• Mehr als 2,8 Millionen Menschen sind laut offiziellen Angaben bereits aus der Ukraine geflüchtet, aber es gibt auch solche, die sich auf den Weg ins Kriegsgebiet gemacht haben.
  • Schon kurz nach Kriegsbeginn hatte die Ukraine Ausländer aufgefordert, sich als Freiwillige an den Kampfhandlungen zu beteiligen.
  • Auch Deutsche sind dem Aufruf gefolgt.
  • Eine Gruppe beunruhigt die Behörden besonders: Rechtsextreme, die die Militarisierung ukrainischer Bataillone bewundern.

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Seinem Aufruf sind Zehntausende gefolgt: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Ausländer aufgefordert, die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Russland zu unterstützen. Nach Angaben des ukrainischen Außenministeriums haben sich bereits knapp 20.000 Menschen aus 52 Ländern freiwillig gemeldet, um gegen Wladimir Putins Truppen in den Kampf zu ziehen.

Außenminister Dmytro Kuleba hatte drei Tage nach Kriegsbeginn getwittert: "Ausländer, die bereit sind, die Ukraine und die Weltordnung als Teil einer Internationalen Legion zur Territorialverteidigung der Ukraine zu verteidigen, fordere ich dazu auf, die diplomatischen Vertretungen der Ukraine in euren jeweiligen Ländern zu kontaktieren. Zusammen haben wir Hitler besiegt, und wir werden auch Putin besiegen."

Ukraine zählt 1.000 deutsche Kämpfer - Behörden: "Vereinzelte Hinweise"

Auch Deutsche sind nach diesem Aufruf in den Kampf gezogen - wie viele, das wissen die deutschen Behörden allerdings nicht. Laut ukrainischen Regierungskreisen sollen 1.000 deutsche Kämpfer im Land sein. Die Ukraine hatte Anfang März eine Website eingerichtet, die ausländische Staatsangehörige durch ein Bewerbungsverfahren für den Beitritt zur Internationalen Legion zur Territorialverteidigung der Ukraine führt.

Belastbare Zahlen über ausgereiste Kämpfer zu bekommen, ist allerdings äußerst schwierig. Im Schengenraum gibt es keine Grenzkontrollen. Wer beispielsweise über Polen ausreist, wird von deutscher Seite also nicht registriert.

Seit Kriegsbeginn sind nach Angaben der polnischen Behörden 194.500 Menschen von Polen aus in die Ukraine eingereist. Von diesen Reisenden sind demnach 162.000 ukrainische Staatsbürger. Bei den Staatsangehörigen anderer Länder handele es sich oft um Menschen, die humanitäre Hilfsgüter in die Ukraine bringen.

Eine Gruppe haben die deutschen Behörden allerdings besonders im Blick: Rechtsextremisten. Wie die "Tagesschau" berichtet, sind die Sicherheitsbehörden "sehr wachsam" und versuchen durch Fahndungen, gezielte Ansprachen oder den Entzug des Reisepasses die Ausreise von bekannten Extremisten zu verhindern. Auch Werbungsversuche und mögliche Ausreiseabsichten behalte man aufmerksam im Blick.

Noch liegen dem Bundesamt für Verfassungsschutz aber nach eigenen Angaben nur "vereinzelte Hinweise im niedrigen einstelligen Bereich" auf Ausreisen von Extremisten aus Deutschland in die Ukraine vor.

Una Titz ist Digitalexpertin bei der Amadeu-Antonio-Stiftung und hat in den vergangenen Wochen intensiv zur Ausreise von Rechtsextremen recherchiert. Dabei hat sie beobachtet, wie Plattformen wie Telegram von bekannten Rechtsextremisten nicht nur genutzt werden, um Solidaritätsbekundungen und Spendenaufrufe für die Ukraine zu teilen. "Gewisse Milieus und einzelne Rechtsextremisten nutzen die Plattform auch, um für potentielle Rekruten zu werben", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dabei würden vermehrt Adressen von ukrainischen Rekrutierungszentren und Anmeldeformulare geteilt. "Private Telegram-Gruppen liefern Auskunft über Proviant, Ausrüstung oder Kontaktpersonen vor Ort", ergänzt Titz.

Darf man in die Ukraine zum Kämpfen? Das ist die rechtliche Lage

Rechtlich ist eine Beteiligung an Kämpfen in der Ukraine erlaubt. "Die Einreise in die Ukraine mit dem Ziel, sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen oder dafür ausbilden zu lassen, ist als solche nach dem deutschen Strafrecht nicht strafbar", zitiert die "taz" das Bundesjustizministerium.

Die Betroffenen müssten jedoch als Kombattanten von Streitkräften, Milizen oder Freiwilligenkorps aufgenommen werden, als solche erkennbar sein und dürften sich nicht an Kriegsverbrechen beteiligen.

Beteiligen sich Extremisten an kriegerischen Aktionen, sieht das anders aus: Laut Passgesetz darf die Polizei in Form von Ausreisesperren einschreiten, wenn deutsche Staatsbürger "erhebliche" Handlungen im Ausland planen, die den auswärtigen Beziehungen oder dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik schaden.

Wie stark auch die innere Sicherheit Deutschlands bedroht ist, ist schwer abzuschätzen. In der "Tagesschau" sprach die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner davon, es sei "ein großer Anstieg an Personen aus Deutschland zu beobachten, die ihre Bereitschaft zur Teilnahme am Krieg signalisieren".

Die Bundesregierung müsse darauf vorbereitet sein, dass die ausgereisten Personen - darunter Rechtsextreme, ehemalige Soldaten und Reservisten - irgendwann nach Deutschland zurückkehren. Denkbar, dass sie dann mit gesammelter Kampferfahrung hierzulande Anschläge verüben.

Nur ein "kleiner Bruchteil" ist rechtsextrem

Titz relativiert diese Aussagen allerdings mit Blick auf den kürzlich veröffentlichten Bericht des "Centrums für europäische Politik", der seit Beginn des Kriegs in der Ukraine Daten über Rechtsextreme erfasst. "Im Bericht wird stark davon ausgegangen, dass nur ein kleiner Bruchteil des Gesamtkontingents ausländischer Kämpfer, eine rechtsextremistische Motivation besitzen", sagt Titz.

Der Verfassungsschutz habe außerdem zum jetzigen Zeitpunkt keine verifizierten Erkenntnisse über eine mutmaßliche Beteiligung deutscher Rechtsextremisten an Kampfhandlungen. Entwarnung bedeutet das aber nicht: "Generell kann festgehalten werden, dass eine militärische Ausbildung von gewaltbereiten Rechtsextremisten als Gefahrenpotential einzuschätzen ist", betont Titz.

Eine Gruppe aus Deutschland ist besonders auffällig

Besonders auffällig sind beispielsweise Akteure wie der "III. Weg" - eine rechtsextreme Splitterpartei. Sie stellt sich derzeit offensiv an die Seite der Ukraine.

"Für Akteure des III. Weges spielt die Vernetzung mit dem Asow Bataillon eine wichtige Rolle, aufgrund der starken Militarisierung des Battalions", erklärt Titz. Das "Regiment Asow" ist ein rechtsextremes ultranationalistisches Regiment innerhalb der ukrainischen Streitkräfte. Es ist als eines von vielen vor Ort aktiv.

Kontakte zwischen deutschen Rechtsextremen und dem "Asow Bataillon" bestehen bereits seit Jahren. Auf seiner Website postet "Der III. Weg" Eindrücke "aus dem Schützengraben von der Front" und schreibt, dass bei Asow "Mut und Ehre" keine leeren Worte seien.

Ebenfalls erwähnenswert sind aus Sicht von Titz auch die Grenzaktivitäten der Erfurter Kleinstpartei "Die Neue Stärke". Die Expertin hat beobachtet: "Einige ihrer Mitglieder befinden sich seit Anfang März an der ukrainisch-polnischen Grenze, wo sie nach eigenen Angaben Hilfsgüter koordinieren."

Doch die rechtsextreme Szene zersplittere derzeit durch den Krieg in der Ukraine: "Andere rechtsextremistische Gruppierungen und Organisationen halten sich vom Kriegsgeschehen zurück oder zeigen gar eine Sympathie für den russischen Präsidenten Wladimir Putin", sagt die Expertin.

So komme es zu gegenseitigen Anfeindungen, da sich einige rechtsextremistische Akteure nicht sicher seien, auf welche Seite sie sich im Krieg stellen sollen. Titz: "Wir beobachten so etwas wie eine Lagerbildung - in der die einen die Seite der Ukraine unterstützen und die Anderen Russland bevorzugen."

Über die Expertin: Una Titz ist Digitalexpertin bei der Amadeu Antonio Stiftung und Fachreferentin im Bereich Monitoring und Recherche. Sie ist Teil des Online Monitoring Projekts De:hate.

Verwendete Quellen:

  • Taz.de: Neonazis wollen an die Front
  • Tagesschau.de: Zum Kampf in die Ukraine
  • Twitter: Profil von Dmytro Kuleba. Tweet vom 27.02.2022
  • III.Weg: Aktuelles zum Ukraine-Krieg
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