Strategischer Alarmismus im Wahlkampf oder berechtigte Warnung? Nach der Konfrontation ukrainischer Schiffe mit der russischen Marine in der Meerenge von Kertsch und der Inhaftierung ukrainischer Matrosen, wird nun auch verbal gezündelt. Kiew spricht von einem drohenden Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine.
Im Konflikt mit Russland verschärft der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Ton. In einem TV-Interview warnte er vor der Gefahr eines russischen Einmarschs in sein Land.
"Die Zahl der Einheiten, die entlang unserer ganzen Grenze stationiert wurden, ist um einiges gestiegen", sagte er am Dienstag mit Blick auf das angeblich vorrückende russische Militär. Er betonte: "Dem Land droht ein großangelegter Krieg mit der Russischen Föderation."
Russland: Krieg gegen Ukraine nicht das Ziel
Konstantin Kossatschow, Chef des Außenausschusses im russischen Föderationsrat, sagte der Nachrichtenagentur Interfax, sein Land habe einen Krieg gegen die Ukraine nie als Perspektive betrachtet. Er bezeichnete aber Poroschenko einen "Präsidenten des Krieges".
Die Ukraine hatte als Reaktion auf das russische Vorgehen im Meer vor der Halbinsel Krim bereits beschlossen, erstmals das Kriegsrecht anzuwenden. Dieses gilt etwa in den Grenzregionen zu Russland.
Weil Poroschenko seinen Erlass mehrfach abänderte, war allerdings unklar, ob das Kriegsrecht bereits seit Montag gilt oder ob es erst an diesem Mittwoch in Kraft tritt.
Durch das Kriegsrecht erhält das Militär Sondervollmachten. Mit der Maßnahme solle die Zeit für die Kampfbereitschaft verkürzt werden, um einen eventuellen Angriff Russlands schneller abwehren zu können, sagte Poroschenko.
Aggression in Meerenge von Kertsch verschärft Spannungen
Hintergrund sind neuerliche Spannungen mit Russland im seit Jahren schwelenden Konflikt. Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenbooten der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch vor der annektierten Halbinsel Krim verweigert.
Die drei ukrainischen Schiffe wurden aufgebracht. Es fielen dabei auch Schüsse. 24 Matrosen wurden festgesetzt.
Gegen die ersten Seeleute wurde eine zweimonatige Untersuchungshaft verhängt. Ihnen wird illegaler Grenzübertritt vorgeworfen. Damit drohen ihnen bei einem Prozess in Russland bis zu sechs Jahren Haft. Die nächsten Verhandlungen sind für diesen Mittwoch geplant.
Angesichts der Krise zwischen der Ukaine und Russland stellte US-Präsident
Trump: "Ich mag diese Aggression nicht"
Er erwarte erst einen Bericht seines Nationalen Sicherheitsteams zur Lage. "Ich mag diese Aggression nicht", sagte Trump der "Washington Post".
Die Nato-Staaten forderten Russland im Konflikt mit der Ukraine noch einmal offiziell zu Zurückhaltung auf. "Es gibt keinerlei Rechtfertigung für Russlands Einsatz von militärischer Gewalt gegen ukrainische Schiffe und Marinepersonal", hieß es in einer am Dienstag verabschiedeten Erklärung des Nordatlantikrates.
Kanzlerin Angela Merkel setzt zur Deeskalation auf eine vermittelnde Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Die unterschiedlichen Darstellungen des Vorfalls vom Wochenende sollten an die OSZE gegeben und dort geprüft werden, sagte sie nach Teilnehmerangaben in der Sitzung der Unionsfraktion in Berlin.
Die OSZE überwacht auch den Konflikt in der Ostukraine. Sie sprach am Abend von Protesten in mehreren Regionen in der Ukraine.
Der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin verlangte indes in der "Bild" (Mittwoch), dass der Bau der Ostsee-Pipeline Nordstream 2 gestoppt werde.
"In Anbetracht eines weiteren russischen Völkerrechtsverbrechens wie jetzt auf den Asowschen Meer gegen die Ukraine ist nun endgültig klar: Das Appeasement des Aggressors, etwa durch lukrative Gaspipeline-Projekte, ist nicht zielführend, sondern bedrohlich."
Die Pipeline soll Gas aus Russland durch die Ostsee nach Westeuropa liefern, unter Umgehung der Ukraine.
Ruf nach schärferen Sanktionen gegen Russland
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), verlangte von Deutschland und der EU, sie müssten entschlossen gegen Russland vorgehen.
"Es geht um klare Ansagen", sagte er "Passauer Neue Presse" (Mittwoch). "Sollte Russland nicht einlenken, müssen der Westen und Europa den Druck auch mit wirtschaftlichen Sanktionen erhöhen."
Die EU und viele westliche Länder hatten Russland und die Ukraine zur Zurückhaltung aufgerufen. Der SPD-Politiker Gernot Erler rechnet aber nicht damit, dass es zu einem Krieg zwischen beiden Ländern kommt.
Dem "Mannheimer Morgen" (Mittwoch) sagte der frühere Koordinator der Bundesregierung für deutsch-russische Beziehungen: "Die Ukraine ist militärisch viel zu schwach, um eine ernsthafte Konfrontation mit Moskau wagen zu können." (dpa/mwo)
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