Bei "Hart aber fair" ging es am Montagabend um den Fleischkonsum der Deutschen. Muss er runter und wenn ja, wie motiviert man die Bürgerinnen und Bürger dazu? Cem Özdemir gab eine überraschende Antwort auf die Frage, ob wir alle zu Vegetariern werden müssen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Immer weniger Fleisch landet auf deutschen Tellern: Im vergangenen Jahr ist der Verzehr auf ein Rekordtief gesunken. 52 Kilogramm aßen die Deutschen im Schnitt – so wenig wie seit über 30 Jahren nicht. Der Anteil der Menschen, die immer häufiger bewusst auf Fleisch verzichten, liegt inzwischen bei 44 Prozent.

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Das ist das Thema bei "Hart aber fair"

Zum Start der Grillsaison brachte Louis Klamroth bei "Hart aber fair" am 17. April die "Schnitzel-Frage" auf den Tisch: Welches Fleisch sollten wir kaufen – "billig, bio oder besser gar nicht?"

Während ein TV-Koch den Geschmackstest zwischen Haltungsstufe 2 und 4 machte, berichtete eine Bäuerin von den Kosten artgerechter Haltung. Außerdem debattierte die Runde darüber, wer sich so ein Fleisch trotz Inflation noch leisten kann.

Das sind die Gäste

  • Cem Özdemir (Grüne): "Der Landwirtschaftsminister ist nicht dafür zuständig, dass er den Leuten sagt, was sie essen sollen", betonte der Grünen-Politiker. Langfristig sollte aber weniger Fleisch auf den Teller, so der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. "Landwirtschaftspolitik muss auch sozial gerecht sein", sagte Özdemir. Aber sie ersetze nicht Sozialpolitik in anderen Bereichen.
  • Ralf Zacherl: Der TV-Koch berichtete von seinen Hofbesuchen bei Schweinezüchtern der Haltungsstufe 2 und 4. Nachdem er von einer Muttersau erzählte, der es nicht gelang, sich zu ihren Jungen zu drehen, sagte er: "Da überlegt man sich dann schon, ob man das nächste Mal Currywurst oder gebackene Champignons nehmen soll und entscheidet sich einfach für die gebackenen Champignons."
  • Albert Stegemann (CDU): "Gute Tierhaltung und günstige Lebensmittel schließen sich nicht aus. Bei der Umsetzung dürfen die Landwirte aber nicht alleine gelassen werden", urteilte der agrarpolitische Sprecher der Unions-Fraktion. "Ich habe kein Problem mit vegetarischer Ernährung, aber ich glaube nicht, dass es ein Rezept ist, mit dem man am Ende den Planeten rettet, wenn man es wirklich absolut durchführt." Wenn es darum gehe, den Planeten ressourceneffizient zu entwickeln, brauche man ein gesundes Maß an Tierhaltung.
  • Gesa Langenberg: Die Landwirtin sagte mit Blick auf den Umbau ihrer Schweineställe zu artgerechterer Haltung: "Ich brauche Planbarkeit, wenn ich damit weitermache. Das sind wahnsinnig hohe Investitionskosten." Sie brauche die Unterstützung von Politik und Handel. "Es ist mir wichtig, dass die Tiere bei uns ein gutes Leben haben", betonte sie. Man müsse den Landwirten Zeit geben. "Wir wollen etwas verändern", sagte Langenberg.
  • Stefan Genth: "Der Handel ist nicht der Ernährungserzieher der Nation. Wir müssen für jeden Geldbeutel etwas anbieten", sagte der Chef des Einzelhandelsverbands. Der Handel habe eine Verantwortung, die nehme er auch wahr. "Den Verbraucher muss man mitnehmen", erinnerte er. "Wir versuchen, die Preise nicht weiter steigen zu lassen. Es gibt schon harte Auseinandersetzungen mit der Industrie", sagte Genth über die Inflation. Süßwarenregale seien bereits leer gewesen, weil es von Herstellern Preiserwartungen gegeben habe, die der Handel nicht akzeptieren wollte.
  • Ursula Sachs: Die Rentnerin kann sich Gedanken ums Tierwohl nicht leisten – sie muss bei den aktuellen Preisen schauen, dass sie überhaupt satt wird. "Ich esse einmal die Woche Fleisch", schilderte sie. Mehr könne sie sich nicht leisten, obwohl sie gerne mehr Fleisch essen würde. "Dass es den Tieren besser geht, finde ich gut. Aber wenn es so teuer ist, dass die Leute es sich nicht mehr leisten können, das ist nicht in Ordnung."

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber fair"

Recht zu Beginn der Sendung fragte Moderator Louis Klamroth in Richtung Vegetarier Cem Özdemir: "Wäre es denn besser für Gesellschaft und Klima, wenn alle Vegetarier werden würden?" Özdemir stutzte kurz, schüttelte dann aber den Kopf und sagte: "Muss man nicht. Wenn alle Vegetarier sind, haben wir auch ein Problem, denn dann gibt es keine Kreislaufwirtschaft."

Man brauche aber den tierischen Dünger für die Kreislaufwirtschaft. "Gerade in der Zeit, wo der mineralische Dünger durch den schrecklichen Angriffskrieg auf die Ukraine teurer geworden ist", betonte Özdemir. Angesichts der planetaren Grenzen müsse man aber dafür sorgen, dass weniger Tiere gehalten würden. Ein wichtiger Moment der Sendung, weil er schon früh die Weichen stellte: Es ging um sachliche Argumente und nicht um ideologische Debatten.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Özdemir stellte seine Pläne für ein gesetzlich verpflichtendes Siegel und für Änderungen im Baugesetzbuch vor. Dann ergänzte er: "Wenn ich von den Bäuerinnen und Bauern verlange, dass sie weniger Tieren mehr Platz geben, dann haben sie Einnahmeausfälle. Darum habe ich jetzt mit 1 Milliarde eine Anschubfinanzierung dafür und jetzt fangen wir endlich an. Wir haben 16 Jahre darüber geredet. Meine Einladung: Lassen Sie uns das parteiübergreifend machen."

Oppositionspolitiker Stegemann sagte: "Ich bin bei den Überschriften zu 100 Prozent dabei, aber es geht darum, dass Ziel auch tatsächlich zu erreichen." Bei aller oppositioneller Höflichkeit müsse man darauf hinweisen, dass die 1 Milliarde Euro über 4 Jahre verteilt würden und man beim Haushaltsjahr 2023 nur über 150 Millionen Euro rede.

Bereits vor der Inflation sei ausgerechnet worden, dass pro Jahr ca. 3 Milliarden Euro notwendig seien. Das Ziel sei, jedem Landwirt ein Angebot zu machen. "Aber wenn ich mit dem spitzen Bleistift rechne, machen Sie jedem 40. Landwirt ein Angebot", sagte er in Richtung Özdemir. "Das ist einfach halbherzig."

Özdemir verteidigte sich: Die 1 Milliarde Euro seien auch weiter gesichert und würde sich nur auf die Legislaturperiode beziehen. "Ausschließlich für den Bereich Schweine. Da sehen die Zahlen dann ganz anders aus. Sie machen Parteipolitik", beklagte er.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Louis Klamroth war in lockerer Stimmung und stellte mehrere gewitzte Fragen: "Jetzt wollen Sie noch ein Siegel. Was bringt das, außer Verwirrung?", fragte er Richtung Özdemir.

Ebenso wollte er wissen, wann der Landwirtschaftsminister sein "vegetarisches Coming-Out" gehabt habe und als das geplante gesetzliche Siegel gezeigt wurde, fragte er: "Bleibt das so hässlich, oder machen Sie es noch schön?"

Gleichzeitig gelang es Klamroth, ein ausgewogenes Bild zu zeichnen, bei dem auch Fragen dabei waren wie: "Diese Tiere sind dafür gezüchtet, dass wir etwas zu essen haben. Denken Sie auch so über ihre eigenen Schweine?"

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"

Die eingangs plakativ gestellte Frage "Billig, bio oder gar nicht?" bekam keine eindeutige Antwort. Mit dabei: Der Fleischkonsum des Landes und die Anzahl der gehaltenen Tiere sollte im Sinne des Klimaschutzes sinken. Im Sinne des Tierwohls plädierte die Runde dafür, die Landwirtschaft so zu unterstützen, dass die Transformation gelingt – vor allem finanziell. Für viele Verbraucher könnte es eine Lösung sein, hochwertigeres Fleisch zu essen, dafür aber seltener.

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