• Paramilitärische Trupps des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow sollen auf russischer Seite bei der Aggression gegen die Ukraine aktiv sein.
  • Auf Todeslisten der "Bluthunde" genannten Söldner sollen auch der ukrainische Präsident Selenskyj und der Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, stehen.
  • Kadyrow und seine Truppen sind seit den Tschetschenienkriegen für schwere Menschenrechtsverletzungen bekannt.

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Der Hundezüchterverband FCI definiert den Bluthund als intelligent, sanft, anhänglich und "eher zurückhaltend". Insofern wäre es völlig falsch, Ramsan Kadyrows Söldnertruppe als "Bluthunde" zu bezeichnen. Passend ist der Name trotzdem: Die Aufgabe der tschetschenischen Terrorgruppe ist es, Angst und Schrecken zu verbreiten – und das ist der Sinn ihres abstoßenden Namens.

Ob die "Bluthunde" lediglich ein Instrument der psychologischen Kriegsführung sind, wie manche Beobachter meinen, dazu ausersehen, allein durch ihre Erwähnung und weniger durch reale Kampfhandlungen Terror zu verbreiten, darf bezweifelt werden. Gefahr geht von den bärtigen Kämpfern der Gruppe sehr wohl aus. Ob sie wirklich zu Tausenden in die Ukraine einfallen – Kadyrow sprach von derzeit 12.000 Freiwilligen, deren Zahl auf 70.000 steigen könne – oder nur zu Hunderten: Die Tschetschenen, die wohl über Belarus gekommen sind, gelten als erfahren und rücksichtslos in der Aufstandsbekämpfung, um Kriegs- und Völkerrecht kümmern sie sich bei ihren Aktionen nicht.

Den Krieg haben die "Bluthunde" vor allem im eigenen Land geübt. Und ihr Aufstieg war von Anfang an verknüpft mit dem ihres Anführers. Ramsan Achmatowitsch Kadyrow ist der Sohn des früheren tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow, der 2004 ermordet wurde. Seit 2006 ist Ramsan selbst Premierminister. Sein Land hat ungefähr die Größe von Schleswig-Holstein und mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern die Bevölkerungszahl von Mecklenburg-Vorpommern – 95 Prozent von ihnen sind Tschetschenen, nur zwei Prozent Russen.

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Im Tschetschenienkrieg radikalisierten sich die Kämpfer

Wer sich auf die Loyalität von Ramsan Kadyrow verlässt, wie Wladimir Putin das offenbar derzeit tut, geht ein gewisses Risiko ein. Denn der Islamist hat kein Problem damit, auch mal die Seiten zu wechseln – er war nicht immer Freund, sondern lange Zeit erbitterter Gegner Russlands. Putin konnte den Tschetschenienkrieg erst gewinnen, als es ihm mit viel Geld und Versprechungen gelang, den bekennenden radikal muslimischen Kadyrow gegen die russlandfeindlichen tschetschenischen Islamisten auf die russische Seite zu ziehen.

Die beiden Kriege gegen Russland sind auch der wichtigste Grund für die Radikalisierung von Teilen des tschetschenischen Militärs. Der erste Tschetschenienkrieg, 1994 entstanden aus dem Versuch des damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin, einen russlandfreundlichen Putsch in Tschetschenien zu unterstützen, endete in einer militärischen Demütigung Russlands. Das Land blieb anschließend zwar Teil der Russischen Föderation, Russland musste aber islamistische Strömungen im Land akzeptieren.

Diese Situation mündete 1999 in den zweiten Tschetschenienkrieg – geführt von Wladimir Putin. In diesem Krieg begann der Aufstieg von Ramsan Kadyrow. Die von ihm geführten paramilitärischen Truppen wurden für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Vergewaltigungen und Plünderungen verantwortlich gemacht. Russland ließ sie nicht nur gewähren, sondern ließ zu, dass Kadyrow die Regierungsgewalt übernehmen konnte.

Die Bluthunde unterstehen nicht dem russischen Staat

Und nicht nur das. Schon während des Krieges zeichnete Wladimir Putin den Diktator als "Held der Russischen Föderation" aus. Und obwohl Tschetschenien weiterhin eine Teilrepublik Russlands ist, durfte Kadyrow seine Bluthunde behalten. Die nach ihrem Anführer auch als "Kadyrowzy" bezeichneten Paramilitärs sind seine eigene Privatarmee. Sie unterstehen weder dem russischen Innenministerium noch staatlichen Rechtsnormen. Menschenrechtsorganisationen werfen ihnen Folter, Mord und Entführungen vor.

Kein Wunder also, dass in der Ukraine Furcht umgeht vor Todeslisten und Mordaufträgen. Was daran Gerüchte sind, was absichtsvoll gestreute Halbwahrheiten, ist derzeit nicht zu klären. Doch die russische Armee scheint bisher hinter den militärischen Erwartungen ihres Präsidenten zurückzubleiben – nicht unwahrscheinlich also, dass Putin die Kadyrowzy dazu ausersehen hat, eroberte Städte zu kontrollieren und gegen verbleibenden Widerstand rücksichtslos vorzugehen.

Sie könnten die Drecksarbeit im ohnehin schmutzigen Krieg übernehmen – nötigenfalls unter Missachtung von Kriegs- und Völkerrecht, wie sie es in Tschetschenien gelernt haben. Und sie würden damit perfekt in Wladimir Putins Kriegstaktik passen, die mehr und mehr auf Zerstörung und Terror zu setzen scheint.

Kadyrow räumt Verluste ein – doch die Angst bleibt

Zwar verbreiten ukrainische Stellen, ein geplantes Attentat der Bluthunde auf Präsident Selenskyj sei bereits verhindert worden. Zwar gibt es Meldungen über gefallene Tschetschenen und sogar über zwei getötete hohe Kommandeure. Zwar räumt sogar Ramsan Kadyrow ein, dass auch seine Truppe Verluste erleidet.

Doch auf russischer wie ukrainischer Seite ist längst nicht mehr zu unterscheiden, wo die Wahrheit berichtet wird und wo Propaganda oder verordneter Optimismus vorherrschen. Auch von dieser Unsicherheit profitieren die Aggressoren. Die Angst der Ukraine vor den Bluthunden des Ramsan Kadyrow nützt Russland – deshalb wird sie weiter geschürt werden.

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