefs der Nato kommen am Dienstag und Mittwoch in der litauischen Hauptstadt Vilnius zu einem Gipfeltreffen zusammen.

Nach politischen Gesprächen in der bulgarischen Hauptstadt Sofia teilte Selenskyj mit, dass Kiew beim Nato-Gipfel ein Signal brauche, "um die Ukraine zu motivieren, Europa zu verteidigen". Er zeigte sich überzeugt, dass die Ukraine nach dem Krieg Mitglied in dem Militärbündnis werde. Wichtig sei aber schon jetzt ein Zeichen. "Das ist kein so hoher Preis für solch einen Krieg und solches Leid."

Was am Freitag wichtig wird

Selenskyj wird nun auch in der Türkei erwartet. Er werde sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Istanbul treffen, meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Eine Bestätigung von ukrainischer Seite lag zunächst nicht vor. Bei dem Treffen soll es Anadolu zufolge unter anderem um das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer gehen, das am 17. Juli ausläuft. Russland droht damit, die unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Sommer vorigen Jahres geschlossene Vereinbarung nicht zu verlängern. (dpa/dh)

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