Mal was anderes als Corona bei Frank Plasberg – nämlich noch schlechtere Nachrichten als in der "Tagesschau". Schauspieler Hannes Jaenicke wütet gegen die untätige Politik und Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus blamiert sich mit seinem Fuhrpark.
2020 wäre auch ohne diese Nachricht schon ein veritables Grottenjahr gewesen, aber wo wir gerade dabei sind: Das ewige Eis wird nicht ewig halten. Genauer gesagt noch nicht einmal mehr besonders lange.
Klimaforscher haben es befürchtet, die Crew des Eisbrechers "Polarstern" hat den Beweis mitgebracht von der größten Arktis-Expedition aller Zeiten. "Wir können nicht sagen, wir haben nichts gewusst", sagt
Das ist das Thema bei "Hart aber fair"
Endlich mal etwas anderes als die Corona-Pandemie – und dann das: Frank Plasberg behandelt eine potenziell viel schlimmere Krise: "Auf dünnem Eis – wie viel Zeit lässt uns der Klimawandel noch?"
Das sind die Gäste
- Nicht besonders viel, antwortet Antje Boetius, Meeresbiologin und Koordination der Arktis-Expedition auf die Frage der Sendung. "Wenn wir so weitermachen, werden wir die letzte Generation sein, die eine immer eisbedeckte Arktis im Sommer sieht." Die Forscher hätten die schnellste Schmelze aller Zeiten im Sommer erlebt, im Winter war es zehn Grad wärmer als während der legendären Fram-Expedition von Fridtjof Nansen Ende des 19. Jahrhunderts.
- Schauspieler
Hannes Jaenicke , Autor diverser Klima-Dokumentationen, hält das Coronavirus im Vergleich dazu für "einen Klacks". Was ihn wundert: In der Pandemie werde plötzlich auf Wissenschaftler gehört, "beim Klima wird nur gelabert, aber keiner handelt". - "Sie können sagen, wir machen zu wenig, aber nicht, dass wir gar nichts machen", entgegnet Unions-Fraktionschef
Ralph Brinkhaus . Investitionen in erneuerbare Energien, die Bahn, energetische Sanierung – schon jetzt mache Deutschland im Vergleich mehr als andere Länder, sagt der CDU-Politiker. - Klimaaktivistin Carla Reemtsma von "Fridays for Future" widerspricht: "Wir haben einen Kohleausstieg, der es unmöglich macht, unsere Klimaziele zu erreichen." Damit werde Deutschland weder seiner Vorreiterrolle noch seiner Verantwortung gerecht.
- "Dicke Bretter" seien in der Industrie zu bohren, erklärt auch Zement-Fabrikant Dirk Spenner. Es brauche Infrastruktur, um klimaneutral zu produzieren, vor allem viel mehr erneuerbare Energie. Spenner betont: "Das sind Einschnitte für die Gesellschaft … und wenn wir die Windräder nicht wollen und die Pipelines, dann sind wir noch nicht reif für die Diskussion."
Der Moment des Abends
Da will man nicht nur seine Regierung, sondern auch sich selbst als Klima-Musterschüler präsentieren, und dann so ein Fauxpas: Ausführlich preist Ralph Brinkhaus die Bemühungen, Steuervorteile und Ladestationen für E-Autos auszubauen – und will beweisen, dass er weiß, wovon er spricht: "Wir fahren auch einen Hybrid zuhause. Sogar zwei."
Meeresbiologin Antje Boetius bricht in schallendes Lachen aus: "Herr Brinkhaus: Zwei Hybrid sind nicht besser als ein Hybrid, energetisch."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Das Nackensteak ist noch warm, findet Frank Plasberg – und wartet nur auf den richtigen Moment, dass gut abgehangene Zitat von Ralph Brinkhaus über die Grillfleisch-Esser als Rückgrat der Gesellschaft noch einmal zu bringen.
Den Anlass liefert eine von mehreren Schimpftiraden von Schauspieler Hannes Jaenicke, dem der Kampf gegen den Klimawandel einfach zu lange dauert: "Wir verballern pro Stunde 380.000 Becher Coffee to Go, woher die Angst vor dem Verbot von dem Quatsch? (…) Warum gibt es noch Billigfleisch?" Und zack, schon hat Plasberg auf den Knopf gedrückt, und Brinkhaus stöhnt: "Das musste ja kommen."
"Hoffentlich bereuen sie den Satz", zischt Jaenicke, aber den Gefallen tut ihm Brinkhaus nicht: "Wenn wir es nicht schaffen, diese Leute mitzunehmen, haben wir das Ding verloren." Er wolle "positive Dinge verstärken", die Leute sollten "Spaß haben, wenn die Panels am Dach Strom produzieren oder wenn sie mal einen Wanderurlaub machen". Appelle also statt dem "erhobenen Zeigefinger".
Der sei nur Einbildung, argumentiert Carla Reemtsma: "Wir sprechen selten über Konsumverzicht." Eigenverantwortung sei nicht der große Hebel, den man brauche. Anstelle von Appellen müsse die Bundesregierung aufhören, klimaschädliches Verhalten mit 50 Milliarden Euro pro Jahr zu fördern – über das Dieselprivileg etwa. "Da könnte man von heute auf morgen ansetzen."
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
Frank Plasberg ist ein Blitzdenker. Das macht seine Sendung besser, wenn er schneller als sein eigener Schatten Grafiken und Statements einspielt, oder wenn er Phrasendrescherei schon im Ansatz erstickt. "Wenn Politiker von 'Herausforderungen' sprechen, klingt das nach Ohnmacht", unterbricht er einmal Ralph Brinkhaus - da muss sogar der ertappte Unions-Fraktionschef grinsen.
Plasbergs Synapsenturbo kann die Sendung aber auch schlechter machen, wenn er plötzlich jeden einzelnen seiner Gedanken für wertvoller hält als die Beiträge seiner Gäste. Vielleicht bräuchte er einen Menschen im Ohr, der ihn hin und wieder daran erinnert, Gesprächspartner auch ausreden zu lassen.
Das ist das Ergebnis
Die Daten werden immer klarer, die Appelle immer eindringlicher – aber die Argumente bleiben in der Klimadebatte seit Jahren die selben. Aktivisten wie Carla Reemtsma verlangen sofortige Maßnahmen, weil die Klimaziele sonst verfehlt werden. Politiker wollen "die Menschen mitnehmen", was meist bedeutet, unangenehme Schritte mindestens auf die nächste Legislaturperiode zu vertagen. Die Wirtschaft warnt vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber China.
Kein Vorwurf an die Gäste, aber wer ein wenig aufgepasst hat in den letzten Jahren, konnte ihre Statements fast auswendig mitsprechen. Auch die leidige Windrad-Diskussion kann man sich sparen, auch wenn es auf den ersten Blick - aber auch nur auf den ersten - paradox erscheint, wenn Klimaschützer Hannes Jaenicke sich dagegen wehrt, wenn ein Wald Platz für 18 Windräder machen soll.
Das Grundproblem ist seit Jahrzehnten unter den Abkürzungen BANANA ("Build absolutely nothing anywhere near anything") oder NIMBY ("Not in my backyard") bekannt – die spannendere Frage wäre, was man den Menschen anbieten kann, die sich gegen Stromtrassen und Windräder vor ihren Dörfern wehren. In die Zukunft schauen, das sei der Weg, meint Forscherin Antje Boetius, von Vorbildern wie Tübingen lernen, wo schon 30 Prozent der Emissionen freiwillig eingespart wurden.
Vielleicht hat Boetius aber auch selbst schon in die Zukunft geschaut, ohne es zu merken. Ob Corona nicht eine Blaupause sein könnte, wie ein existenzielles Problem unter Einbeziehung der Experten radikal und schnell angegangen wird, will Plasberg wissen. Boetius hat ihre Zweifel – in Wahrheit hätten Forscher ja schon seit Jahrzehnten gewarnt, dass unser Fleischkonsum und unsere Tierhaltung unweigerlich Pandemien auslösen werden. Erst als es zu spät und die Katastrophe da war, wurde plötzlich auf die Experten gehört. Das klingt schon eher nach einer realistischen Blaupause für die Klimakrise.
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