Knapp drei Jahre nach den ersten großflächigen Infektionen wurde bei "Markus Lanz" (ZDF) eine Bilanz der deutschen Corona-Politik gezogen. "Vieles von dem, was wir gemacht haben, ist richtig gewesen", verteidigt Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Entscheidungen der Regierung, räumte aber auch gravierende Fehler ein.
Lockdowns, Maskenpflicht und Schulschließungen sind auch drei Jahre nach den ersten großflächigen Corona-Infektionen in Deutschland ein viel diskutiertes Thema. Bei
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Am 22. März 2020 trat der erste Corona-Lockdown in Deutschland in Kraft. Fast drei Jahre sind seitdem vergangen. Drei Jahre mit teils schmerzhaften Einschränkungen und strikten Maßnahmen für Bürger und Bürgerinnen, Unternehmen und Sozialeinrichtungen. In der vergangenen Woche endete landesweit die Maskenpflicht für die Mehrheit der Bevölkerung.
Dies nahm ZDF-Moderator Markus Lanz offenbar zum Anlass und zog in seiner Sendung am Donnerstagabend nach drei Jahren Pandemie eine Bilanz. Im Fokus der Sendung:
Die Themen am Donnerstagabend waren außerdem die aktuelle Lage der Pandemie sowie die erschütternden Spätfolgen, unter denen einige Kinder bis heute leiden.
Das sind die Gäste
- Karl Lauterbach, Politiker und Bundesgesundheitsminister (SPD): "Die Pandemie ist nicht vorbei."
- Markus Grill, Gesundheitsexperte und Investigativjournalist (NDR/WDR): "Ein Politiker sollte nicht mit Ängsten operieren, die auf wackligen Beinen stehen."
- Dr. Agnes Genewein, Ärztin: "Wir erleben jetzt die Auswirkungen der strengen Maßnahmen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie."
- Heribert Prantl, Journalist und Jurist: "Wir haben unser Grundgesetz mit Füßen getreten."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Bereits zu Beginn der Sendung versprach Markus Lanz eine Aufarbeitung der Corona-Jahre: "Zumindest wollen wir es versuchen." Während sich der ZDF-Moderator auf die vergangenen drei Jahre fokussieren wollte, stellte SPD-Politiker Karl Lauterbach klar: "Die Pandemie ist nicht vorbei." Markus Lanz hakte verwundert nach: "Aber Herr Drosten hat doch gesagt, es ist vorbei." Der Gesundheitsminister klärte daraufhin auf: "Nicht bei allem, was Herr Drosten sagt, stimme ich zu. Es sind doch nach wie vor Menschen schwer erkrankt und wir haben jeden Tag Infektionen. Es ist immer noch ein guter Rat, vorsichtig zu sein." Gleichzeitig begrüßte Lauterbach das Ende der Corona-Maßnahmen im Land und sagte: "Das kann man jetzt gut vertreten."
Während Karl Lauterbach in der Sendung versuchte, die im Nachhinein teilweise sehr strengen Maßnahmen zu verteidigen, räumte er auch "Exzesse" ein. Vor allem die Bundesländer ("Und kein Land mehr als Bayern") hätten überreizt: "Was Schwachsinn gewesen ist, wenn ich so frei sprechen darf, sind diese Regeln draußen", sagte Lauterbach, und meinte etwa Verbote, in Parks spazieren zu gehen oder ohne Maske zu joggen.
Schwere Fehler der Regierung
Darüber hinaus gab er in einem Bereich offen zu, dass schwere Fehler seitens der Regierung begangen wurden - beim Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Journalist und Jurist Heribert Prantl kritisierte: "Das Leben spielt sich nicht in Modellen ab, das Leben spielt sich zu Hause, in der Schule und im Home-Office ab. Es wurden die Eltern nicht gehört, es wurden die Lehrerinnen und Lehrer und die Schüler nicht gehört. Die Expertise war viel zu schmal." Gesundheitsexperte Markus Grill ergänzte: "Bei Merkel wusste man gar nicht, wer die Kanzlerin berät. Als Prozess ist das völlig untragbar für ein Land wie Deutschland."
Karl Lauterbach stimmte der Kritik in einigen Punkten zu: "Ich widerspreche Ihnen da gar nicht. Was definitiv gefehlt hat, waren Experten für die Belange von Kindern. Die langen Schulschließungen waren ein Fehler." Eine Einsicht, zu der Dr. Agnes Genewein anmerkte: "Die Folgen, die wir jetzt erleben, sind verheerend." Die Ärztin forderte deshalb: "Wir brauchen jetzt aktive Maßnahmen, um den Kindern mit Angststörungen zu helfen."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Die größte Auseinandersetzung gab es in der Sendung zwischen Lauterbach und Prantl. Während sich die beiden beim Thema Schulschließungen einig zu sein schienen, fand der Journalist deutliche Worte, als es um seine Meinung zur generellen Corona-Politik der Bundesregierung ging: "Wir haben in den letzten drei Jahren am offenen Herzen der Demokratie operiert. Mein Fazit nach drei Jahren Corona ist Folgendes: Mir war dieser Staat nie so fremd wie in dieser Zeit. Er war unbarmherzig und es ist mir manchmal unheimlich gewesen, wie er auftrat. Ausgangssperren, Reisesperren, die Lockdowns. Es war ein Exzess sondergleichen. Wir haben unser Grundgesetz mit Füßen getreten."
Harte Worte, die Karl Lauterbach so nicht stehen lassen wollte: "Wenn wir die Maßnahmen nicht gemacht hätten, dann wären in Deutschland ungefähr eine Million Menschen gestorben. Das kann doch nicht richtig sein!" Stattdessen seien 180.000 Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben, so der Bundesgesundheitsminister: "Das ist keine schlechte Zahl, aber wir wären noch besser gewesen, wenn es nicht die Politisierung der Maßnahmen gegeben hätte."
Daraufhin platzte Heribert Prantl der Kragen. "Da sind doch Sie mit dran schuld, dass es die Querdenker gab. In der Art und Weise, wie Sie Kritik abgebügelt haben, wie Sie Andersdenkende als 'Verschwörungstheoretiker' bezeichnet haben", so der Journalist sichtlich erbost.
"Das ist ein saftiger Vorwurf!", fiel auch ZDF-Moderator Markus Lanz auf. Doch Karl Lauterbach entgegnete: "Dass jetzt diejenigen, die versucht haben, die Bevölkerung zu schützen, [...] plötzlich verantwortlich gemacht werden für die Querdenker, das ist perfide und nicht richtig." Es sei zudem ein haltloser Vorwurf, fuhr Lauterbach fort: "Wir haben Studien ausgewertet und haben Entscheidungen im Einklang mit der Wissenschaft getroffen. Wir werden erneut Pandemien haben. Ihre Meinung, dass man die Maßnahmen nicht gebraucht hätte, das ist Gift."
Statt klein beizugeben, schaltete sich Markus Grill in die Diskussion mit ein und sagte in Richtung Lauterbach: "Die Spaltung der Gesellschaft ist schon auffällig. Sie haben mit einer gewissen Rhetorik der Angst gearbeitet und ich würde bei dem Punkt der Hysterie zustimmen. Sie haben oft mit Angst argumentiert und die Angst war nicht immer gerechtfertigt."
Heribert Prantl beendete die hitzige Debatte mit den Worten: "Bei der nächsten Pandemie würde ich mir weniger Lauterbach wünschen und mehr Süssmuth - wie man damals in der HIV-Infektion geworben hat und versucht hat, die Bevölkerung nicht mit Angst und Panik zu erschrecken, sondern sie mehr reinzuholen in die Maßnahmen. Wenn ich Ihr gesamtes Wirken anschaue, dann sehe ich einen Daueralarm."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Lanz moderierte solide und stellte vor allem seinem einstigen Dauergast Karl Lauterbach präzise und kritische Nachfragen, untermalt von Video-Beiträgen und Tweets aus der Vergangenheit. Er ließ seinen Gästen genügend Zeit, ihre Gedanken und Sorgen zu äußern und unterbrach nur selten die Diskussion. Ein roter Faden lief durch die Sendung, auch wenn die aktuelle Corona-Situation sowie die Lösungsansätze, was die Spätfolgen der deutschen Kinder angeht, zum Ende der Sendung eher zu kurz kamen.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Die Mehrheit der Gäste bei "Markus Lanz" sahen die Fehler nach drei Jahren Corona offenbar vor allem beim amtierenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er soll als Experte und später im Amt nicht nur mit seinem Daueralarm für Angst und Schrecken im Land gesorgt, sondern soll auch teils fragwürdige Studien als Grundlage für strenge Corona-Maßnahmen genommen haben.
Nachdem der SPD-Politiker am Donnerstagabend mehrmals in Bedrängnis geriet, beendete Markus Lanz die Sendung mit den vielsagenden Worten: "Die Diskussion müssen Sie hinter den Kulissen fortführen." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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