SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnt im ZDF vor einer "fulminanten" dritten Corona-Welle und vielen chronisch Kranken. Ein härterer Lockdown ist für ihn unausweichlich. Der Rostocker Stadtchef Claus Ruhe Madsen hält dagegen: "Wir brauchen Angebote statt Verbote."
Von Henkern ist die Rede, vom letzten Gefecht, sogar von bis zu 100.000 Neuinfektionen pro Tag: Die Stimmung in
Was will die Politik? Was soll man sich selbst noch wünschen? In Pandemie-Deutschland herrscht derzeit große Ratlosigkeit.
Das sind die Gäste bei Maybrit Illner
Düzen Tekkal: Die Journalistin und Autorin würde in Deutschland gerne eine "Mutrepublik" sehen. "Made in Germany" stehe eigentlich für Exzellenz - stattdessen komme man aber beim Impfen gegen das Coronavirus nicht voran. "Das tut mir weh. Weil wir wissen, dass wir es eigentlich besser können."
Margot Käßmann: Den Menschen werde in dieser Pandemie zu wenig zugetraut, kritisiert die evangelische Theologin. Sie wünscht sich zudem, dass die Kirchen über Ostern Gottesdienste feiern dürfen. Vor einem Jahr sei das noch verboten gewesen, weil es noch keine Masken oder Hygienekonzepte gab. "In den letzten Monaten haben die Kirchen das eingeübt."
Claus Ruhe Madsen: Der parteilose Oberbürgermeister von Rostock hat in seiner Stadt vergleichsweise niedrige Inzidenzwerte und lässt getestete Zuschauende wieder ins Fußballstadion. "Wir brauchen Angebote statt Verbote", ist er überzeugt.
Das ist der Moment des Abends
Es ist gerade nicht die Zeit für gute Nachrichten. Karl Lauterbach hat stattdessen besonders schlechte Zahlen im Gepäck, die dem Publikum das Einschlafen nach der Sendung nicht gerade leichter machen dürften. "Jetzt kommt nochmal ein sehr schweres letztes Gefecht", sagt der Sozialdemokrat und verweist auf seine Mediziner-Kollegen.
Von denen befürchten manche, dass sich in Deutschland bald bis zu 100.000 Menschen täglich mit dem Coronavirus infizieren könnten. Auch viele Jüngere könnten Lauterbach zufolge schwer und langwierig erkranken. "Wir haben eine Welle von chronisch kranken Menschen vor uns."
Lauterbach würde deswegen gerne eine "harte Medizin" verabreichen und einen zweiwöchigen harten Lockdown einlegen. Kein Wunder, dass der Epidemiologe für die Pläne des Saarlands kein Verständnis hat. Die dortige Landesregierung hat am Donnerstag angekündigt, den Lockdown nach Ostern weitgehend zurücknehmen zu wollen.
Mit einem negativen Coronatest sollen dort wieder Shoppen, Kultur und Sport möglich sein. Damit kann Lauterbach gar nichts anfangen: "Wir brauchen hier nicht wie bei Jugend forscht auszuprobieren, was ich mit ein paar Tests hinbekomme."
Das ist das Rededuell des Abends
Lauterbach hat in der Runde einen angriffslustigen Gegenspieler. Der Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen kritisiert: In Deutschland werde die Pandemie viel zu sehr aus Sicht der Verwaltung und nicht aus Sicht der Menschen gemanagt.
Wenn die Leute gezwungen sind, über Ostern zu Hause zu bleiben und an die Decke zu starren, gehen sie wahrscheinlich zu ihren Nachbarn, trinken eine Flasche Wein oder auch mehrere. So komme es dann zu Infektionen im privaten Bereich, sagt Madsen. "Wir sind doch eigentlich ein Land der Dichter und Denker - und jetzt der Schließer und Henker."
Das kommt bei den beiden Politikern in der Runde gar nicht gut an. Der Rostocker aber lässt sich nicht beirren: "Es ist mir zu einseitig, zu sagen: Ein Lockdown ist die Antwort."
Er komme genau zum umgekehrten Schluss, sagt Karl Lauterbach. Seiner Einschätzung nach wollen die Leute das sichere Gefühl, dass die Maßnahmen wirken. Und diese Sicherheit liefert nach seiner Einschätzung vor allem ein Lockdown: "Die Lockdowns in Europa haben mit Sicherheit sehr vielen Millionen Menschen das Leben gerettet", sagt Lauterbach.
In Deutschland seien 500.000 Menschen damit gerettet worden. "Da kann man nicht sagen: Das war bisher alles Mist."
Das ist das Ergebnis bei Maybrit Illner
Es ist ein Rätsel, warum konkrete Ideen zur Pandemiebekämpfung in dieser Sendung nur am Rande zur Sprache kommen. Rapper Smudo zum Beispiel bleiben nur ein paar Minuten ganz am Ende, um seine Luca-App vorzustellen. Wer noch nie davon gehört hat, dürfte das Konzept in so kurzer Zeit kaum durchdrungen haben.
Es ist keine besonders konstruktive Stunde. Die Gäste beharren auf ihren Positionen und bewegen sich kaum aufeinander zu. Das ist aber auch kein Wunder: Die berechtigte Angst vor erneut stark steigenden Zahlen und der ebenso berechtigte Wunsch nach Lockerungen lassen sich schlecht in ein gemeinsames Konzept gießen.
Berlins Bürgermeister bringt es auf den Punkt: Man freue sich derzeit über Modellprojekte - und gleichzeitig schüttele man den Kopf über die Öffnungspläne im Saarland. "Es gibt nicht DIE Bevölkerung, die DAS will, sondern es gibt 100 verschiedene Meinungen in der Bevölkerung", sagt Michael Müller Die Politik versuche aber, möglichst vielen gerecht zu werden. Und heraus komme dabei nichts Halbes und nichts Ganzes.
Die ganze Lage ist also reichlich verfahren. "Vielleicht können sich alle gegenseitig Mut zusprechen: Wir kommen da durch", sagt Theologin Margot Käßmann zum Schluss. Wahrscheinlich bleibt in dieser Situation in der Tat nur noch das: Hoffen auf ein Osterwunder.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.