- Ein grüner Landesminister und eine CDU-Bundestagsabgeordnete lagen bei "Hart aber fair" im Dauerclinch.
- Der Chefredakteur von "Finanztip" verglich die verbliebene Belegschaft in deutschen Atomkraftwerken mit der "dritten Mannschaft von Bayern München".
- Und ein Ökonom erwartet auch künftig deutlich höhere Energiepreise.
Das war das Thema bei "Hart aber fair"
Bald beginnt der Winter und Millionen Deutsche haben Angst vor den stark steigenden Gas- und Strompreisen. Nicht nur einfache Bürger, auch Betriebe fürchten sich vor der Pleite.
Das waren die Gäste
- Tarek Al-Wazir: Der hessische Wirtschaftsminister (Bündnis 90/Grüne) will mit einem Strompreisdeckel und einer Übergewinnsteuer aktiv in die Energiemärkte eingreifen. Er kritisierte die Union scharf dafür, dass sie den Ausbau der Erneuerbaren Energien während der Kanzlerschaft
Angela Merkels (CDU) nicht weiter forciert hat. Über die Kritik an seinem Parteifreund Robert Habeck, der Bäckereien das Einfrieren der Produktion empfohlen hatte, um die hohen Energiepreise abzufedern und Insolvenzen zu vermeiden, sagte Al-Wazir. "Die Bäcker waren das falsche Beispiel." Aber während der Pandemie sei die Produktion in vielen Branchen schon einmal gestoppt worden, es habe dann Kurzarbeitergeld und Wirtschaftshilfen gegeben, erklärte er. - Hermann-Josef Tenhagen: Der Chefredakteur von "Finanztip" forderte die Politik auf, erstmal den Verbrauchern zu helfen, bevor neue Modelle zur Strompreisberechnung entwickelt werden. Tenhagen lehnte den Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke ab. "Auch nicht die drei Monate." Diese Dinger hätten seit 13 Jahren keinen TÜV mehr gesehen. Außerdem würden viele qualifizierte Mitarbeiter schon fehlen, behauptete er. "Wer soll die Arbeit machen?", fragte Tenhagen und wählte einen polemischen Fußball-Vergleich. "Die dritte Mannschaft von Bayern München? Das ist ein Problem."
- Caterina Künne: Die Bäckerei-Inhaberin fühlt sich von der Politik angesichts der explodierenden Energiepreise im Stich gelassen. Mehr als 50 Arbeitsplätze sind in Gefahr. "Wir wollen nicht schließen. Wir wollen weitermachen", betonte sie. Künne berichtete von Kollegen, deren Gasrechnung von 8.000 Euro im Monat auf 75.000 Euro gestiegen ist. Scharf sprach sie sich daher gegen die Gasumlage aus. Mittelständische Betriebe würden noch zusätzlich belastet werden statt entlastet. Ihr bitteres Fazit: "Für uns wird nichts getan. Wir werden allein gelassen."
- Gitta Connemann: Die Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion nannte es "einen Wahnsinn", die drei letzten Atomkraftwerke angesichts der Energiekrise abzustellen. Sie warf den Grünen an diesem Punkt Ideologie statt Vernunft vor. "Wir brauchen diesen Strom", betonte Connemann. Unternehmerin Künne nickte.
- Prof. Dr. Stefan Kooths: Der Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel erwartet die Spitze der steigenden Energiepreise erst im kommenden halben Jahr. Der Ökonom forderte daher von der Politik, nicht von einer kurzfristigen Entlastungsmaßnahme in die nächste zu schlittern, sondern eine "Brückenstrategie für die nächsten fünf bis zehn Jahre" zu entwickeln. Eine Zeit, von der man bisher dachte, ausreichend Gas aus Russland zur Verfügung zu haben. Den möglichen Weiterbetrieb der Atommeiler in Deutschland über drei oder vier Monate nannte er "ein reines Symbolthema". Kooths: "Ich glaube nicht, dass das der Gamechanger ist".
Das war der Moment des Abends
Als Bäckerei-Inhaberin Künne vorrechnete, was es für die Verbraucher bedeuten würde, wenn die Bäckereien die Energiekosten eins-zu-eins auf die Kunden umlegen würden, konnte einem als Zuschauer der Atem stocken. Brötchen würden dann 80 Cent kosten, ein einfaches Brot acht Euro. Für Künne kommen solche Preise nicht in Frage, sie will sicherstellen, dass Brot kein Luxusprodukt wird.
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Das war das Rededuell des Abends
Besonders streitlustig waren am Montagabend Tarek Al-Wazir und Gitta Connemann. "Das ist der Unterschied zu Corona. Ich finde, da beschwichtigen Sie, Herr Al-Wazir. Da gab es den einen oder anderen Lockdown. Hier wird den Betrieben eine elementare Wirtschaftsgrundlage genommen, nämlich die Bezahlbarkeit von Energie. Und das ist ein vollkommen unterschiedliches Szenario", warf die CDU-Politikerin dem Grünen vor. Unternehmen würden in Entlastungspaketen bisher nicht vorkommen.
Al-Wazir wehrte sich gegen diesen Vorwurf. "Frau Connemann, Sie haben jetzt viermal 'beschwichtigen' gesagt. Obwohl ich gesagt habe, diese Krise wird härter als Corona. Ich habe das Gegenteil von 'beschwichtigen' gesagt. Ich weiß, was auf uns zukommt und ich weiß, dass viele Betriebe jetzt Hilfe brauchen." Auch beim Thema Atomstrom wurde es laut zwischen dem Grünen und der Unionsfrau. Ein Sieger dieses Dauerduells war am Montagabend schwerlich auszumachen.
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
Der Gastgeber führte die Diskussion gewohnt souverän und hatte wenig Probleme, die Streithähne Al-Wazir und Connemann zu trennen – was immer wieder mal nötig wurde. "Jetzt machen wir mal ne kleine Atempause" war einer jener Sätze, mit dem er die Gemüter erfolgreich beruhigte. Einzig vorwerfen konnte man dem 65-Jährigen bei der Frage, ob die deutschen Atomkraftwerke weiterbetrieben werden sollten, seine spürbaren Sympathien für die kurzzeitige Verlängerung der Laufzeiten. Da verließ Plasberg seine Position als neutraler Vermittler.
Das ist das Fazit
Schlechte Aussichten für Industrie und Verbraucher. Für Ökonom Kooths ist bereits ausgemacht, dass wir mit viel höheren Energiepreisen aus der jetzigen Krise rausgehen werden als wir hereingegangen sind. Für Tarek Al-Wazir kann es daher nur eine Lösung geben: "Die Antwort heißt Energiewende", denn "Putin kann uns Sonne und Wind nicht abdrehen."
Journalist Tenhagen empfahl allen Bürgerinnen und Bürgern etwas, was er früher nie getan hätte, wie er verwundert feststellte: "Sie müssen zu ihrem Grundversorger zurück." Denn die garantieren derzeit meist die stabilsten und verhältnismäßig niedrigsten Preise.
CDU-Frau Connemann forderte sogar einen Gaspreisdeckel, den sie aus Haushaltsmitteln finanzieren will. Da geriet sie – wieder einmal – mit Al-Wazir aneinander, der vergeblich versuchte aus ihr herauszubekommen, an welcher Stelle im Haushalt sie die Gelder dann einsparen möchte.
Bäckerei-Inhaberin Künne, die während der ganzen Sendung ziemlich frustriert bis verzweifelt wirkte, kam am Ende immerhin zu einem positiven Fazit: Sie war zufrieden, dass ihre Position endlich vor einem großen Publikum gehört wurde. Nun muss nur noch etwas von Seiten der Politik passieren, damit es zu keiner Pleitewelle im Bäckerhandwerk kommt. Und damit die Brot- und Brötchen-Preise nicht tatsächlich explodieren.
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