- Durch den Krieg in der Ukraine sind Wälder, Böden und Tierbestände stark bedroht.
- Waldbrände haben stark zugenommen.
- Der Wiederaufbau des Landes wird viele Ressourcen verbrauchen.
Neben großem menschlichen Leid sind in der Ukraine durch den Krieg erhebliche Schäden an der Natur entstanden. Doch nicht nur der Krieg selbst verbraucht erhebliche Mengen an natürlichen Rohstoffen. Auch der Wiederaufbau des Landes wird große Mengen an Ressourcen erfordern. Es drohen so neben der humanitären Katastrophe auch massive ökologische Rückschläge für die zukünftige Entwicklung der Ukraine.
Mehr als jedes zweite Naturschutzgebiet bereits zerstört
"Nach den Berichten, die wir aus der Ukraine erhalten haben, sind bereits 20 Prozent bzw. jedes fünfte Naturschutzgebiete zerstört", sagt Thomas Tennhardt, Direktor des NABU für Internationales. Die Ukraine zeichne sich vor allem durch Steppenökosysteme aus, von denen das Land die meisten in ganz Europa besitze. Von diesen hätten aktuell über 60% starke Schäden erlitten.
Daneben geht es um die Feuchtgebiete am Asowschen Meer und der Schwarzmeerküste. Diese gehörten zu den weltweit bedeutendsten, von denen bisher 14 bereits zerstört seien. Dort habe es eine der seltenen Kolonien von Krauskopfpelikanen gegeben. Auch Kolonien der Brandseeschwalbe mit bis zu 60.000 Brutpaaren oder 3.000 Brutpaaren der Fischmöwe seien dort zu finden gewesen. "Da müssen wir davon ausgehen, dass die komplett zerstört wurden", befürchtet Tennhardt.
Der Krieg hat auch Folgen für die Zusammenarbeit der Umweltschützer aus Deutschland mit lokalen ukrainischen Akteuren. Wie Tennhardt betont, könnten die meisten Projekte aktuell nur noch schwer umgesetzt werden. Vor dem Krieg hatte der NABU gemeinsam mit dem ukrainischen Institute of Ecological & Religious Studies eine Reihe von Umweltprojekten durchgeführt. Aktuell unterstützen die deutschen Umweltschützer ihre ukrainischen Kollegen bei der Hilfe für Kinder, die innerhalb der Ukraine geflüchtet sind.
Kriegshandlungen zerstören große Waldflächen
Durch den Krieg sind auch die Waldbestände der Ukraine stark bedroht. "In den ersten Wochen der Kriegshandlungen hat es 78-mal mehr Waldbrände gegeben, als im vergleichbaren Zeitraum des vergangenen Jahres", sagt Irene Lucius, Regional Conservation Director des WWF für Zentral- und Osteuropa. Die Wälder erfüllen die Aufgabe, CO2 zu speichern und sie helfen so, den Klimawandel zu bekämpfen. Wichtig sind große Waldbestände ebenso für einen nachhaltigen Holzverbrauch für das Land und für die kommenden Generationen.
Der Krieg setzt hinsichtlich des Erhalts der Wälder und der schützenswerten Gebiete einen Teufelskreis in Gang: Die Mitarbeitenden der Verwaltungen der Naturparks werden in die Kriegseinsätze oder die zivile Verteidigung eingezogen. Dadurch können sie die Naturschutzgebiete nicht mehr pflegen. In Zeiten eines Krieges besteht zudem die Gefahr, dass Schutzvorschriften, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, aufgrund der Notlage im Land außer Kraft gesetzt werden. Auch dies geht stark zulasten der natürlichen Ressourcen.
Doch nicht nur für die Baumbestände hat der Krieg negative Auswirkungen. "Die angegriffenen Öldepots setzen große Mengen an Treibhausgasen frei", warnt Irene Lucius. Kampfmittel, die versickern, hätten negative Auswirkungen auf die Qualität von Böden und Gewässern.
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Durch Wiederaufbau droht "zweiter Raubbau" an der Natur
Für den Wiederaufbau werden erhebliche Mengen an Holz benötigt, wodurch der Waldbestand noch weiter zurückgehen wird. Dies gilt ebenso für Zement, Sand, Kreide und andere Rohstoffe, die zum Bauen benötigt werden. Die Berücksichtigung der Naturschutzinteressen bei der Vergabe von Fördergeldern etwa durch die EU dürfe nicht zu einer "Nischenzielsetzung" verkommen, betont Irene Lucius.
Dem könne mithilfe von Handeln im Sinne einer "Kreislaufwirtschaft" entgegengewirkt werden. Also einer Wirtschaftsweise, bei der Ressourceneinsatz, Abfallproduktion, Emissionen und Energieverbrauch möglichst minimiert werden. So könne zukünftig der Wiederaufbau mit den Zielen der Naturverträglichkeit und der Generationengerechtigkeit verbunden werden, bemerkt die Osteuropaexpertin vom WWF.
Gleichzeitig sehen Umweltschützer ein Dilemma, das für die Ukraine zukünftig zentral sein wird, wenn es darum geht, Städte und Dörfer wiederaufzubauen. "Man kann nicht gleich in der EU geltende Umweltstandards an die Ukraine ansetzen, wenn es um das nackte Überleben geht", sagt Tennhardt vom NABU. Doch müsse es zentral darum gehen, einen "zweiten Raubbau an der Natur" zu verhindern.
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